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CfP: 17. Autonomes Kunstpädagogisches Forschungskolloquium LOCCUM

Das Kolloquium findet vom 28.-30. August 2020 in der Evangelischen Akademie Loccum statt.

Mosaiken auslegen 

„We become not a melting pot but a beautiful mosaic. Different people, different beliefs, dif-ferent yearnings, different hopes, different dreams.“ (Jimmy Carter) 

So wie einst der 39ste Präsident der Vereinigten Staaten, Jimmy Carter, sagte: „Wir sind kein Schmelztiegel, sondern ein wunderschönes Mosaik,“ ist auch die Forschung innerhalb der Kunst und Kunstpädagogik nicht als ein großer Schmelztiegel zu sehen, aus dem ein gemeinsamer Konsens gegossen wird. Vielmehr sind die einzelnen Forschungsarbeiten als individuelle Teile eines wissenschaftlichen Diskurses aufzufassen – als Steinchen eines großen Mosaikfeldes. Die Denkfigur Mosaik markiert für uns essentielle Aufgaben und Herausforderungen der heutigen Kunstpädagogik, die wir im 17. Forschungskolloquium zur Diskussion stellen wollen: Zunächst spricht das Mosaik sinnbildlich eine schmale Gratwanderung an, die viele Nachwuchswissenschaftler*innen beschäftigt: Das Verhältnis von Teil und Ganzem, das in der Forschung permanent ausgehandelt werden muss. Forschungsvorhaben entwickeln sich zwischen Kollaboration und Solidarität einerseits und Eigenständigkeit und Positionsfindung andererseits – wobei diese beiden Seiten nicht immer klar voneinander abzugrenzen sind und sich vielmehr gegenseitig bedingen. 

Der einzunehmende Perspektivwechsel beim Betrachten von Mosaiken ist ein entscheidendes Merkmal dieser altertümlichen Technik. Die Bedeutung von Mosaiken ging im historischen Kontext nach Susanne Muth über die Funktion als repräsentativer Raumschmuck hinaus, denn vielmehr wurden durch sie Handlungs-, Bewegungs- und Lebensräume inszeniert: „Es untermalte das Leben im Raum, ließ die Menschen diesen in einer bestimmten Weise erfahren und beeinflusste dabei ihr Denken, Empfinden und Handeln“ (Muth 1999:191). Die Figur des Mosaiks thematisiert das spannungsreiche Verhältnis zwischen Tradition und Innovation innerhalb der Kunst, von technischen Fertigkeiten und konzeptioneller Arbeit sowie letztlich die Beziehung zwischen Kunst und Lebenswelt. 

Neben technischen Vorteilen, wie einer langen Haltbarkeit in Material, Form, Struktur und Farbe, besitzen Mosaiken einen eigenen ästhetischen Reiz: Das Motiv wird in ein Raster aus kleinen Einzelteilen aufgelöst, womit eine Reduzierung bzw. Abstrahierung des Motivs ein-hergeht. Darüber hinaus kann durch die bestimmte Anordnung der Einzelteile in unterschied-lichen Richtungen ähnlich der Strichsetzung beim Zeichnen eine eigene Dynamik oder auch Statik sowie die Betonung der plastischen Ausprägung der Motive erzeugt werden. Zentral für das Mosaik ist das Zusammenwirken – wobei dies nicht unbedingt ein harmonischer Prozess sein muss, auch Kontraste und Spannungen erzeugen eine Produktivität und Dynamik. 

Die Denkfigur des Mosaiks erlaubt zahlreiche Anschlüsse an aktuelle Themen- und Forschungsfelder, die sich mit dem Kulturverständnis in den heutigen globalisierten, heterogenen und postmigrantischen Gesellschaften auseinandersetzen, womit die weiteren soziokulturellen Hintergründe und gesellschaftlichen Rahmungen der Kunstpädagogik angesprochen werden. Innerhalb der postkolonialen Theorie finden sich Kultur- und Identitätskonzeptionen, die Parallelen zum Mosaik aufweisen, dabei aber das Augenmerk verstärkt auf Machtverhältnisse und kreative Aushandlungsprozesse legen. So beschreibt Homi Bhabha (1994) mit der Konzeption der Hybridität einen Zustand der „vermischten Unauflöslichkeit“ (Struve 2013:101). Er verweist auf Verhandlungsprozesse zwischen Kulturen, bei denen kulturelle Differenzen nicht ein-fach aufgelöst oder einander angeglichen werden, sondern sich im Zustand ihres „Benachbartseins“ (Bhabha 2004) stoßen und reiben, wodurch kreative und subversive Neuschöpfungen entstehen können. 

In der Metapher des Mosaiken Auslegens wird zudem eine grundlegende kunstpädagogische Denkfigur angesprochen, das Auslegen, die neben der ästhetischen Forschung in der ästhetischen Erziehung bei Gunter Otto wohl am prominentesten vertreten ist und als Denkfigur bis zur Begründung der modernen Kunsterziehung (1897) zurück zu führen ist. Dabei greift das Verb auslegen zwei Wortbedeutungen auf: einerseits „etwas deutend erklären, ausdeuten, interpretieren“ und andererseits „etwas in eine zweckmäßige Lage und Richtung bringen“ (dwds:auslegen). Damit spielt das Verb auslegen auf die beiden grundlegenden Handlungsfel-der der Kunst bzw. des Kunstunterrichts an: das Wahrnehmen (Rezeption, Reflexion) und das Gestalten (Produktion). Im Zusammenhang mit dem Mosaik als künstlerische Technik und als Metapher für die heterogene kunstpädagogische Forschungslandschaft kann das Auslegen von Mosaiken also als interpretierende Bestandsaufnahme der unterschiedlichen kunstpädagogischen Forschungspositionen verstanden werden. So wie in Jimmy Carters Metapher „verschiedene Menschen, verschiedene Grundsätze, verschiedene Antriebe, verschiedene Hoffnungen, verschiedene Träume“ haben, so untersucht auch jede*r (Kunst-) Wissenschaftler*in individuelle Forschungsfragen, legt seinem Projekt unterschiedliche Forschungsansätze zu Grunde, nutzt verschiedene Methoden und verfolgt andere Forschungsziele. Dabei seien diese aber weniger als sich gegenseitig ausschließende Konzeptionen, sondern vielmehr als ein fruchtbares Nebeneinander zu verstehen, wobei die einzelnen Elemente zwar in ihrer Form autonom bleiben, in ihrer Gesamtheit (Komposition) aber etwas Neues entstehen lassen.

 

Formelles: 

Der kunstwissenschaftliche Diskurs innerhalb des 17. Autonomen Kunstpädagogischen For-schungskolloquiums in Loccum soll sich als Netzwerk von Nachwuchswissenschaftler*innen verstehen, d. h. als viele unterschiedliche Steinchen, die gemeinsam ein großes Mosaik ergeben werden. Dabei soll bewusst Raum für verschiedene Auslegungstechniken und -varianten geschaffen werden. Das kunstpädagogische Forschungskolloquium Loccum 2020 möchte zum gemeinsamen Nachdenken, Austausch und Diskussion einladen, dabei sowohl Kollaboration eröffnen als auch Selbstpositionierung anregen. Alle Teilnehmer*innen haben ein 60-minütiges Zeitfenster, um ihr Forschungsvorhaben in einer Arbeitsgruppe vorzustellen und zu disku-tieren. Eine explizite thematische Bezugnahme auf den Call hinsichtlich der eigenen Forschungsarbeit ist wünschenswert, kann aber auch implizit im Rahmen anderer Forschungsvorhaben diskutiert werden und ist somit keine Voraussetzung zur Teilnahme. Als diskussionsbasiertes Kolloquium sind verschiedene Präsentations- und Arbeitsformate willkommen (beispielsweise Workshops, Vorträge, künstlerisch-performative Beiträge). Ausdrücklich sei darauf hingewiesen, dass Loccum auch ein Ort für Fragmentarisches, Unreifes und Nicht-Ausformuliertes ist. In der Atmosphäre eines Arbeitstreffens soll das Forschungskolloquium insbesondere die Gelegenheit bieten, mit anderen Nachwuchswissenschaftler*innen auf Augenhöhe zu diskutieren. Das Kolloquium richtet sich vor allem an Nachwuchswissenschaftler*innen (Promovierende und Post-Docs) aus den Bereichen Kunstpädagogik, Kunsttherapie, Kunsttheorie, Kulturelle Bildung sowie allen benachbarten Fachrichtungen. Auch angehende Promovierende, die noch ganz am Anfang ihres Forschungsvorhabens stehen, sind herzlich willkommen. 

 

Abstract: 

Wir freuen uns über Beiträge im Umfang von max. 3000 Zeichen inkl. Leerzeichen. 

Zusendung bitte bis zum 1. Juni 2020 per E-Mail an loccum@gmx.net 

Datum & Zeit: 

Das Kolloquium beginnt am Freitag, den 28. August um 14:30 Uhr und endet am Sonntag, den 30. August 2020 gegen 15 Uhr in der Ev. Akademie Loccum. 

 

Kosten pro Person: 

Die Tagungsgebühr für Übernachtung und Verpflegung beträgt 180,00 €. BDK-Mitglieder erhalten eine Vergünstigung. Es besteht die Möglichkeit, vor Ort dem BDK e.V. beizutreten. 

Eine kostenfreie Stornierung ist lediglich bis Anfang Juli möglich. Im Falle von kurzfristigen Ab-sagen (auch bei Krankheit) behält die Unterkunft bis zu 80 % der Kosten ein, infolgedessen können wir leider nicht den vollen Betrag zurückerstatten. 

Weitere Informationen und Kontakt: 

https://forschungskolloquiumloccum.wordpress.com/ | loccum@gmx.net 

Organisationsteam von Loccum 2020: 

Katharina Brönnecke, Anja Gebauer, Theresa Martinetti, Jana Tiborra, Matthias Weich