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II. Physikalisches Institut feiert 50-jähriges Bestehen

Zusammenarbeit mit weltweit führenden Forschungszentren zur Kern-, Hadronen- und Teilchenphysik

Nr. 194 • 11. Oktober 2013

Das II. Physikalische Institut der Justus-Liebig-Universität Gießen (JLU) hat am 11. Oktober 2013 sein 50-jähriges Bestehen mit einem Festkolloquium gefeiert. Neben Grußworten des JLU-Präsidenten Prof. Dr. Joybrato Mukherjee und des Dekans des Fachbereichs 07 – Mathematik und Informatik, Physik, Geographie, Prof. Peter J. Klar standen wissenschaftliche Vorträge von Prof. Dr. Gottfried Münzenberg, GSI Darmstadt, und Prof. Dr. James Ritman, Forschungszentrum Jülich, auf dem Programm.

Das II. Physikalische Institut wurde 1963 mit der Berufung von Prof. Dr. Heinz Ewald gegründet. Zusammen mit der Gründung des Strahlenzentrums war dies ein weiterer Meilenstein beim Aufbau eines breit angelegten Fächerspektrums innerhalb der Physik an der JLU, der sowohl das Lehrangebot als auch die Forschung bereicherte. Von Anfang an beruhten die von den Professoren Heinz Ewald und Herrmann Wollnik sowie dem damaligen Doktoranden Gottfried Münzenberg verfolgten Forschungsschwerpunkte des Instituts auf einer intensiven Zusammenarbeit mit internationalen Forschergruppen an weltweit führenden Forschungszentren auf dem Gebiet der Kernphysik. Dazu gehören die Gesellschaft für Schwerionenforschung (GSI) in Darmstadt und das Institut Laue-Langevin im französischen Grenoble.

Die gemeinsame Konzeption und der Aufbau eines Separators für Fusionsprodukte, des Geschwindigkeitsfilters SHIP und die enge Zusammenarbeit mit Forscherinnen und Forschern der GSI führten zur Entdeckung der sechs superschweren Elemente mit den Ordnungszahlen 107-112: Bohrium, Hassium, Meitnerium, Darmstadtium, Röntgenium und Copernicium – Entdeckungen, die die GSI weltberühmt gemacht haben. Arbeiten im II. Physikalischen Institut der JLU führten auch zum Aufbau des Projektilfragmentseparators FRS bei der GSI, mit dem unter Leitung der Professoren Hans Geissel, Gottfried Münzenberg und Hermann Wollnik weitere grundlegende Eigenschaften der atomaren und nuklearen Wechselwirkung entdeckt wurden.

Ein Schwerpunkt in der praktischen Ausbildung der Physikstudierenden und der Nebenfach-Studierenden – insbesondere der Medizin – wurde durch die Arbeit von Prof. Dr. Walter Seibt und Dr. Rainer Ludwig gesetzt. Die Erfahrung vieler Vorlesungen ging in Prof. Seibts Lehrbuch „Physik für Mediziner“ ein, das mehrfach aufgelegt wurde und zu einem Standardwerk in der Medizinerausbildung geworden ist.

Mit der Berufung von Prof. Dr. Volker Metag im Jahr 1982 als Nachfolger von Prof. Ewald wurden die internationalen Kontakte des Instituts weiter ausgebaut. Die Forschungsrichtung verschob sich in den Bereich der Schwerionenstöße bei relativistischen Energien. Dies wurde ermöglicht durch den Ausbau der GSI mit dem Schwerionensynchrotron SIS. Hierbei spielte das High Acceptance Dielectron Spectrometer (HADES) eine zentrale Rolle, an dessen Aufbau und Nutzung das II. Physikalische Institut im Rahmen einer internationalen Kollaboration beteiligt war und ist. Darüber hinaus wurde in Zusammenarbeit mit Kolleginnen und Kollegen aus Frankreich und den Niederlanden das Photonenspektrometer TAPS entwickelt und aufgebaut. Dieses Photonenspektrometer wurde nicht nur an der GSI, sondern auch an anderen Beschleunigerlaboratorien in Europa wie GANIL (Caen, Frankreich), KVI (Groningen, Niederlande), CERN (Schweiz) und an den Elektronenbeschleunigern MAMI (Mainz) und ELSA (Bonn) für ein vielseitiges Forschungsprogramm erfolgreich eingesetzt.

Die Experimente an den Elektronenbeschleunigern MAMI und ELSA führten zu einer erneuten Erweiterung des Forschungsprogramms: Nun wurde es möglich, nicht nur die Atomkerne, sondern auch die Struktur der Kernbausteine, der Protonen und Neutronen, sowie anderer stark wechselwirkender Teilchen, der Mesonen, zu untersuchen. Diese Forschungsrichtung wurde durch die Berufung der Professoren Michael Düren und Wolfgang Kühn weiter gestärkt, die zusammen mit Dr. Hasko Stenzel bzw. Dr. Soeren Lange und ihren Teams Experimente am Deutschen Elektronensynchrotron DESY, am ATLAS-Detektor des CERN bzw. an Elektron-Positron-Collidern mit den Detektoren BESIII in Bejing (China) und Belle II in Tsukuba (Japan) innerhalb internationaler Kollaborationen durchführen. Ein weltweit beachteter Höhepunkt der Experimente am CERN war die Entdeckung des Higgs-Bosons, des letzten noch fehlenden Bausteins im Standardmodell der Teilchenphysik im Jahr 2012. Viel Aufsehen erregte zudem die völlig unerwartete erstmalige Beobachtung eines geladenen Charmonium-ähnlichen Zustands an den Detektoren BESS und BELLE.

Mit der Berufung von Prof. Dr. Christoph Scheidenberger wurden die Untersuchungen zur Kernstruktur und nuklearen Astrophysik durch Experimente am Fragmentseparator FRS und Speicherring ESR der GSI erweitert. Es wurden weitere neue Isotope entdeckt und neuartige Massen- und Lebensdauermessungen durchgeführt, die zum Verständnis der Elemententstehung in den Sternen essentiell sind.

Alle Arbeitsgruppen des Instituts arbeiten an der Vorbereitung der Experimente und an der Entwicklung von Detektoren für die International Facility for Antiproton and Ion Research (FAIR). FAIR wird zurzeit in Darmstadt mit einem Kostenaufwand von 1,3 Milliarden Euro als Erweiterung der GSI-Beschleunigeranlage gebaut wird und soll 2018 in Betrieb gehen. Erste Weichenstellungen für dieses Projekt erfolgten in einer langen Vorbereitungsphase in den 90er Jahren, als Prof. Metag als Forschungsdirektor der GSI tätig war. Die Aktivitäten an FAIR sind eingebunden in das Helmholtz International Center for FAIR (HIC-for-FAIR), das im Rahmen der hessischen Exzellenzinitiative LOEWE die Arbeiten für FAIR an den hessischen Universitäten koordiniert. Im Rahmen von HIC-for-FAIR wurde 2010 Prof. Dr. Claudia Höhne an das Institut berufen, die mit der Untersuchung von Schwerionenstößen das zentrale Forschungsthema der GSI weiterführt und beim Aufbau des Compressed Baryonic Matter (CBM) Detektors an FAIR mitarbeitet.

Dr. Rainer Novotny wurde aufgrund seiner großen Erfahrungen mit dem TAPS Photonenspektrometer von einer internationalen Kollaboration die Verantwortung für den Aufbau des elektromagnetischen Kalorimeters, einer der Hauptkomponenten des PANDA-Detektors an FAIR, übertragen. Die Forschung an FAIR wurde 2012 weiter verstärkt durch die Berufung von Prof. Dr. Kai-Thomas Brinkmann (Nachfolge Prof. Metag), dessen Arbeitsgruppe neben den Gruppen der Professoren Düren und Kühn eine führende Rolle beim Aufbau des PANDA-Detektors an FAIR wahrnimmt.

Die Forschungsaktivitäten am II. Physikalischen Institut sind undenkbar ohne die engagierte Mitwirkung der wissenschaftlichen und technischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, der Verwaltungskräfte des Instituts sowie der zahlreichen Studierenden, die am Institut ihre Bachelor-, Master-, Diplom- und Doktorarbeiten angefertigt haben. Die in 50 Jahren erarbeiteten Forschungsergebnisse konnten nur aufgrund der finanziellen Unterstützung durch die Gesellschaft für Schwerionenforschung, das Bundesministerium für Bildung und Forschung, die Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) und die hessische Landesregierung erzielt werden. So beliefen sich die Drittmitteleinwerbungen in den vergangenen fünf Jahren im Schnitt auf rund 1,7 Millionen Euro jährlich.

Mit den bisherigen Forschungserfolgen, der großen Erfahrung und breiten Aufstellung in Experimenten der Hadronen-, und Kern- und Teilchenhysik ist das Institut bestens gerüstet für zukünftige Forschungsaktivitäten vor allem in Zusammenarbeit mit FAIR. Parallel zu den Forschungsprojekten an auswärtigen Beschleunigern ist das Institut durch interdisziplinäre Forschungsvorhaben mit anderen Fachbereichen der JLU vernetzt, unter anderem auf dem Gebiet der Massenspektrometrie sowie bei der Entwicklung von Konzepten für erneuerbare Energien im Rahmen des DESERTEC-Projekts und der SEPA-Initiative.

  • Weitere Informationen

www.uni-giessen.de/cms/fbz/fb07/fachgebiete/physik/einrichtungen/2pi

  • Kontakt

Prof. Dr. Kai-Thomas Brinkmann
II. Physikalisches Institut, Heinrich-Buff-Ring 16, 35392 Gießen
Telefon: 0641 99-33260

 

Pressestelle der Justus-Liebig-Universität Gießen, Telefon 0641 99-12041

Schlagwörter
Forschung