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11. Kolumne: Digital die Welt verbessern

Gehen Sie heute noch einkaufen? Ja? Dann werden Sie eine politische Entscheidung treffen. Sie stimmen ab – mit Ihrem Einkaufswagen. Viel ist zu hören von der Macht der Verbraucher. Wer einkauft, hat die Wahl, etwa zwischen dem teuren Biogemüse und der eingeschweißten Variante vom Discounter. Aber kann man mit dem Einkauf vielleicht noch mehr bewirken, gar die Umwelt schonen? Die Aktivisten von Carrotmobs wollen genau dies und sogar noch mehr.
Carrotmobs (direkt übersetzt: „Möhrenmeute“) sind eine Form von Flashmobs – so genannt, weil sie „blitzschnell“ wie aus dem Nichts zu unter ihnen abgestimmten Aktion erscheinen. Mobs sind viele, können unbequem sein. Beide Arten organisieren sich über das Internet. Sie besitzen eigene Websites und nutzen Social Media-Plattformen wie Facebook oder Twitter – immer häufiger via Smartphone. Während Flashmobs eher für künstlerische Darbietungen im öffentlichen Raum bekannt sind, wollen Carrotmobs etwas anderes – nämlich einkaufen. Hierbei geht es nicht um den Erwerb von Luxusgütern, sondern um die Umkehrung des Boykottprinzips. Carrotmobber verabreden sich in großer Zahl zu einem vorher bestimmten Zeitpunkt in einem ausgewählten Geschäft. Der erzielte Umsatz durch die plötzlich aufgetauchte Meute, soll vom Besitzer in umwelt- oder sozialverträgliche Neuerungen investiert werden. Willigt der Händler nicht ein, verschwindet der Mob so schnell wie er gekommen ist. Ein Carrotmob in Berlin konnte Händler davon überzeugen, 35-45% des Umsatzes in energiesparende Verbesserungen zu investieren. Der Carrotmob belohnt mit seiner kollektiven Kaufkraft Läden und Händler, die bereit sind, etwas zum Positiven zu verändern. Das Einkaufen wird zu einem politischen Akt. Diese Form der digitalen Kultur leitet den globalen Ansatz des Internets wieder zurück auf einen konkreten Ort, zum Beispiel das eigene Stadtviertel. Hier im Kleinen wollen die Aktivisten anfangen, etwas zu verändern. Aus dem globalen virtuellen Raum des Internets rein ins lokale Geschäft. (Julian Nordhues)

Diese Kolumne erschien am 12.11.2010 im Gießener Anzeiger.