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Dem Mechanismus der Arterienbildung auf der Spur

Wissenschaftlerteam aus Münster und Gießen weist Zusammenhang zwischen Notch-Rezeptor und Arterienbildung nach – Neue Therapieansätze bei kardiovaskulären Erkrankungen im Fokus

Nr. 138 • 12. Juli 2017
Die Bildung von Arterien ist während der Entwicklung, aber auch im Erwachsenenleben von fundamentaler Bedeutung. Auch bei lebensbedrohenden, kardiovaskulären Krankheiten könnte die Bildung neuer Arterien großen therapeutischen Nutzen haben. Die molekularen Mechanismen der Arterienbildung sind jedoch noch weitgehend unbekannt. Ein Wissenschaftlerteam um Prof. Dr. Ralf Adams, Max-Planck-Institut für molekulare Biomedizin, Münster, und Prof. Dr. Tilman Borggrefe, Biochemisches Institut der Justus-Liebig-Universität Gießen (JLU), konnte nun zeigen, dass ein Rezeptor namens Notch in diesem Prozess essenziell ist. Ihre Ergebnisse veröffentlichten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in der Fachzeitschrift „Nature Cell Biology“.

In ihrer Studie untersuchten sie die Bildung neuer Blutgefäße aus einem bestehenden Kapillarnetzwerk. Dabei fanden sie heraus, dass eine hohe Notch-Aktivität sprossende Zellen aus wachsenden Kapillaren – den kleinsten Blutgefäßen – dazu bringt, sich in entwickelnde Arterien einzugliedern. Damit konnten die Forscherinnen und Forscher erstmals eine direkte Verbindung zwischen angiogener Sprossung und Arterienbildung nachweisen. Die Erkenntnisse dieser Studie könnten dabei helfen, therapeutische Ansätze für die Bildung neuer Arterien nach Organverletzungen zu entwickeln.

„Die sogenannten Leitzellen tasten im wachsenden Kapillarnetzwerk ihre Umgebung ab und weisen den nachfolgenden Endothelzellen die richtige Richtung“, sagt Dr. Mara Pitulescu, Erstautorin der Studie. Leitzellen werden gefolgt von sogenannten Stalk-Zellen (to stalk, engl.: verfolgen), die sich stark vermehren und damit ebenfalls zum Gefäßwachstum beitragen. Direkt hinter den Leit- und Stalk-Zellen sind die Blutgefäße zunächst in einem unausgereiften Geflecht arrangiert, von dem aus Arterien, Venen und die verbindenden Kapillaren gebildet werden. Dabei interagieren die Endothelzellen, die die Innenseite der Blutgefäße auskleiden, in diesem Netzwerk andauernd mit benachbarten Zellen und ihrer Umgebung über verschiedene Signalmoleküle. Diese Interaktionen basieren auf Rezeptoren, die sich auf der Oberfläche der Endothelzellen befinden und auf Liganden, die an diese Rezeptoren binden. Vor allem der Notch-Rezeptor und sein Ligand Dll4 sind für die Blutgefäßbildung wichtig.

Die Forscherinnen und Forscher kombinierten in ihrer Studie genetische Experimente mit pharmakologischen Methoden. „Dieser Ansatz ermöglichte es uns, zwischen Signalen für Zell-Zell-Interaktionen und der Signalkaskade rein innerhalb der Endothelzellen zu unterscheiden“, erklärt Pitulescu. „Wir beobachteten, dass die Notch-Aktivierung an sich wichtiger ist als die Notch-basierte Zell-Zell-Kommunikation. Dies ist eine neue Erkenntnis“, sagt Pitulescu.

In dieser Studie wird erstmals gezeigt, dass eine direkte, Notch-regulierte Verbindung zwischen Sprossung und Arterienbildung besteht. „Diese Ergebnisse sind von großer Bedeutung für das Verständnis des arteriellen Wachstums“, sagt Tilman Borggrefe, der mit seinem Team die biochemischen Analysen der Studie durchführte. „Dies könnte die Grundlage für einen neuen therapeutischen Ansatz sein, in dem Arterienbildung über Angiogenese und Notch-Aktvierung stimuliert werden könnte.“

  • Publikation

Mara E. Pitulescu, Inga Schmidt, Benedetto Daniele Giaimo, Tobiah Antoine, Frank Berkenfeld, Francesca Ferrante, Hongryeol Park, Manuel Ehling, Daniel Biljes, Susana F. Rocha, Urs H. Langen, Martin Stehling, Takashi Nagasawa, Napoleone Ferrara, Tilman Borggrefe and Ralf H. Adams: Dll4 and Notch signalling couples sprouting angiogenesis and artery formation. Nature Cell Biology, 17. Juli 2017.
DOI: 10.1038/ncb3555

  • Kontakt


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Schlagwörter
Forschung