Inhaltspezifische Aktionen

Frauen in der Polizeikomponente der Vereinten Nationen

Frauen in der Polizeikomponente der Vereinten Nationen – Entwicklung, Rolle und Herausforderungen

 

Eine nennenswerte Entwicklung im Rahmen von Friedensoperationen der Vereinten Nationen stellt die zunehmende Einbeziehung der Rolle der Frau in den Friedenssicherungsprozess dar. Bereits in den 70er Jahren bemühten sich die Vereinten Nationen um die Einbeziehung von Gender-Fragen; und sie führen dies seither stetig fort. Sie haben bis heute zahlreiche Initiativen zu Gender-Aspekten, insbesondere zur Rolle der Frau in Friedensmissionen, ins Leben gerufen. Doch man muss sich fragen, ob diese Initiativen Erfolg hatten. Wie steht es um die Rolle der Frau in den Friedensmissionen?

 

Die Blauhelme der Vereinten Nationen (VN) leisten schon seit Jahrzehnten einen bedeutenden Beitrag zur Friedenssicherung in der Welt. Sie sind aus dem Handlungsspektrum der VN nicht mehr wegzudenken. Nicht zuletzt der jährlich am 29. Mai stattfindende „Peacekeeping Day“ erinnert an die Leistungen der Blauhelme. 2017 stand dieser Tag unter dem Motto „Investing in Peace Around the World“. Eine „Investition in den Frieden auf der Welt“ ist ohne Frage eine der besten Investitionen, die man leisten kann; doch dies ist ein schwieriges Unterfangen. Die weltweite Sicherung und der Erhalt des Friedens stellen die Vereinten Nationen vor komplexe und vielschichtige Aufgaben, die unter anderem in Form von Friedensoperationen geleistet werden. Für den Frieden auf der Welt sind derzeit 112.294 Peacekeeper in 16 Missionen im Einsatz (Stand: 30. Juni 2017). Zumeist stehen dabei die Angehörigen des Militärs im Fokus. Doch auch die Polizeikomponente leistet einen zentralen Beitrag für die Friedenssicherung. Derzeit sind rund 12.000 Polizistinnen und Polizisten in zehn Missionen im Einsatz.

 

Der vermehrte Einsatz von Polizeikräften im Rahmen von Friedensoperationen der Vereinten Nationen in den letzten Jahren ist unter anderem auf den wesentlichen Wandel der Missionen zurückzuführen. Diese haben sich sowohl quantitativ als auch qualitativ verändert. Die Missionen haben sich von reinen Beobachtungsmissionen hin zu multidimensionalen Einsätzen, teilweise sogar Missionen mit exekutiven Mandaten weiterentwickelt. Eine weitere nennenswerte Entwicklung stellt die zunehmende Einbeziehung der Rolle der Frau in den Friedenssicherungsprozess dar. Bereits in den 70ern bemühten sich die VN um die Einbeziehung von Gender-Fragen. Dies führen die VN seither stetig fort. Sie haben bis heute zahlreiche Initiativen zu Gender-Aspekten, insbesondere zur Rolle der Frau in Friedensmissionen, ins Leben gerufen. Doch man muss sich fragen, ob diese Initiativen Erfolg hatten. Wie steht es um die Rolle der Frau in den Friedensmissionen? Fakt ist: Sowohl in der militärischen Komponente als auch in der Polizeikomponente sind die Frauen immer noch unterrepräsentiert. Daher war es etwas Besonderes, als die erste Frau zur Kommandeurin des slowenischen Kontingents der Interimstruppe der Vereinten Nationen in Libanon (UNIFIL) ernannt wurde. Dies ist gerade deswegen bemerkenswert, da in der militärischen Komponente lediglich 3,32 % (Stand August 2016, Thorn, Is the Glass Half Full or Half Empty?, Franz von Liszt Institute Working Paper 2017/02, October 2017, S. 24) Frauen vertreten sind. In der Polizeikomponente erreicht der Anteil der Frauen immerhin 9,70 % (Stand 2016, Thorn, Is the Glass Half Full or Half Empty?, Franz von Liszt Institute Working Paper 2017/02, October 2017, S. 25). Doch was haben die VN in den letzten Jahren getan, um die Einbeziehung der Frauen in die Polizeikomponente voranzutreiben? Welche Rollen und Funktionen übernehmen Frauen in der VN Polizei (United Nations Police – UNPOL)? Welche Rolle spielt der rechtliche Rahmen? Nachfolgend soll ein kurzer Überblick über diese Fragen gegeben werden.

 

Die Initiativen der Vereinten Nationen zur Implementierung von Gender-Aspekten

Die Initiativen der Vereinten Nationen zur Implementierung von Gender-Aspekten reichen einige Jahrzehnte zurück. Bereits in den 70er Jahren begannen die VN Gender-Aspekte und die Rolle von Frauen in den „Women Conferences“ (1975 – Mexico City; 1980 – Kopenhagen; 1985 – Nairobi; 1995 – Peking) zu thematisieren. 1975 wurde das „International Women`s Year“ sowie die „International Decade for Women“ (1975-1985) ausgerufen (Zur Entwicklung siehe Thorn, Is the Glass Half Full or Half Empty?, Franz von Liszt Institute Working Paper 2017/02, October 2017, S. 5 ff.). Seither findet das Thema „Gender“ Eingang in die vielzähligen Debatten der Vereinten Nationen. Einen Höhepunkt dieser Entwicklung bildet die im Jahr 2000 verabschiedete Resolution 1325 (2000) des Sicherheitsrates der VN.

 

Bei Resolution 1325 handelt es sich um die erste Resolution zu Aspekten von „Frauen, Frieden und Sicherheit“. Mit dieser erkannten die Mitglieder des Sicherheitsrates erstmalig einstimmig die gleichberechtigte Rolle der Frau und deren zentrale Funktion als „konstruktive Akteure für Frieden, Sicherheit und den Wiederaufbau in Post-Konflikt-Situationen“ (Susan Willet, Introduction: Security Council Resolution 1325: Assessing the Impact on Women, Peace and Security, in: International Peacekeeping 17 (2) (2010), 142-158, 142). Sie beruht auf den vier Säulen Prävention („prevention“), Schutz („protection“), Teilhabe („participation“) sowie Friedenskonsolidierung und Aufschwung („peacebuilding and recovery“). Seither befasst sich der Sicherheitsrat regelmäßig mit diesem Themenkomplex und verabschiedet kontinuierlich Resolutionen zu Fragen von „Frauen, Frieden und Sicherheit“.

Resolution 1325 (2000) stellt unbestritten eine richtungsweisende Resolution („landmark resolution“) dar. Ob die Resolution allerdings eine rechtliche Wirkung entfaltet, ist nicht vollständig geklärt (vgl. ausführlich dazu Thorn, Is the Glass Half Full or Half Empty?, Franz von Liszt Institute Working Paper 2017/02, October 2017, S. 13 ff.). Unbestritten ist aber, dass die Resolution einen zentralen politischen Stellenwert einnimmt. Entscheidend für ihre Wirksamkeit ist die Implementierung der Resolution durch die Mitgliedsstaaten und die Vereinten Nationen. Die Mitgliedsstaaten sind insbesondere aufgerufen, nationale Aktionspläne zu verabschieden. Die Bundesrepublik Deutschland hat 2012 einen ersten Aktionsplan beschlossen und einen Umsetzungsbericht zum Aktionsplan für die Zeitspanne 2013-2017 veröffentlicht. Am 11. Januar 2017 wurde nun ein zweiter Aktionsplan für die Periode 2017-2020verabschiedet.

 

Bezüglich der Polizeikomponente ist außerdem der sogenannte „Global Effort“ der Vereinten Nationen zu nennen. Dabei handelt es sich um eine 2009 ins Leben gerufene Kampagne der Hauptabteilung Friedenssicherungseinsätze (Department of Peacekeeping Operations – DPKO), um mehr Frauen für den Polizeidienst der VN zu gewinnen. Die VN setzten sich damit ein klares Ziel: Der Anteil der Frauen in der Polizeikomponente sollte bis 2014 20 % erreichen. Die Initiative motiviert außerdem die nationalen Regierungen, Schritte zu ergreifen, um zur Erhöhung des Frauenanteils im nationalen Polizeidienst beizutragen. Erreicht wurde das Ziel jedoch bisher nicht. 2014 waren lediglich rund 10 % der Polizistinnen und Polizisten Frauen. Bis heute ist der Prozentsatz der Frauen in der UNPOL nicht weiter angestiegen.

 

Frauen in der United Nations Police (UNPOL)

Trotz dieses immer noch zahlenmäßig geringen Anteils von Frauen in der UNPOL haben diese eine wichtige Funktion inne. Zwar werden Frauen in Post-Konflikt-Situationen oft in der Rolle des Opfers gesehen, insbesondere im Rahmen der Erfüllung der Aufgaben der UNPOL nehmen Frauen aber eine aktive Rolle wahr. Dabei können sie spezifische Funktionen wahrnehmen, beispielsweise bezüglich sexueller und geschlechtsspezifischer Gewalt, aber gerade auch den vollen Umfang der Polizeiarbeit in Friedensmissionen abdecken. In Post-Konflikt-Situationen können Frauen zentrale Ansprechpartnerinnen für Frauen und Kinder sein, die sich beispielsweise nicht an männliche Mitglieder der UNPOL wenden möchten. Zudem können die Frauen im Polizeidienst der VN durch die Wahrnehmung aller polizeilichen Tätigkeiten eine Vorbildfunktion für die Entwicklung der nationalen Polizei ausüben. Ein positives Beispiel bildet der Einsatz einer nur aus Frauen bestehenden geschlossenen Polizeieinheit, einer sogenannten „Formed Police Unit (FPU)“ in Liberia. Die Einheit stammte aus Indien und wurde bis 2016 turnusmäßig eingesetzt. In Bezug auf Liberia lässt sich ein positiver Schluss bezüglich der Wirkungen auf die nationale Entwicklung der Polizei ziehen. Die „all-women-FPUs“ können als Vorbild dienen und aufzeigen, dass Frauen die gleichen Aufgaben wie Männer wahrnehmen. Allerdings lässt sich dieser Schluss nicht verallgemeinern. Insgesamt scheint daher ein differenzierter Ansatz geboten, der insbesondere die nationalen Verhältnisse und Erfordernisse einbezieht. Der Trend bei den Vereinten Nationen scheint zu gemischten Einheiten (FPUs) zu tendieren. Neue Entwicklungen, wie beispielsweise der Einsatz von sogenannten „Specialized Police Teams (SPTs)“ (Expertenteams der Polizei) können außerdem einen Beitrag leisten, die Gender-Aspekte besser zu implementieren und die spezifischen Probleme der Frauen in den jeweiligen Staaten in den Blick zu nehmen. Diese Teams setzen sich nicht nur aus Frauen zusammen, können aber besondere Expertise bezüglich spezifischer Themenfelder einbringen. So wurde beispielsweise ein solches fünfköpfiges Expertenteam aus Deutschland in den Südsudan entsandt, welches eine besondere Expertise bezüglich des Einsatzes gegen sexuelle und geschlechtsbasierte Gewalt besaß.

 

Hinsichtlich der weiteren Entwicklung muss man im Blick behalten, dass die VN im Rahmen der Polizei (wie auch beim Militär) im Wesentlichen davon abhängig sind, welche (Polizei-)Kräfte die Entsendestaaten bereitstellen. Hindernisse für die Entsendung von Frauen in den Polizeidienst der VN entstehen dabei auf der einen Seite bei den VN selbst, auf der anderen Seite spielen die nationalen Voraussetzungen in den Entsendestaaten eine zentrale Rolle. Als potentielle Hemmnisse seien beispielsweise genannt: Familiäre Bedingungen; die Einstellungsvoraussetzungen der nationalen Polizeien einerseits sowie die der VN andererseits; besondere Bedingungen im Einsatz sowie niedrige Frauenquoten in den Polizeibehörden der Entsendestaaten. Allerdings scheint eine hohe Frauenquote in einer nationalen Polizei eines Staates nicht unbedingt zu einer gleichermaßen hohen Quote bei den VN-Kräften des Staates zu führen. Umgekehrt spricht ein geringerer Prozentsatz von Frauen in einer nationalen Polizei eines Mitgliedstaates nicht zwangsläufig gegen einen hohen Anteil von Frauen bei den an die VN entsandten Kräften. Die Entsendestaaten mit den höchsten Frauenquoten sind derzeit Ruanda, Ghana, Burkina Faso, Nigeria und Nepal (Siehe zu den Thesen Thorn, Is the Glass Half Full or Half Empty?, Franz von Liszt Institute Working Paper 2017/02, October 2017, S. 27 ff. und 38 ff.). In den Jahren zuvor (2013-2014) entsandten Ruanda, Bangladesch, Indien, Nigeria und Ghana die meisten Polizistinnen an die VN.

 

Es lässt sich festhalten: Viele Faktoren spielen für den Einsatz von Frauen in der UNPOL eine Rolle. Diese liegen auf nationaler Ebene aber auch auf Seiten der VN. Um eine weitere Erhöhung der Frauenquote zu erreichen, müssen die Hemmnisse auf allen Ebenen genauer analysiert und weiter abgebaut werden.

 

Der rechtliche Rahmen – ein kurzer Überblick

Abschließend soll ein kurzer Blick auf die rechtlichen Grundlagen geworfen werden. Insbesondere die menschenrechtlichen Verträge haben einen besonderen Bezug zu Frauenrechten. Diese enthalten zum einen spezifische Verbürgungen, aber auch besondere Ausprägungen einzelner Rechte im Hinblick auf Frauen. Zudem können sich positive Pflichten aus den Menschenrechten ergeben. Bezüge zur Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau und Frauenrechten findet man in zahlreichen völkerrechtlichen Verträgen: Die Charta der Vereinten Nationen, die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, der Internationale Pakt über bürgerliche und politische Rechte, der Internationale Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte sowie das Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau sollten erwähnt werden. Diese spielen auch in Bezug auf Friedensmissionen eine erhebliche Rolle. Menschenrechte sind für die Polizeikomponente zentral: Zum einen als rechtliche Grundlage, zum anderen hinsichtlich Funktionen und Aufgaben der Polizei.

 

Die Vereinten Nationen haben zudem zahlreiche Schritte unternommen, um Gender-Aspekte in die eigene Agenda zu implementieren. Dies erfolgte insbesondere durch interne Richtlinien und Leitfäden bzw. Grundsätze. Hier seien nur die wichtigsten Instrumente benannt: die Richtlinie „Gender Equality in Peacekeeping Operations“ sowie in Bezug auf sexuelle und geschlechtsbezogene Gewalt die Null-Toleranz Politik der Vereinten Nationen (abgefasst im Bulletin des Generalsekretärs, „Special measures for protection from sexual exploitation and sexual abuse“). Darüber hinaus zieht sich der Aspekt „Gender“ durch viele weitere Dokumente der VN. So kann man beispielsweise die „Gender Forward Looking Strategy 2014-2018“ sowie in Bezug auf das Trainingsmaterial der Polizei das sogenannte „UN Gender Toolkit: Standardised Best Practices on Gender Mainstreaming in Peacekeeping“ benennen. Eine wesentliche Basis für die Arbeit der Polizistinnen und Polizisten bilden außerdem die Richtlinien und Politiken, die als „Strategic Guidance Framework“ zusammengefasst wurden, auch wenn diese keinen primären Genderfokus aufweisen.

 

 

Es bleibt weiterhin viel zu tun

Bereits dieser kurze Überblick über die aufgeworfenen Fragen zeigt, dass die VN bereits viel getan haben, um Gender-Aspekte in Friedensmissionen zu integrieren und Frauen insbesondere in der Polizeikomponente zu stärken. Dennoch bleibt auch heute noch viel zu tun. Dabei gibt es keinen „one-size-fits-all“-Ansatz, vielmehr bedarf es spezifischer bzw. regionaler und nationaler Lösungen. Um die weiterhin bestehenden Hemmnisse für eine Integration von Frauen in der Polizei abzubauen, müssen die Hindernisse sowohl auf nationaler Ebene als auch auf Seiten der VN analysiert und angegangen werden.

 

Eine ausführliche Analyse finden Sie in dem Beitrag von Judith Thorn, Is the Glass Half Full or Half Empty? – Gender and United Nations Police, An Overview on the Role and Functions of Women in the Police Component of United Nations Peace Operations, Franz von Liszt Institute Working Paper 2017/02, October 2017.

Judith Thorn ist wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Professur für Öffentliches Recht und Völkerrecht, Justus-Liebig-Universität Gießen, und Assoziierte Forscherin an der HSFK (Forschungsgruppe Völkerrecht). Sie ist Mitglied der Forschungsgruppe „Polizeimissionen der Vereinten Nationen – Völkerrechtliche Grundlagen, Status und Einsatzregeln“.

Judith Thorn
Judith Thorn is a Research Assistant at the Chair for Public Law and International Law, Prof. Dr. Thilo Marauhn as well as a member of the research group “UN Policing – Legal Basis, Status and Directives on the Use of Force“, funded by the German Foundation for Peace Research, implemented by the Chair of Public Law and International Law at the Justus Liebig University Giessen in cooperation with the Peace Research Institute Frankfurt (PRIF).