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Intensivierung der Mahd führt zu eintöniger Landschaft

Ökosystem Wiese: In „Nature“ publizierte Studie zeigt die Abnahme der regionalen Biodiversität – Gießener Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler beteiligt – Informationen über mehr als 4.000 Arten zusammengetragen

Nr. 245 • 12. Dezember 2016

Wiesen gehören seit vielen Jahrhunderten zu den artenreichsten Lebensräumen unserer Kulturlandschaft. In den vergangenen Jahren hat sich das allerdings dramatisch geändert. Zwar sind viele Wiesen – oder Grünländer wie die Fachleute sagen – immer noch sehr artenreich, aber sie werden sich untereinander immer ähnlicher. Mit der damit verbundenen Verarmung der regionalen Vielfalt von Grünländern beschäftigt sich eine jetzt in der renommierten Fachzeitschrift „Nature“ publizierten Studie, an der auch der Gießener Tierökologe Prof. Dr. Volkmar Wolters mit seinem Team beteiligt ist.

In der Biodiversitätsforschung war es bislang üblich, dass sich die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler auf den Artenreichtum einzelner Lebensräume konzentrierten und diesen dann für ihre weiteren Analysen verwendeten. Dabei wurde übersehen, dass es gerade die kleinen Unterschiede zwischen den Gemeinschaften scheinbar gleicher Lebensräume sind, die die Artenvielfalt einer Region ausmachen. So wurde auch der Biodiversitätsverlust durch die großflächige Vereinheitlichung unserer Wiesen-Ökosysteme erst jetzt wissenschaftlich nachgewiesen. „Es ist fast wie bei dem Witz, bei dem einer den anderen fragt, ob er ihm ein Buch schenken solle, und der dankend ablehnt, weil er schon eins hat“, so Prof. Wolters, Inhaber der Professur für Tierökologie an der Justus-Liebig-Universität Gießen (JLU). „Während uns aber die Absurdität dieser Aussage bei Büchern sofort ins Auge springt, ist es bei komplexen Lebensräumen sehr viel schwerer, den Wert der Verschiedenheit zu erkennen.“

Für die jetzt veröffentliche Studie hat ein Team von rund 300 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern mit weltweit einmaligem Aufwand Informationen über mehr als 4.000 Arten – von Einzellern im Boden bis zu Vögeln – zusammengetragen. Das Ergebnis: Wo Menschen Grünlandflächen intensiver bewirtschaften, nimmt nicht nur die Artenvielfalt ab, sondern die Landschaft wird eintöniger.

Hauptursache ist die Intensivierung der Mahd. Schließlich bleiben überall die gleichen Arten übrig. „Schon bei einer moderaten Bewirtschaftung reduzieren sich die Artengemeinschaften überregional auf die gleichen, wenig anspruchsvollen Generalisten“, erläutert der Erstautor Martin M. Gossner von der Technischen Universität München. Und Prof. Wolters ergänzt: „Darum müssen wir unbedingt gering bewirtschaftete Grünländer schaffen, erhalten und schützen, so wie dies derzeit zum Beispiel in dem Naturschutzgroßprojekt Vogelsberg mit Unterstützung des Bundes, des Landes Hessen und des Vogelsbergkreises passiert. Von dem Erfolg und der Weiterverbreitung solcher regionalen Initiativen wird der Artenreichtum unserer Wiesen abhängen.“

Durch ein neuartiges statistisches Verfahren konnten in der Studie insbesondere nicht-lineare Auswirkungen der Bewirtschaftung auf die Artengemeinschaften von Grünlandflächen entlang eines Nutzungsgradienten (Grasschnitt, Düngung und Beweidung verschiedener Ausprägung) analysiert werden. Die Daten wurden seit dem Jahr 2008 auf 150 Grünlandflächen in drei über ganz Deutschland verteilten Regionen erhoben. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) fördert die Forschung in diesen sogenannten Biodiversitätsexploratorien.

  • Publikation

Martin M. Gossner et al.: „Land-use intensification causes multitrophic homogenization of grassland communities“, Nature, 8. Dezember 2016
DOI: 10.1038/nature20575

  • Kontakt


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Schlagwörter
Forschung