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100 Tage Trump – Die Bilanz der Bilanz

Wie bilanziert man die ersten 100 Tage der Präsidentschaft von Donald Trump und ist dies die Aufgabe der Universität? Unbedingt! Dieser Auffassung waren zumindest die DiskutantInnen der von dem Zentrum für Medien und Interaktivität (ZMI) und dem Institut für Politikwissenschaft (JLU) veranstalteten Podiumsdiskussion 100 Tage Trump am 28. April 2017. Die Podiumsdiskussion in der Aula des Universitätshauptgebäudes war sehr gut besucht und bot einen guten Anschluss an die viel gelobten Veranstaltungen zur US‑Wahlnacht und zum Brexit, die ebenfalls in Zusammenarbeit des ZMI und des Instituts für Politikwissenschaft organisiert wurden. So begrüßte  Prof. Dr. Christine Wiezorek (Studiendekanin des Fachbereichs für Sozial- und Kulturwissenschaften) die ZuhörerInnen und DiskutantInnen und betonte die Wichtigkeit der wissenschaftlichen Begleitung tagespolitischer Ereignisse. Sie ging auf die Aufgabe der Wissenschaft, sich öffentlich zu positionieren und sich eine Haltung anzueignen ein und erklärte ihre Freude über die so zahlreich erschienenen ZuhörerInnen.

 

 

Moderiert wurde die Diskussion von Prof. Abendschön (Professur für Methoden der Politikwissenschaft, JLU), die zu Beginn die drei einleitenden Fragen stellte: Wie fällt die Bilanz der ersten 100 Tage von Donald Trumps Amtszeit aus? Wie beurteilen die DiskutantInnen den Ausblick auf die weitere Amtszeit? Was haben wir innen- sowie außenpolitisch von Donald Trump zu erwarten? Eingeladen um diese Fragen zu diskutieren waren ProfessorInnen aus Politikwissenschaft, Sozialwissenschaft und Japanologie sowie ein Vertreter der Presse.

Andreas Schwarzkopf (Frankfurter Rundschau) sprach aus der Rolle des kritisch-analytischen Journalisten und ging als solcher auf das gespannte Verhältnis Trumps zu den Medien ein. Im Besonderen thematisierte er die Verunglimpfung der Medien als ‚Lügenpresse‘, die Nutzung von fake news im Wahlkampf und die Ausgrenzung der freien Presse von Berichterstattungen im Weißen Haus. In diesem Zusammenhang betonte er jedoch auch den Willen der Medien, kritisch zu bleiben und die gesteigerten Auflagen führender amerikanischer Zeitungen wie der New York Times oder der Washington Post. Außerdem ging er auf Trumps, in seinen Augen „Katastrophenbilanz“ ein und nannte als Beispiele die gescheiterte Steuerreform und die Abschaffung von Obamacare. Im weiteren Verlauf spannte er den Bogen zu dem globalen Phänomen des Aufstrebens von Rechtspopulisten und lenkte den Blick auf die Frage, ob Trump Symptom oder Wirkung dieses Phänomens sei. Andreas Schwarzkopf identifizierte den Sieg Trumps als Niederlage der etablierten Parteien, die seiner Ansicht nach keine ausreichenden Antworten auf die drängenden Fragen unserer Zeit gefunden haben. Abschließend spannte er den Bogen zu dem militärischen Schutz, den die USA für Europa und Deutschland lange boten und argumentierte hier, dass die EU zukünftig bereit und in der Lage sein müsse, sich militärisch selbst zu verteidigen, da man sich nun nicht mehr zurücklehnen und auf die Hilfe der USA vertrauen könne.

Prof. Verena Blechinger-Talcott (Professur für Japanologie, Freie Universität Berlin) ging auf das Verhältnis der USA zu den Ländern Asiens ein und betonte hier die großen Unsicherheiten, die sich aus Trumps unklarem politischem Kurs ergäben. So sei die japanische Regierung sehr besorgt über die Äußerungen Trumps im Wahlkampf und erst seit einem Staatsbesuch nach der Wahl beruhige sich die Lage etwas. Die Situation sei jedoch auch für die Regierung der USA problematisch, da es dort keinen Experten für Asienpolitik gäbe und Südkorea und Japan die beiden entscheidenden Bündnispartner der USA in Asien seien. Im Gegensatz dazu stehen jedoch die Wichtigkeit Asiens in handels- und sicherheitspolitischen Fragen und die Möglichkeiten die sich dort für Trump böten, Asien als Bühne für sich zu nutzen. Als Ausblick betonte Prof. Blechinger-Talcott die immer wichtiger werdende Rolle Chinas in der Weltpolitik.

Prof. Helmut Breitmeier (Professur für internationale Beziehungen, JLU) ging ebenfalls auf das Fehlen außenpolitischer Konzepte und Strategien der Regierung Trump ein und bezeichnete die USA in diesem Zusammenhang als „Weltmacht im Abstieg“, da die Probleme der Vorgängerregierung geblieben und lediglich durch neue Probleme ergänzt worden sein. Als zukünftig relevante politische Probleme identifizierte er unter anderem den Umweltschutz und die Armutsbekämpfung. Auch Prof. Breitmeier argumentierte für ein neues europäisches Sicherheitskonzept, da man sich in Europa zu lange allein auf die Hilfe der USA verlassen habe.

Prof. Dr. Claus Leggewie (Inhaber der Ludwig Börne-Professur, ZMI/JLU) beschrieb Trumps ideologische Grundlagen als faschistoid und autoritär. Er ging auf die Gefahren für die amerikanische Demokratie und die Normen und Werte des Westens ein und erklärte in diesem Zusammenhang die Bedeutung des Widerstands der Zivilgesellschaft. Weiterhin ordnete er Trumps Handlungen in verschiedene Typen ein: Als Erstes beschrieb er ‚Trump the American‘ als äußerst liberalen, sozialkonservativen und religiösen Politiker. Es folgte ‚Trump the European‘ mit Elementen des europäischen Faschismus und dessen völkisch-autoritärem Denken. Danach beschrieb er ‚Trump the Anti-European‘ als Demonstrationseffekt auf einen Paradigmenwechsel von „links-liberaler Modernität zu einem völkisch-autoritären Nationalismus“. Als letzten Typ zeichnete er ‚Trump als Quasi-Europäer‘, der die Medialisierung der Politik im Stile eines Silvio Berlosconi einerseits wie ein Unterhaltungskünstler ausreizte, andererseits aber auch Politik und Medien zueinander in Opposition stellte. Prof. Leggewie argumentierte, der Sieg Trumps sei nicht nur über soziale Fragen, sondern auch über einen tief verwurzelten Hass auf kulturelle Diversität möglich geworden. Europa, so forderte er, solle Trump nicht nur belächeln, sondern eigene Antworten auf die Fragen der Gegenwart finden und so zum Hort der kulturell-westlichen Werte in der Welt werden.

Prof. Greta Olson (Professur für English and American Literature and Cultural Studies, JLU) ging auf den Widerstand der Justiz im Fall des Einreiseverbots für Menschen aus sieben Ländern mit überwiegend muslimischer Bevölkerung ein und lobte in diesem Zusammenhang die „robuste amerikanische Verfassung“. Außerdem beschrieb sie die starke Zunahme von Kriminalität gegenüber MuslimInnen und der Benachteiligung von Frauen, Queers und schwarze AmerikanerInnen. Als positive Effekte bezeichnete sie die politisierende Wirkung  einer so kontroversen Regierung und Demonstrationen wie den Womens March.

Prof. Dorothée de Nève (Professur für Politisches und Soziales System Deutschlands/ Vergleich politischer Systeme, Stellvertretende Direktorin ZMI, JLU) ging auf die Bezüge der politischen Ereignisse in den USA zu europäischer und deutscher Politik ein.  Besonders die Tendenzen zur vorschreitenden Spaltung der Gesellschaft sein hier zu thematisieren. Prof. de Nève beschrieb eine zunehmende Tendenz zum Antiamerikanismus, der quer durch alle politischen Lager zu beobachten sei. Außerdem wie sie auch auf die Formen des Widerstands gegen Trumps Regierung hin, die teils auch in Europa aufgenommen werden würden. Im weiteren Verlauf ging sie auf die Bedeutung von Verhaltenskonsolidierung der BürgerInnen als Ergänzung zu stabilen politischen Verfassungen ein. Hier seien demokratische Grundhaltungen und „Anstand“ bei politischen Eliten, wie bei den BürgerInnen von essentieller Bedeutung. Andernfalls drohe das demokratische politische System schnell Risse zu bekommen, welche auch das menschliche Miteinander angreifen könnten. Zusätzlich ging Prof. de Nève auf die gesellschaftliche Anschlussmöglichkeit der politischen Agenda von Trump in Deutschland ein. So sei die Zustimmung für eine bestimmte Agenda größer als die Zustimmungsraten für bestimmte Parteien. Abschließend ging sie auf die politischen Prozesse ein, die ein Emporkommen von Donald Trump überhaupt erst möglich machen, und dass man diese genau untersuchen müsse um dies zukünftig zu verhindern.

In der anschließenden Diskussion mit dem Publikum wurden vor allem Thematiken wie die Legitimationskrise der westlichen Demokratien und die Möglichkeiten und Risiken der direkten Demokratie angesprochen. Außerdem wurden Fragen nach den potentiellen Gründen für die Wahl Donald Trumps aufgeworfen und Bezüge zu den in Europa anstehenden Wahlen erfragt.

Den Videomitschnitt der gesamten Veranstaltung finden Sie hier. Das ZMI möchte diese Gelegenheit nochmals nutzen um sich für die freundliche Unterstützung des Hochschulrechenzentrums der JLU herzlich zu bedankten.

Über die Veranstaltung wurde außerdem durch die Gießener Allgemeine (den Bericht finden Sie hier) und durch den Gießener Anzeiger (den Bericht finden Sie hier) berichtet.

 

(Ina Daßbach, 11.05.2017)