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Tot oder lebendig? Die trickreiche Jagd nach krankmachenden Bakterien

Forscherinnen und Forscher der Universitäten Gießen und Bonn entschlüsseln, wie das Immunsystem lebende von toten Erregern unterscheidet und damit deren Gefährlichkeit prüft – Veröffentlichung im renommierten EMBO Journal

Nr. 208 • 12. Oktober 2012

Das Bakterium Listeria monocytogenes gehört zu den gefährlichsten Lebensmittelkeimen; die Sterblichkeitsrate bei Infektionen beträgt bis zu 30 Prozent. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Justus-Liebig-Universität Gießen (JLU) unter der Leitung von Prof. Dr. Trinad Chakraborty, Direktor des Instituts für Medizinische Mikrobiologie, haben nun herausgefunden, wie infizierte Zellen unterscheiden, ob es sich um tote oder lebende Listerien handelt. Eine wichtige Fähigkeit, denn von dieser Unterscheidung hängt ab, wie stark die Reaktion des Immunsystems ausfallen muss. Lebende Listerien sind weitaus gefährlicher und erfordern eine starke Reaktion des Immunsystems. Bei toten Mikroorganismen hingegen reicht eine schwächere Entzündungsreaktion aus, bei der die Immunzellen am Ort der Infektion nur in geringem Maße mobilisiert werden.

Listerien werden über kontaminierte Lebensmittel aufgenommen. Sie sind in der Lage, in fast alle Arten der menschlichen Zellen einzudringen und sich dort zu vermehren. Gefährlich sind Listerien-Infektionen vor allem für Schwangere, Neugeborene, ältere und immungeschwächte Menschen. Die Gießener Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben alle Gene dieses Erregers identifiziert, die nach einer Infektion mobilisiert werden. Viele dieser Gene wurden gezielt ausgeschaltet und das Verhalten der sogenannten „Knockout-Mutanten“ untersucht. Dadurch konnte ein Mechanismus entschlüsselt werden, der infizierte Zellen befähigt, lebende von toten Erregern zu unterscheiden. Diese Ergebnisse  liefern die Grundlage, um neuartige Impfstrategien zu entwickeln.

In Zusammenarbeit mit Prof. Dr. Percy Knolle, Institut für Molekulare Medizin und Experimentelle Immunologie an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn, stellten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler fest, dass lebende Listerien im Inneren von Fresszellen (Makrophagen) winzige Mengen an Nukleinsäuren freisetzen. Fresszellen sind ein Bestandteil des zellulären Immunsystems, sie zerstören Mikroorganismen. Mit der Freisetzung der Nukleinsäuren versuchen die Bakterien offenbar, die Immunantwort in den Zellen abzuschwächen. Allerdings legen sie damit auch eine feine „Duftspur“, die von den zellulären Sensoren „RIG-I“, „MDA5“ und „STING“ im Innern der Fresszellen erkannt werden kann. Es handelt sich dabei um eine sehr frühe und differenzierte Form der Erkennung, dass es sich um ein lebendes und damit potenziell gefährlicheres Bakterium handelt – tote Listerien sondern keine Nukleinsäure ab.

Sind die intrazellulären Sensoren der Fresszellen durch die Bakterien-Nukleinsäuren aktiviert, wird eine Signalkaskade in Gang gesetzt: Antibakteriell wirkende Substanzen werden produziert, eine starke  Entzündungsreaktion ausgelöst. Dies führt zur Rekrutierung vieler weiterer Immunzellen mit dem Ziel, die Eindringlinge auszuschalten und eine starke, lang anhaltende Immunität zu etablieren.

Die Ergebnisse zeigen, warum eine Infektion mit einem lebenden Erreger eine deutlich stärkere und längere Immunantwort auslöst als mit einem toten Eindringling. Sie wurden im renommierten Journal der European Molecular Biology Organisation (EMBO) veröffentlicht.

Beteiligt an der überraschenden Entdeckung waren das Institut für Molekulare Medizin und Experimentelle Immunologie an der Universität Bonn, das Institut für Klinische Chemie und Klinische Pharmakologie der Universität Bonn, die Technische Universität München, die Ludwig-Maximilians-Universität München, das Helmholtz-Zentrum München, die McGill University Montreal (Kanada) und das Aichi Institute of Technology in Japan.

  • Publikation

Zeinab Abdullah, Martin Schlee, Susanne Roth, Mobarak Abu Mraheil, Winfried Barchet, Jan Böttcher, Torsten Hain, Sergej Geiger, Yoshihiro Hayakawa, Jörg H. Fritz, Filiz Civril, Karl-Peter Hopfner, Christian Kurts, Jürgen Ruland, Gunther Hartmann, Trinad Chakraborty and Percy A. Knolle: RIG-I detects infection with live Listeria by sensing secreted bacterial nucleic acids. EMBO Journal, online veröffentlicht am 12. Oktober 2012
DOI: 10.1038\emboj.2012.279

  • Kontakt

Prof. Dr. Trinad Chakraborty
Institut für Medizinische Mikrobiologie
Schubertstraße 81, 35392 Gießen
Telefon: 0641 99-41250

 

Pressestelle der Justus-Liebig-Universität Gießen, Telefon 0641 99-12041

 

Schlagwörter
Forschung