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Deutschland Impf-Priorisierung

Eine zentrale Corona-Entscheidung – und wieder am Bundestag vorbei

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Wer zuerst gegen Corona geimpft wird, soll per Verordnung geregelt werden – also ohne Abstimmung im Bundestag. Die Union hat zwar eine Erklärung, warum. Doch Juristen und die Opposition wollen einen anderen Weg. Es geht ihnen um die Akzeptanz der Bürger.

Es kommt, wie es kommen musste. Die Liste stößt auf heftige Kritik. Gemeint ist die Liste der Personengruppen, die als Erste eine Corona-Impfung erhalten sollen. Am Montag legte die Ständige Impfkommission (Stiko) dazu ihre Empfehlungen vor.

Priorisiert werden Menschen über 80, Menschen die in Altenpflegeheimen wohnen sowie ihre Pfleger. Außerdem an erster Stelle: das medizinische Personal in Notaufnahmen und Covid-Stationen sowie Ärzte und Pfleger, die mit besonders vulnerablen Gruppen zu tun haben.

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Wo sind die vorerkrankten jüngeren Menschen?, fragt nun die Stiftung Patientenschutz. Andere wie der Philologenverband beklagen, dass die Lehrer erst als vierte Gruppe drankommen sollen. „Jeden Tag treffen sich elf Millionen Menschen ohne Einhaltung der Abstandsregeln in unseren Schulen. Sollen die Schulen offen bleiben für die Kinder, brauchen wir schnelle Impfungen für Lehrer. Sonst geht das nicht“, sagte die Vorsitzende Susanne Lin-Klitzing WELT.

Die Aufregung um die Impfpriorisierung zeigt, wie wichtig es ist, Akzeptanz und eine hohe Legitimation für die Liste und ihre Reihenfolge herzustellen. Die Stiko selbst sprach Anfang November davon, dass die Politik deshalb eine „klare gesetzliche Regelung“ schaffen müsse. Allein, die Politik hat sich für den Erlass einer Verordnung und damit die Variante ohne Parlamentsbefassung entschieden. Reicht das? Daran gibt es Zweifel.

So erklärt die Union den Kurs

Sogar Juristen des Bundestags hatten sich dafür ausgesprochen, die Priorisierung gesetzlich zu regeln. „Der überwiegend vertretenen Auffassung, wonach die Priorisierung bestimmter Bevölkerungsgruppen beim Zugang zu Impfstoffen eines förmlichen Gesetzes bedarf, das zumindest die wesentlichen Kriterien für die Verteilung eines knappen Impfstoffes regelt, ist zuzustimmen“, heißt es in dem Papier der Wissenschaftlichen Dienste.

Die Experten attestierten der Priorisierungsfrage „eine hohe generelle Grundrechtsrelevanz“, denn alle Menschen seien gleichermaßen von einer Corona-Infektion bedroht und von den Einschränkungen im Alltag betroffen.

Jene, die den Erlass einer Verordnung verteidigen, berufen sich darauf, dass dahinter ja bereits ein Gesetz stehe. Nämlich das Bevölkerungsschutzgesetz, das vor drei Wochen novelliert wurde. Darin ist festgehalten, dass es eine Verordnung über die Priorisierung geben soll.

„Die rechtlichen Grundlagen zur Regelung der Impfungen sind damit vorhanden“, sagte der stellvertretende Fraktionschef der Union, Georg Nüßlein, WELT. „Eine gesetzliche Detailregelung stünde demgegenüber einer eventuell notwendigen Flexibilität im Wege. Es muss darum gehen, die Impfung zu optimieren.“

Auf Nachfrage erklärte das Bundesgesundheitsministerium, die Rechtsverordnung noch im Dezember zu veröffentlichen. Die „Flexibilität“, die Nüßlein meint, hat damit zu tun, dass nach der Zulassung neuer Impfstoffe eine im Gesetz festgehaltene Priorisierung vielleicht nicht mehr funktioniert. Etwa dann, wenn ein Impfstoff für eine bestimmte Personengruppe gar nicht oder besonders geeignet ist. Dafür müsste erst umständlich das Gesetz geändert werden; eine Verordnung kann dagegen schnell angepasst werden.

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Es sei „üblich“, dass der Bundestag den gesetzlichen Rahmen vorgebe, teilt die gesundheitspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, Sabine Dittmar, mit. Sie stützt damit Nüßleins Einschätzung.

Auch der Staatsrechtler Ulrich Battis hält ein Gesetz für die Impfstoffverteilung für „nicht zwingend“. „Die Wirkung einer Rechtsverordnung ist identisch“, sagte er WELT. Sie habe zudem den Vorteil, dass sie schneller erlassen und auch abgeändert werden könnte. Rein inhaltlich hätten Verordnungen keine niedrigeren Chancen, vor Gericht zu bestehen – wenn auch das „Verwerfungsmonopol“ von Gesetzen beim Bundesverfassungsgericht liege. Battis verweist allerdings darauf, dass ein Gesetz vermutlich zu einer höheren Akzeptanz der Verteilung führen würde.

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Quelle: dpa; Infografik WELT/Jörn Baumgarten

Dieser Auffassung ist auch der Staatsrechtler Steffen Augsberg, er ist auch Mitglied des Deutschen Ethikrats. Bei der Priorisierung im Bevölkerungsschutzgesetz gehe es seiner Auffassung nach „primär um den Anspruch auf kostenneutrale Impfungen“. „In der Kombination mit der Stiko-Empfehlung halte ich das nicht für eine ausreichende Grundlage.“ Besser sei es, die Priorisierung im Infektionsschutzgesetz zu verankern. „Gerade als ‚Experte‘ warne ich vor Expertokratie.“

Opposition sieht gesetzlichen Regelungsbedarf

Sämtliche Oppositionsfraktionen im Bundestag sind der Auffassung, dass es eines Gesetzes bedarf. An einem solchen Impfgesetz arbeitet „mit Hochdruck“ die FDP-Fraktion, wie der Abgeordnete Stephan Thomae WELT mitteilte. „Die Frage, wer angesichts knapper Impfstoffe bei erwartbar hoher Nachfrage als Erstes geimpft wird, entscheidet im Zweifel über Leben und Tod“, sagte er. „Eine solch wichtige ethische Entscheidung muss der Gesetzgeber zwingend selbst treffen, nicht die Bundesregierung durch Verordnung als Ergebnis von Selbstgesprächen in Kabinettszimmern und Ministerbüros.“

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Quelle: WELT

„Wir fordern die Bundesregierung auf, die Impfstrategie gegen Covid-19 angemessen in einem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren unter parlamentarischer Beteiligung zu regeln“, sagt auch Linke-Fraktionschefin Amira Mohamed Ali. Als „grundrechtsrelevant“ bezeichnet die pflegepolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion, Kordula Schulz-Asche, die Frage, wer den knappen Impfstoff zuerst bekommt.

„Hierfür bedarf es einer klaren gesetzlichen Grundlage“, sagt sie. „Spahn hat bei den Befragungen im Ausschuss hierzu nur polemische Ausflüchte geliefert. Offenbar fehlt ihm der Mut, eine solche Regelung zu treffen.“ Die Grünen hatten allerdings der Neufassung des Bevölkerungsschutzgesetzes und damit auch dem Plan, die Priorisierung mittels Verordnung zu regeln, zugestimmt.

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Auch die AfD mahnt ein Votum durch den Bundestag an. „Es ist mehr als bedenklich, dass dies nicht schon geschehen ist“, sagte der gesundheitspolitische Sprecher der Fraktion, Detlev Spangenberg. Das Infektionsschutzgesetz sei keine ausreichende Grundlage, weil „in erheblichem Maße die Grundrechte der Bürger“ betroffen seien.

Noch findet die Diskussion im luftleeren Raum statt. Denn bis dato ist noch kein Impfstoff in Deutschland zugelassen worden. Trotzdem plant der Bundestag in der kommenden Woche eine Debatte über die Priorisierung.

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