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„ENERGIE(W)ENDE – Denken, forschen und handeln in Jahrzehnten und Jahrhunderten“

Die Ringvorlesung des Präsidenten der Justus-Liebig-Universität Gießen beleuchtet ein breites Spektrum rund um den Themenkomplex Energie und Klimaforschung – Auftakt am 13. November 2017

Nr. 194 • 23. Oktober 2017

Plakat zur Ringvorlesung
Die sichere Versorgung mit Energie ist zentral für das Überleben moderner Gesellschaften. Da Ressourcen und Bedarf auf der Welt ungleich verteilt sind, gilt Energie als Schlüsselthema staatlicher Politik und immer auch als möglicher Ausgangspunkt für Konflikte. Der Energiebedarf nimmt weltweit kontinuierlich zu, fossile Ressourcen sind endlich, ihre massive Nutzung beeinflusst offensichtlich unser Klima, und Alternativen erscheinen teuer. Diese Kette von Problemen zwischen Natur- und Ingenieurwissenschaft, zwischen Ökonomie, Ökologie und Politik ist komplex – und bildet eine der großen gesellschaftlichen Herausforderungen unserer Zeit. Die Ringvorlesung des Präsidenten der Justus-Liebig-Universität Gießen (JLU) beleuchtet in diesem Wintersemester unter dem Titel „ENERGIE(W)ENDE – Denken, forschen und handeln in Jahrzehnten und Jahrhunderten“ die wissenschaftlichen, gesellschaftlichen und politischen Zusammenhänge und Hintergründe.

Das Themenspektrum der Vorträge reicht von der Klimaforschung und der Bewertung der verfügbaren Energiequellen über die mediale Aufarbeitung und die Energiepolitik bis hin zu Fragen der heutigen und zukünftigen Energienutzung, -wandlung und -speicherung. JLU-Präsident Prof. Dr. Joybrato Mukherjee lädt alle Interessierten zu der bereits zur festen Tradition gewordenen öffentlichen Veranstaltungsreihe herzlich ein: „Wir widmen uns in diesem Wintersemester dem wichtigen Zukunftsthema Energie, das sich in seiner Komplexität einfachen Lösungsansätzen verschließt und vielschichtig diskutiert werden muss. Wie sehr wir damit den Nerv der Zeit treffen, zeigen beispielsweise auch die laufenden Gespräche zur Bildung einer neuen Bundesregierung bei der die Energie- und Klimapolitik ein wesentlicher Punkt ist.“

Die Vorlesungsreihe beginnt am Montag, 13. November 2017, mit einem Vortrag von Ranga Yogeshwar zum Thema „Fukushima: Berichterstattung einer Katastrophe – oder Katastrophe einer Berichterstattung?“ Im März 2011 zerstörte ein Tsunami das Kernkraftwerk im japanischen Fukushima. In der Folge beschloss Deutschland die Energiewende. Gerade beim Thema Energie spielt die Berichterstattung in den Medien eine prägende Rolle. Anhand konkreter Beispiele zeigt Ranga Yogeshwar, wie Realität und mediale Berichterstattung divergieren. Als erster Journalist weltweit durfte er frei in der Anlage des Kernkraftwerks drehen. Ausgehend von diesem konkreten Beispiel analysiert der Vortrag die besondere Rolle der Medien und greift Themen wie „Fake News“ und das Phänomen von Echokammern auf.

Ranga Yogeshwar, Diplomphysiker, arbeitete von 1987 bis 2008 als Wissenschaftsredakteur beim WDR in Köln und ist inzwischen als freier Journalist und Autor tätig. Er entwickelte und moderierte zahlreiche Sendungen („Quarks & Co“, „Die große Show der Naturwunder“, „Wissen vor acht“), in denen Wissenschaft allgemeinverständlich vermittelt wird. Ausgezeichnet mit über 50 Ehrungen und Preisen, unter anderem dem Grimme-Preis (2003) und dem Deutschen Fernsehpreis (2011), wurde Ranga Yogeshwar 2009 die Ehrendoktorwürde der Universität Wuppertal verliehen.

Im folgenden Vortrag am 27. November 2017 mit dem Titel „Der Integrierte Klimaschutzplan Hessen: Aktuelle Aufgaben der Klimapolitik und Luftreinhaltung“ liegt der Fokus auf der politischen Dimension von Energie und Klimaschutz: Welche Rolle kann ein Bundesland in der Klimapolitik spielen? Wie ist die Klimapolitik Hessens eingebettet in internationale Politik und die der Bundesregierung? Dies sind die Themen, denen sich Staatsministerin Priska Hinz in ihrem Vortrag widmen wird.

Priska Hinz ist die Hessische Staatsministerin für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz. Sie trat 1980 in die Partei DIE GRÜNEN ein und prägte bis 2005 in vielen Funktionen die Landespolitik. Im Jahr 2005 wurde sie in den Bundestag gewählt und machte sich dort besonders in der Haushalts- und Finanzpolitik einen Namen. Nach neun Jahren als Bundestagsabgeordnete übernahm sie 2014 ihr aktuelles Amt.

Der Vortrag von Prof. Dr. Thomas Koch am 4. Dezember 2017 zum Thema „Wie die Öffentlichkeit fast zwei Jahre an der Nase herumgeführt wurde. Eine sachliche Bewertung der Dieselthematik“ bietet eine objektive und wissenschaftliche Erörterung wesentlicher Fragen zur Zukunft des Dieselmotors. In der aktuellen Diskussion stehen Dieselmotoren als angeblich wesentliche Mitverursacher der Luftverschmutzung am Pranger, dabei produzieren die modernen Modelle kaum noch Feinstaub und Stickoxide. Die Manipulation von Abgaswerten wird mit Recht kritisiert, doch werden in der öffentlichen Debatte oft unterschiedliche Sachverhalte vermischt und Standpunkte polemisierend eingebracht – nicht zuletzt aus politischen Gründen.

Seit 2013 ist Prof. Dr. Thomas Koch Leiter des Instituts für Kolbenmaschinen am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) und verantwortlich für die verbrennungsmotorischen Belange in den Bereichen Forschung, Lehre und Innovation. Zuvor war er als studierter Maschinenbauer zehn Jahre in der Nutzfahrzeugmotorenentwicklung der Daimler AG tätig.

Mit einem Vortrag zum Thema „Die Energiebilanz der Erde im Zeichen des Klimawandels“ setzt Prof. Dr. Martin Wild am 8. Januar 2018 die Ringvorlesung fort: Die Energiebilanz der Erde prägt das weltweite Klima maßgeblich. Sie wird bestimmt durch die Menge der von unserem Planeten absorbierten Sonnenenergie einerseits und der thermischen Abstrahlung zurück in den Weltraum andererseits. Geht diese Bilanz auf, ist das Klimasystem im Gleichgewicht. Durch menschliche Aktivitäten und die damit einhergehenden Emissionen von Treibhausgasen sowie die Luftverschmutzung ist diese Bilanz in den letzten Jahrzehnten allerdings mehr und mehr aus dem Lot geraten.
 
Prof. Dr. Martin Wild forscht am Institut für Atmosphären- und Klimaforschung der ETH Zürich. Er ist Leitautor des aktuellen Wissensstandberichts des UNO-Weltklimarats IPCC und leitet die Arbeitsgruppe „Globale Energiebilanz“ der International Radiation Commission. Er initiierte in den frühen 90er Jahren die globale Klimamodellierung in der Schweiz in Zusammenarbeit mit dem Max-Planck-Institut für Meteorologie Hamburg.

Prof. Dr. Robert Schlögl gestaltet am 15. Januar 2018 den fünften Vortrag. Sein Beitrag „Keine Energiewende ohne Chemie!“ behandelt die Struktur des Energieproblems in Deutschland nach dem Impuls der Energiewende und im Lichte des Energiekonzeptes der Bundesregierung. Es zeigt sich nach einigen Jahren des gesetzten Impulses, dass die ehrgeizigen Ziele bei der CO2-Emission trotz enormer Anstrengungen bei der Installation von Kapazitäten zur Gewinnung erneuerbarer Elektrizität (REN) nicht erreicht werden und auch in der Projektion nicht bis zum Jahr 2020 erreichbar scheinen.

Der Chemiker Robert Schlögl wurde 1994 als Direktor an das Fritz-Haber-Institut der Max-Planck-Gesellschaft berufen; 2011 wurde er zusätzlich Gründungsdirektor am Max-Planck-Institut für Chemische Energiekonversion in Mülheim an der Ruhr.

Im folgenden Vortrag beleuchtet Prof. Dr. Claudia Kemfert „Die wirtschaftlichen Chancen einer klugen Energiewende“: Fossile Ressourcen wie Öl, Gas und Kohle sind endlich und verursachen beim Verbrennen klimagefährliche Treibhausgase. Atomenergie ist keine Alternative. Die Energiewende ist technisch machbar, aber ist sie auch ökonomisch sinnvoll? Welche Chancen und Risiken bestehen, und wer zahlt diese Energiewende? Prof. Dr. Claudia Kemfert unterstreicht die wirtschaftlichen Chancen, die in einer klugen Energiewende liegen.

Prof. Dr. Claudia Kemfert leitet die Abteilung Energie, Verkehr, Umwelt am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) Berlin und ist Professorin für Energieökonomie und Nachhaltigkeit an der Hertie School of Governance. Sie ist Wirtschaftsexpertin auf den Gebieten Energieforschung und Klimaschutz.

Den Abschluss der Vorlesungsreihe bildet am 29. Januar 2018 der Vortrag „Klima-wandel: Sind die Klimaziele von Paris bereits verloren?“ von Prof. Dr. Thomas Stocker. Der menschgemachte Klimawandel ist eindeutig und weltweit messbar. Die umfassenden Berichte des UNO-Weltklimarats IPCC, verabschiedet von allen Ländern, zeigen, dass eine Einschränkung des Klimawandels die vollständige Abkehr von fossilen Energieträgern erfordert. Gemäß der Klimavereinbarung von Paris soll die Erwärmung deutlich unter 2 Grad Celsius gehalten werden. Ist dieses Klimaziel noch zu erreichen?

Prof. Dr. Thomas Stocker leitet seit 1993 die Abteilung für Klima- und Umweltphysik an der Universität Bern. Mit der Bestimmung der Treibhausgaskonzentrationen über die letzten 800.000 Jahre anhand eines Eisbohrkerns aus der Antarktis hält die Abteilung einen Weltrekord. Thomas Stocker war von 2008 bis 2015 Co-Chair der Arbeitsgruppe I des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) der UNO. Der Bericht dieses Panels bildet die wissenschaftliche Grundlage für das Klimaabkommen von Paris.

Die Vorlesungsreihe des Präsidenten wird in diesem Jahr von Prof. Dr. Jürgen Janek koordiniert. Er ist Inhaber der Professur für Physikalische Chemie an der JLU, Geschäftsführender Direktor des Zentrums für Materialforschung (ZfM/LaMa) und wissenschaftlicher Leiter des Labors BELLA am Karlsruher Institut für Technologie (KIT). Die Reihe richtet sich gleichermaßen an ein universitäres Publikum und an die Öffentlichkeit in Stadt und Region. Alle Vorträge finden in der Aula im Universitätshauptgebäude (Ludwigstraße 23, 35390 Gießen) statt. Sie beginnen jeweils um 19.15 Uhr. Der Eintritt ist frei.

In diesem Wintersemester bietet das Zentrum für Materialforschung (ZfM/LaMa) ein begleitendes Programm für Schulen an. Für Schülerinnen und Schüler, aber auch für die interessierte Öffentlichkeit, werden in zusätzlichen Veranstaltungen zentrale Konzepte aus der Ringvorlesung erklärt  und komplexe Sachverhalte genauer aufgearbeitet.

  • Termine


13. November 2017 • Ranga Yogeshwar
Fukushima: Berichterstattung einer Katastrophe – oder Katastrophe einer Berichterstattung?


27. November 2017 • Priska Hinz
Der Integrierte Klimaschutzplan Hessen: Aktuelle Aufgaben der Klimapolitik und Luftreinhaltung


4. Dezember 2017 • Thomas Koch
Wie die Öffentlichkeit fast zwei Jahre an der Nase herumgeführt wurde. Eine sachliche Bewertung der Dieselthematik


8. Januar 2018 • Prof. Dr. Martin Wild
Die Energiebilanz der Erde im Zeichen des Klimawandels


15. Januar 2018 • Prof. Dr. Robert Schlögl
Keine Energiewende ohne Chemie!


22. Januar 2018 • Prof. Dr. Claudia Kemfert
Die wirtschaftlichen Chancen einer klugen Energiewende


29. Januar 2018 • Prof. Dr. Thomas Stocker
Klimawandel: Sind die Klimaziele von Paris bereits verloren?

  • Weitere Informationen

Ringvorlesung des Präsidenten: www.uni-giessen.de/ringvorlesung
Begleitprogramm für Schulen: www.uni-giessen.de/energie

  • Kontakt


Physikalisch-Chemisches Institut der Justus-Liebig-Universität Gießen
Heinrich-Buff-Ring 17, 35392 Gießen
Telefon: 0641 99-34500/1

Pressestelle der Justus-Liebig-Universität Gießen, Telefon: 0641 99-12041