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  4. Impfpflicht: Beitragssanktionen für Ungeimpfte? „Kleingeistige Rachefantasien“

Deutschland Verstöße gegen Impfpflicht

Höhere Kassenbeiträge für Ungeimpfte? „Kleingeistige Rachefantasien“

Holetschek schlägt Malus-Regelung für Ungeimpfte vor

Eine allgemeine Impfpflicht bleibt weiter in der Diskussion. Als Sanktion schlägt der bayerische Gesundheitsminister Klaus Holetschek Bußgelder vor. Auch eine Beteiligung von Ungeimpften an den Behandlungskosten stellt er zur Debatte.

Quelle: WELT / Eybe Ahlers

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„Abkehr vom Solidarprinzip“, „verfassungsrechtlich zweifelhaft“: Bayerns Gesundheitsminister hat höhere Krankenkassenbeiträge für Ungeimpfte als Sanktion bei Impfpflicht-Verstößen gefordert. Juristen, Ärzte und Bundestag-Fraktionen weisen das nun scharf zurück.

Die Debatte um eine allgemeine Impfpflicht gewinnt an Fahrt – und damit auch die Diskussion über Sanktionen. Was passiert, wenn sich Menschen trotz Vorschrift nicht impfen lassen? Am Wochenende schlug Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) vor, finanzielle Nachteile bei der Krankenversicherung zu erwägen.

„Wir sollten zusätzlich auch prüfen, ob Malus-Regelungen im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung möglich und sinnvoll wären“, sagte Holetschek dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Infrage kämen unter anderem höhere Krankenkassenbeiträge, eine Beteiligung an Behandlungskosten oder die Streichung des Krankengeldes.

Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU, r.) bei einer Pressekonferenz mit Ministerpräsident Markus Söder (CSU, M.) und dem Leiter des Corona-Krisenstabs im Bundeskanzleramt, Generalmajor Carsten Breuer
Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU, r.) bei einer Pressekonferenz mit Ministerpräsident Markus Söder (CSU, M.) und dem Leiter des Corona-Krisenstabs im Bundeskanzler...amt, Generalmajor Carsten Breuer
Quelle: picture alliance / SvenSimon

Juristen, Ärzte- und Klinikverbände sowie mehrere Bundestagsfraktionen widersprechen vehement. Der ehemalige Vizepräsident des Bundesverfassungsgerichts, Ferdinand Kirchhof, hält den Vorschlag für nicht tragfähig. Solch eine Regelung würde indirekt über die Lebensführung des Versicherten bestimmen. „Hier liegt das grundrechtliche Problem: Es bringt einen indirekten Zwang zur Impfung, zum Nichtrauchen oder zum Nichtsport.“

Was passiere zudem, wenn ein Ungeimpfter den erhöhten Beitrag einfach nicht zahle und lebensgefährlich erkranke? „Dann kommt eine Leistungsverweigerung nicht mehr infrage“, sagt Kirchhof WELT.

Steffen Augsberg, Rechtswissenschaftler und Mitglied des Deutschen Ethikrats, folgt der Argumentation. Es sei eine bewusste Entscheidung des solidarischen Gesundheitssystems, dass die Frage nach der Schuld ausgeblendet werde.

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Für ihn ist die Forderung ein Indiz, dass so manchem Politiker dämmere, wie schwierig die Umsetzung einer Impfpflicht werde. Es handele sich um „eine symbolische Aktion“: „Man hat einen vermeintlichen Sündenbock gefunden“, so Ausgberg. „Wir sollten aufhören, gesellschaftlich eine Gruppe auszusondern und permanent mit dem Finger auf sie zu zeigen.“

Theoretisch sieht das Sozialgesetzbuch vor, dass Versicherte bei Selbstverschulden an den Kosten zu beteiligen sind – allerdings nur bei Schönheitsoperationen, Tätowierungen und Piercings. Zudem ist die Passage Augsberg zufolge umstritten.

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„Diese Art der Sanktionierung sollte nicht auf die Impfverweigerung erstreckt werden“, sagt auch Franz Lindner, Professor für Medizinrecht an der Uni Augsburg, der verfassungsrechtliche Bedenken äußert. „Man sollte die ohnehin schon schwierige und emotionale Debatte über die Impfpflicht nicht noch mit verfassungsrechtlich und gesundheitspolitisch zweifelhaften Forderungen belasten.“

Gegenüber der „Bild“-Zeitung äußerte sich Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) zurückhaltend. „Erst muss die Impfpflicht durchdacht und vom Bundestag eingebracht sein“, sagte er. Es sei nicht die Zeit, schon über mögliche Strafen nachzudenken.

„Rüttelt an dem Solidarprinzip insgesamt“

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Doch trotz des juristischen Widerspruchs halten sich entsprechende Forderungen hartnäckig. Die Kassenärztliche Vereinigung in Berlin etwa forderte erst Ende November „eine Kostenbeteiligung Ungeimpfter an Krankenhausleistungen“; der Leiter der Vereinigung in Köln sprach sich bereits im Oktober dafür aus. Der CDU-Politiker Dennis Radtke, Bundesvize der Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft, erhob die Forderung ebenfalls.

Schon damals wurden höhere Krankenkassenbeiträge ins Gespräch gebracht. Ein Argument sind die durch Covid-Erkrankungen verursachten Kosten. Der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) zufolge beläuft sich eine einwöchige Corona-Behandlung auf der Normalstation meistens auf um die 3200 Euro, auf der Intensivstation bei drei Wochen Aufenthalt inklusive mindestens zweitägiger Beatmung oft auf etwa 28.500 Euro.

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Trotzdem wollen die Funktionäre aus dem Gesundheitswesen nichts von einer Kostenbeteiligung Ungeimpfter wissen. Der Vorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, Andreas Gassen, erteilt dem Vorschlag eine Absage. Der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen (GKV) sagt WELT, die Beiträge orientierten sich an der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit: „Wer an diesem Grundprinzip rüttelt, rüttelt an dem Solidarprinzip insgesamt.“

Der Vorsitzende der Deutschen Krankenhausgesellschaft, Gerald Gaß, erklärt, solche Überlegungen „bergen große Probleme“ und wären eine Abkehr vom bisherigen Prinzip. Es sei „eine der Stärken unseres Systems, dass nicht nach vermeintlicher Schuld gefragt wird. Ich persönlich befürworte gute Aufklärung, Information und Bonussysteme, die gesundheitsbewusstes Verhalten positiv sanktionieren.“

Der Präsident der Bundesärztekammer, Klaus Reinhardt, äußert sich ähnlich: Höhere Kassenbeiträge für Ungeimpfte könnten zwar einige dazu bewegen, sich doch impfen zu lassen. „Aber der Preis dafür wäre hoch. Die Einführung einer solchen Malus-Regelung würde das Prinzip der Solidargemeinschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung grundlegend verändern, mit möglicherweise weitreichenden Folgen für unser gesellschaftliches Miteinander“, so Reinhardt. „Heute sprechen wir über höhere Kassenbeiträge für Ungeimpfte und morgen vielleicht schon über Strafzahlungen für anderes gesundheitlich unvernünftiges Verhalten, wozu schon die Ausübung von Risikosportarten zählen kann.“ Sinnvoller seien Bußgelder.

Was die Bundestagsfraktionen dazu sagen

Auch im Bundestag kann man sich nicht für den Vorschlag aus Bayern erwärmen. „Diese ganzen kleingeistigen Rachefantasien tragen eher dazu bei, die Akzeptanz für eine allgemeine Impfpflicht zu untergraben“, sagt Linke-Gesundheitspolitikerin Kathrin Vogler – auch wenn sie diese für sinnvoll und notwendig halte.

SPD-Fraktionsvize Dagmar Schmidt fordert, einzelne Gruppen nicht gegeneinander ausspielen. „Noch ist nicht entschieden, ob und in welcher Form es zu einer Impfpflicht kommt. Wir sollten einen Schritt nach dem anderen machen und nicht jetzt schon Phantomdebatten über mögliche Sanktionierungen führen.“

Demonstration gegen eine Impfpflicht am 25. Dezember
Demonstration gegen eine Impfpflicht am 25. Dezember
Quelle: picture alliance/dpa
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AfD-Fraktionschefin Alice Weidel erklärt, nach der Logik Holetscheks müsse man dann unter anderem Raucher und Übergewichtige aus der Solidargemeinschaft ausschließen. „Wenn Herr Holetschek sich tatsächlich auf diese Bahn begeben will, sollte er auch so ehrlich sein und offen erklären, dass er das Solidarprinzip ganz abschaffen will.“

Entsprechende Vergleiche lehnt die gesundheitspolitische Sprecherin der FDP-Fraktion, Christine Aschenberg-Dugnus, ab. „Zwar lösen auch diese Gruppen höhere Behandlungskosten aus. Das gesundheitliche Risiko allerdings tragen die Betroffenen selbst, wohingegen Ungeimpfte auch für andere ein Risiko darstellen.“ Dennoch halte sie den Vorschlag höherer Krankenkassenbeiträge nicht für sinnvoll.

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