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Personalisierte Medizin per Computer: Dem Tumor den richtigen Namen geben

Gießener Institut für Neuropathologie an Projekt zur besseren Diagnostik von Hirntumoren beteiligt – Ärztinnen und Ärzte können Hirntumore nun präziser bestimmten Risikogruppen zuordnen und auf dieser Basis ihre Therapieentscheidung treffen

Nr. 34 • 15. März 2018

Ein neues computerbasiertes Verfahren soll künftig die Diagnose von Hirntumoren erheblich verbessern. Medizinerinnen und Mediziner der Justus-Liebig-Universität Gießen (JLU) haben zu den Forschungsergebnissen des Universitätsklinikums Heidelberg und des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ) beigetragen, die jetzt in der in der Fachzeitschrift „Nature“ veröffentlicht wurden. Die Erkenntnisse helfen Ärztinnen und Ärzten dabei, Hirntumoren präziser bestimmten Risikogruppen zuzuordnen und so die passende Therapieentscheidung zu treffen.

Damit Hirntumore – also Krebserkrankungen des zentralen Nervensystems (ZNS) – erfolgreich behandelt werden können, ist es wichtig, die molekularen Eigenschaften der Tumoren genau zu kennen und den Tumoren damit „den richtigen Namen zu geben“. Zurzeit lassen sich über Gewebemerkmale rund 100 verschiedene Arten von ZNS-Tumoren unterscheiden, die ganz unterschiedlich auf Strahlen- und Chemotherapien ansprechen. Mitunter werden molekulardiagnostische Methoden eingesetzt, um den Tumor näher zu klassifizieren, zum Beispiel über bestimmte Genmutationen. Dennoch ist die Variabilität groß, was die Standardisierung von Diagnoseverfahren erschwert.

Um die Diagnostik von Hirntumoren zu verbessern, entwickelte das Team um Prof. Dr.  Stefan Pfister, Abteilungsleiter „Pädiatrische Neuroonkologie“ am DKFZ, zusammen mit Kollegen der Abteilung Neuropathologie um Prof. Dr. Andreas Deimling am Heidelberger Universitätsklinikum ein neues computerbasiertes Verfahren. Die Forscher analysierten bestimmte chemische Markierungen im Erbgut von Tumoren, sogenannte DNA-Methylierungen. Verschiedene Zelltypen weisen charakteristische Muster an DNA-Methylierungen in ihrem Erbgut auf, die wiederum Rückschlüsse auf die zelluläre Herkunft des Tumors zulassen.

In dem Verfahren wurden computerbasierte Algorithmen entwickelt, die 82 verschiedene Arten von Hirntumoren anhand ihrer Methylierungsmuster zuverlässig unterscheiden können. Gerade bei Tumoren, die durch die reine Betrachtung unter dem Mikroskop nicht ohne weiteres einer diagnostischen Kategorie zugeordnet werden können, hilft die Methylierungsanalyse häufig, eine eindeutige Diagnose zu stellen. Die Analyse der insgesamt circa 2.800 Tumor-Referenzproben, von denen ein Teil aus Gießen stammte, ermöglichte zudem die Abgrenzung bestimmter Tumor-Subgruppen, die in den bisher gängigen Klassifizierungen noch gar nicht enthalten sind.

Um zu testen, ob sich die Methode für den Einsatz in der klinischen Routinediagnostik eignet, analysierten die Wissenschaftler mehr als 1100 weitere Tumorproben. In rund zwölf Prozent der Tumoren konnten sie mithilfe der Methylierungsmuster die ursprüngliche Diagnose korrigieren. Weiterführende molekulardiagnostische Untersuchungen zeigten in fast allen Fällen, in denen dies möglich war, dass die molekulare Zuordnung die Tumoren sogar besser charakterisierte als die ursprüngliche mikroskopische Diagnose.

Das Gießener Institut für Neuropathologie (Prof. Dr. Till Acker) ist an der „Nature“-Veröffentlichung beteiligt und hat mit der unabhängigen Validierung des Verfahrens zu den Ergebnissen beigetragen. „Moderne Hochdurchsatz-Analysen haben unser Verständnis der Tumorpathologie dramatisch verändert. Das hier entwickelte molekulare Klassifizierungsalgorithmus führt zu einem Qualitätssprung in der Diagnostik und ist ein wichtiger Schritt zur Präzisionsmedizin und verbesserten Therapie bei Hirntumoren“, so Prof. Dr. Till Acker. Das Uniklinikum Gießen ist eines von vier neuroonkologischen Zentren in Deutschland, die die neue Analysemethode anbieten und zur Verbesserung der Diagnostik und Therapie von Hirntumoren einsetzen.

  • Publikation

Capper D., Jones D.T.W. Sill M. and Hovestadt V. (gemeinsame Erstautoren) et al. (2018) „DNA methylation-based classification of central nervous system tumours”, Nature, Online-Publikation am 14.03.2018; doi:10.1038/nature26000
https://www.nature.com/articles/nature26000

  • Weitere Informationen

www.molecularneuropathology.org - Online-Plattform zur DNA-Methylierungsanalyse

  • Kontakt


, Professur für Neuropathologie
Justus-Liebig-Universität Gießen (JLU)
Telefon: 0641 99-41181

Website: http://www.ukgm.de/ugm_2/deu/ugi_npa/index.html  

Pressestelle der Justus-Liebig-Universität Gießen, Telefon: 0641 99-12041

Schlagwörter
Medizin