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Weißes Rotwild im Reinhardswald

Eine aktuelle, von der hessischen Landesregierung geförderte Studie soll Licht ins Dunkel der weißen Rothirsche des Reinhardswaldes bringen: Handelt es sich um eine isolierte Population oder um einen Teil der ansässigen wildfarbenen Rothirschpopulation? Und welcher Gendefekt liegt dem weißen Phänotyp zugrunde? Antworten auf diese Fragen suchen Kirsten Tramberend, Hermann Willems, Klaus Volmer und Gerald Reiner

Kurzfassung

von Gerald Reiner

Das weiße Rotwild des Reinhardswalds ist über die Grenzen Hessens hinaus bekannt. Es trägt zum Alleinstellungsmerkmal dieser Region mit bei. Der optimalen Hege und Bewirtschaftung des weißen Rotwildes steht jedoch die Unsicherheit der Kenntnis bezüglich Stabilität der Population sowie der Häufigkeit und des Durchsetzungsvermögens des Weiß-Allels entgegen. Mit dem Vergleich weißer und brauner Tiere soll mit Hilfe molekular- und populationsgenetischer Analyseverfahren aufgeklärt werden, ob es sich beim weißen und braunen Rotwild um getrennte Populationen oder um Vertreter einer einzigen Population handelt. Ferner sollen Kandidatengene für die Weißfärbung untersucht werden, um die ursächliche Genmutation zu erarbeiten. Diese Untersuchung soll in einem Gentest münden, der anhand von Abwurfstangen die Verbreitung der Genvariante in der Gesamtpopulation und die Ansprechbarkeit einzelner Hirsche als Träger/Vererber ermöglichen würde. Die Ergebnisse der beantragten Untersuchung werden zu erheblichem (absolutem und relativem) populations-genetischem Erkenntnisgewinn bezüglich der Rotwildpopulation des Reinhardswalds, einschließlich des weißen Rotwildes führen und damit die Hege und Jagdpraxis transparenter und planbarer gestalten helfen.

 

  • Zum weißen Rotwild des Reinhardswaldes

Obwohl nicht eindeutig wissenschaftlich belegt, scheint das weiße Rotwild des Reinhardswalds auf eine Initiative des hessischen Landgrafen Wilhelm IV., Ende des 16. Jahrhunderts zurückzugehen. Zunächst in einem Tierpark an der Zapfenburg gehalten, wurden aufgrund der Wirren des Dreißigjährigen Krieges einige Tiere freigesetzt. Der Gesamtbestand des Rotwildes im Bereich des Reinhardswalds dürfte sich auf ca. 150 Stück belaufen, davon etwa 10 % weiße Tiere. Die Vererbung der weißen Farbe könnte einem rezessiven Erbgang folgen, eventuell mit Beteiligung weiterer genetischer Faktoren. Für die Beteiligung von Umweltfaktoren spricht, dass die im Sommer reinweißen Tiere im Winter eher beige gefärbt sind. Genauere Informationen liegen allerdings bislang nicht vor. Aufgrund der eingeschränkten Abschussfreigabe für weißes Rotwild ist insbesondere die Abschätzung mischerbiger, brauner Träger des Weißgens nicht möglich.

 

  • Weiße Farbvererbung

Über die genetische Ursache für weiße Cerviden, gleich welcher Population, liegen bislang keine Erkenntnisse vor. Allerdings konnte die Molekulargenetik der Farbvererbung bei Paarhufern, insbesondere Rind, Schaf, Ziege, Büffel, Schwein, in den letzten Jahren aufgeklärt werden. Dabei zeigt sich eine deutliche Eingrenzung auf wenige Farbgene, meist mit großer Wirkung.

Gene mit Auswirkung auf die Farbgebung von Säugern wirken entweder auf die Produktion von Melanin oder auf die Verteilung/Aktivität der Melanozyten. Gene, die sich auf die Aktivität/Verteilung der Melanozyten auswirken, wirken auch in Stammzellen des Geschlechtsapparates, der Blutbildung und des Nervengewebes. So erklärt sich die Verknüpfung von Unfruchtbarkeit und Krankheitsanfälligkeit mit manchen Formen von Pigmentlosigkeit bei den verschiedensten Tierarten.

Das wichtigste Gen, von dem mehrere Genvarianten bekannt sind, die zu weißer Fellfarbe führen, ist der Melanocortin Rezeptor 1 (MCR1). Der Rezeptor fungiert als Farbausweitungsfaktor und wird meist dominant vererbt. Die bekannten Genvarianten führen zur Variation zwischen schwarzen (Eumelanin) und rötlichen bis gelblichen Farbtönen (Phäomelanin). Aufhellung und weiße Tiere wurden beschrieben beim Pferd, Schaf und Rind. Die komplette Sequenz des MCR1 ist auch für Cerviden beschrieben. Der Rezeptor kann durch das alpha-melanocyte stimulating hormone (α-MSH) und dessen Antagonisten das agouti-signaling protein (ASIP) stimuliert werden. Das ASIP-Gen zeigt sich bei zahlreichen Tierarten an der Fellfarbe beteiligt und liegt in einer eminenten Zahl an Genvarianten vor, die auch für Aufhellung bzw. Weißfärbung bei Schaf, Ziege (Fontanesi et al., 2009), Rind und Alpaka verantwortlich gemacht werden.

Weitere modifizierende Gene gehören in die Gruppe der Tyrosinkinase Gene. Am bekanntesten ist der KIT-Locus. Daneben sind der KIT-Ligand (KITLG), die Tyrosinase (TYR: Albinismus), und weitere in die Farbaufhellung involviert.

 

  • Erbdefekte im Zusammenhang mit Minderpigmentierung

Ein Defekt im Premelanosome Protein 17 (PMEL/SILV) wird mit Aufhellung des Fells bei verschiedenen Rinderrassen in Zusammenhang gebracht. Mutationen im Endothelin-Rezeptor B (EDNRB) wirken sich bei verschiedenen Spezies farbaufhellend aus. Eine ganze Reihe weiterer Faktoren wurden in diesem Zusammenhang bei verschiedenen Spezies beschrieben.