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VWL I: International besetzter Workshop zur Finanzierung des Eisenbahnsektors ein großer Erfolg

Am 11. und 12. Mai 2017 trafen sich im Rahmen eines von der Professur VWL I (Professur für Industrieökonomie, Wettbewerbspolitik und Regulierung) unter der Leitung von Prof. Dr. Georg Götz organisierten Workshops Wissenschaftler und Praktiker an der JLU, um die Finanzierung und Leistungsfähigkeit des Europäischen Eisenbahnsektors zu diskutieren. Als ausgewiesener Experte auf dem Gebiet der Transportökonomie eröffnete Chris Nash von der Universität Leeds mit einer Keynote den Workshop. Es folgten Vorträge von Wissenschaftlern, Unternehmens- und Regulierungsbehördenvertretern aus Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Ungarn, Spanien, Tschechien sowie den USA. Seinen Abschluss fand der Workshop mit einer Podiumsdiskussion zur zukünftigen Ausrichtung und Finanzierung des deutschen Eisenbahnsektors.

Am 11. und 12. Mai 2017 trafen sich im Rahmen eines von der Professur VWL I (Professur für Industrieökonomie, Wettbewerbspolitik und Regulierung) unter der Leitung von Prof. Dr. Georg Götz organisierten Workshops Wissenschaftler und Praktiker an der JLU, um die Finanzierung und Leistungsfähigkeit des Europäischen Eisenbahnsektors zu diskutieren. Als ausgewiesener Experte auf dem Gebiet der Transportökonomie eröffnete Chris Nash von der Universität Leeds mit einer Keynote den Workshop. Es folgten Vorträge von Wissenschaftlern, Unternehmens- und Regulierungsbehördenvertretern aus Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Ungarn, Spanien, Tschechien sowie den USA. Seinen Abschluss fand der Workshop mit einer Podiumsdiskussion zur zukünftigen Ausrichtung und Finanzierung des deutschen Eisenbahnsektors.

Neben Fahrgeldeinnahmen und Einnahmen aus Netzentgelten, welche Verkehrsunternehmen für die Nutzung der Infrastruktur zahlen müssen, stellen öffentliche Mittel eine der Hauptfinanzierungsquellen des europäischen Eisenbahnsektors dar. In seinem Vortrag zur Schienenverkehrsfinanzierung in Europa referierte Chris Nash über Gründe und Formen staatlicher Markteingriffe und Finanzierungsleistungen. In diesem Zusammenhang erläuterte Nash auch, wie die effiziente Verwendung von staatlichen Zuschüssen sichergestellt werden kann. Nash wusste von mehreren Negativbeispielen staatlicher Finanzierung zu berichten. Spitzenreiter sei eine Bahnverbindung in Norwegen, bei der jede Fahrt eines Passagiers über die nächsten Jahrzehnte mit im Schnitt ca. 300 Euro gefördert werden müsse. Insbesondere mit der aktuellen Leistung des Britischen Eisenbahnsektors zeigte sich Nash aber zufrieden. Allerdings verwies er auf die politische Schwierigkeit Verkehrsträger, insbesondere den motorisierten Individualverkehr, entsprechend der durch sie verursachten Kosten zu bepreisen.

Chris Nash, Yves Crozet, Pilar Socorro und Russel Pittman.

Yves Crozet von der Universität Lyon berichtete über Erfahrungen mit Private Public Partnerships (PPPs) bei der Finanzierung von solchen Hochgeschwindigkeitsstrecken (HGV), in die in der Vergangenheit ohne Aussicht auf eine irgendwie gelagerte Rentabilität horrende Summen investiert wurden. Pilar Socorro von der Universität Las Palmas auf Gran Canaria stellte in ihrem Vortrag eine modelltheoretische Untersuchung der Investitionsentscheidung in Transportinfrastrukturen vor und ging dabei auch auf den Wettbewerb zwischen Bahn und Flugzeug ein. Ihre auf die spanischen HGV-Investitionen zugeschnittenen Simulationsanalysen zeigen, dass diese Investitionen nur bei einer um ein Vielfaches höheren Bevölkerungszahl rentabel gewesen wären. Zu bedenken ist dabei, dass Spanien nach China das zweitlängste HGV-Netz weltweit betreibt. Im Anschluss referierte Russell Pittman vom US Department of Justice über die Entwicklung der Eisenbahnsektoren in Osteuropa, Russland und China, präsentierte aber auch die Erfahrungen, die die USA und einzelne amerikanische Staaten mit konkurrierenden vertikal integrierten Eisenbahnunternehmen gemacht haben.

Das Auditorium während der Diskussion, Jan Schäfer, Peter Abegg und Georg Götz, Marc Ivaldi und Zdenek Tomes.

Jan Schäfer von der Justus-Liebig-Universität Gießen stellte Zahlen zur Entwicklung und Struktur der staatlichen Förderung des Schienensektors in mehreren europäischen Ländern vor. Klara Talas vom Rail Capacity Allocation Office (VPE) gab Einblicke in die Organisation und Finanzierung des ungarischen Schienensektors und erläuterte den Prozess der Festlegung der Netzentgelte in Ungarn. Im Anschluss hielt Markus Ksoll, Leiter Wettbewerb und Ordnungspolitik bei der Deutschen Bahn AG, einen Vortrag zur aktuellen Lage der DB sowie deren strategische Ausrichtung.

Den ersten Tag ließen die Workshopteilnehmer gemeinsam auf Burg Gleiberg ausklingen.

Der zweite Tag wurde mit Vorträgen von Marc Ivaldi von der Toulouse School of Economics und Zdenek Tomes von der Masaryk Universität Brünn eröffnet. Ivaldi präsentierte Ergebnisse einer Simulationsanalyse zu den Auswirkungen unterschiedlicher Wettbewerbsformen auf den Französischen Hochgeschwindigkeitsverkehrs. Im Anschluss stellte Tomes seine empirischen Ergebnisse zu den Einflüssen der Reformprozesse auf den Verkehrsanteil der Schiene in Europa vor. Wieder einmal zeigte sich, dass sich die Separierung von Infrastruktur und Verkehrsunternehmen sogar negativ auf den Verkehrsanteil auswirken kann. Die Trennung von Verkehrsunternehmen nach Verkehrsparten hätte sich aber laut Tomes positiv ausgewirkt. Am Ende könnte die Leistung aber hauptsächlich von der Höhe der staatlichen Finanzierung sowie der Investitionsbereitschaft abhängen, so ein Kommentar aus dem Publikum.

Frank Jost von der Europäischen Kommission ging in seinem Vortrag auf die Probleme bei der Festlegung von Netzentgelten bei grenzüberschreitenden Verkehren ein, die durch eine enge nationale Regulierung entstehen können. Christiane Trampisch von der Bundesnetzagentur erklärte das in Deutschland kürzlich verabschiedete System der Anreizregulierung und ging auf die Berücksichtigung von öffentlichen Finanzierungsleistungen bei der Bestimmung der Netzentgelte ein. Zum Abschluss stellte Peter Abegg, Leiter Regulierungsökonomie bei der Deutschen Bahn AG, das neue Trassenpreissystem der Infrastruktursparte der DB vor. Stolz zeigte man sich auf Seiten der DB, dass mit dem Point-to-Point Segment nun ein eigener Tarif für Wettbewerber im Fernverkehr eingeführt werden konnte. Am Mittag machte dann die Nachricht der Pleite von Locomore, der einzige in diesem Segment verbliebende Herausforderer der DB, die Runde. Ein guter Aufhänger für die anschließende Podiumsdiskussion.

Prof. Dr. Georg Götz bedankte sich bei den Teilnehmern der Podiumsdiskussion.

D. Fockenbrock, Chefkorrespondent beim Handelsblatt, moderierte die Diskussion zum Thema „Halbierung der Schienenmaut – Benötigt der deutsche Eisenbahnsektor eine neue Finanzierungsstruktur?“. Mit ihm diskutierten, neben Markus Ksoll und Frank Jost, Matthias Stoffregen vom Interessenverband mofair e.V. sowie Frank Zerban von der Bundesarbeitsgemeinschaft der Aufgabenträger des SPNV (BAG-SPNV e. V.). Es herrschte Einstimmigkeit darüber, dass die Verkehrsunternehmen durch eine Senkung der Netzentgelte, welche durch eine Bezuschussung des Infrastrukturbetreibers ermöglicht werden soll, profitieren könnten. Kritisch wurde jedoch gesehen, dass eine etwaige Absenkung zum jetzigen Zeitpunkt nur für den Güterverkehr diskutiert wird. Markus Ksoll bezifferte den zusätzlichen Finanzbedarf bei einer Senkung der Netzentgelte des Güterverkehrs um 50% auf 380 Mio. Euro, sprach sich jedoch für einen dynamischen Subventionierungsmechanismus aus. An diese Argumentation knüpfte auch Frank Zerban an, der davon ausgeht, dass eine Senkung der Netzentgelte zu mehr Verkehr auf der Schiene und entsprechenden Mehreinnahmen für den Infrastrukturbetreiber führen wird. Sollte eine entsprechende Absenkung der Netzengelte auch auf den Personenverkehr Anwendung finden, rechnet Zerban mit einer Kürzung bzw. Umschichtung der Regionalisierungsmittel in Höhe von 1,6 Mrd. Euro. Matthias Stoffregen geht davon aus, dass diese Kürzungen zu gleichen Teilen durch die dann kostengünstigere Infrastrukturnutzung ausgeglichen werden. Er sprach sich aber dafür aus, die Zuschüsse nur um 80 % der zu erwartenden Kostensenkung zu reduzieren, um den in den letzten Jahren gestiegenen Bedarf an Nahverkehren decken zu können. Frank Jost merkte an, dass eine Senkung der Netzentgelte ökonomisch sinnvoll sei, solange die Kosten des unmittelbaren Zugbetriebs (Grenzkosten) ohne Zuschüsse gedeckt werden.

Der große internationale Zuspruch sowie die vielen positiven Rückmeldungen der Teilnehmerinnen und Teilnehmer zeigen, dass das Thema der Finanzierung der Europäischen Eisenbahnen sehr aktuell ist. Nicht nur in Deutschland, sondern auch in anderen europäischen Ländern rückt die Diskussion der Struktur der Eisenbahnen und deren Finanzierung in den Vordergrund. Die starke finanzielle Abhängigkeit lässt die Privatisierungsbemühungen der letzten 10 Jahre in den Hintergrund rücken. Vielmehr beschäftigt sich die Wissenschaft sowie die Politik nun mit Überlegungen zu einer effizienten und nachhaltigen Organisation und Finanzierungsausgestaltung, die sich zum Ziel setzt den Verkehrsanteil der Schiene zu erhöhen.

Der Dank der Veranstalter gilt allen Teilnehmern und Helfern, die die Durchführung des Workshops ermöglicht haben. Besonders hervorzuheben ist die finanzielle Unterstützung des Workshops durch die Deutsche Bahn AG, die mit der Professur VWL I durch eine langjährige Forschungskooperation verbunden ist.