Der FB02 in den Medien
Expertinnen und Experten des Fachbereichs Wirtschaftswissenschaften sprechen regelmäßig zu aktuellen Themen mit den Medien. Hier finden Sie eine Auswahl von aktuellen Interviews und Pressemitteilungen ab Januar 2022.
Vera Klopprogge
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Pressemitteilung vom 28. November 2022
Keine Geschlechterparität im Top-Management
Wirtschaftswissenschaftler Prof. Dr. Alexander Haas: „Es gibt häufig nur vorgeschobene Gründe, Führungspositionen nicht mit Frauen zu besetzen, keine rationalen.“
Im Top-Management von großen Unternehmen sind immer noch zu wenige Frauen vertreten. In DAX-40-Unternehmen sind beispielsweise nur durchschnittlich 20 Prozent der Vorstandspositionen mit Frauen besetzt. Prof. Dr. Alexander Haas, Professor für Marketing und Verkaufsmanagement an der Justus-Liebig-Universität Gießen (JLU), forscht und lehrt zu Geschlechterunterschieden in der Unternehmensführung. In einer aktuellen Studie hat er fünf Ursachen identifiziert, die Unternehmen potenziell bei der Entwicklung weiblicher Top-Führungskräfte bremsen.
Bildunterschrift: Prof. Dr. Alexander Haas. Foto: JLU Gießen / Katrina Friese
Drei Fragen an Prof. Dr. Alexander Haas
Warum ist die geschlechtliche Gleichstellung in Führungspositionen für ein Unternehmen wichtig und wie ist die aktuelle Situation?
Wissenschaftliche Studien zeigen, dass eine Erhöhung des Frauenanteils im Vorstand die Unternehmen kundenorientierter und langfristig erfolgreicher macht. Um das für Unternehmen verpflichtend zu machen, ist im Jahr 2015 das Führungspositionengesetz (FüPoG) in Kraft getreten. Weil dann aber wenig passiert ist, wurde das Gesetz im August 2021 als FüPoG II erneuert und verschärft. Seit 2021 hat sich in den Vorstandsetagen etwas bewegt und der Anteil der mit Frauen besetzten Vorstandspositionen im DAX 40 hat sich auf nunmehr durchschnittlich 20 Prozent verdoppelt. Von ganz wenigen Ausnahmen abgesehen, sind aber trotzdem deutlich unter 50 Prozent der Vorstandspositionen in großen Unternehmen mit Frauen besetzt.
Sie haben zu den Gründen geforscht, warum Frauen im Top-Management unterrepräsentiert sind. Was sind Ihre Ergebnisse?
Meine Kollegin Melina Luisa Marasek und ich haben uns ein Jahr nach Inkrafttreten des FüPoG II die Vorstandspositionen aller DAX-Unternehmen angesehen. Dafür haben wir Daten zur Größe des Vorstands, der Anzahl der Männer und Frauen im Vorstand sowie die Besetzung von sechs ausgewählten Vorstandspositionen zusammengestellt. Auf dieser Basis haben wir fünf Ursachen identifiziert, warum Unternehmen nach wie vor Positionen im Top-Management nicht mit Frauen besetzen: Passivität, Verweigerung, Stereotype, fehlendes Vertrauen und vorgeschobene Gründe. Zusammenfassend sehen wir, dass Unternehmen häufig noch in Stereotypen denken und handeln, Frauen nicht genug vertrauen oder andere Gründe vorschieben, um den Vorstand nicht weiblicher zu besetzen. Oder anders gesagt: Unternehmen erkennen häufig nicht von sich aus Gleichstellung als Chance, sondern agieren erst dann, wenn es politische Vorgaben gibt. Und auch dann werden Vorstandspositionen mehrheitlich an Männer gegeben und dies mit „ein Mann ist besonders durchsetzungsstark“, „unsere Branche ist keine ‚weibliche Branche‘“ oder „der Vorstand ist zu klein, um paritätisch besetzt zu werden“ begründet. Empirisch finden wir Unternehmen, die alle diese Punkte widerlegen.
Was ist Ihre Empfehlung für Unternehmen?
Die Vielfalt der Ursachen und deren oft tiefe Verwurzelung im Unternehmen und seiner Kultur machen es Unternehmen nicht leicht, Abhilfe zu schaffen. Aber unsere Analyse zeigt, dass es möglich ist: Wenn es einigen Unternehmen gelingt, warum sollten es nicht auch die anderen schaffen können? Wir appellieren an Unternehmen, ein geeignetes Umfeld zu schaffen, um es Frauen zu ermöglichen, sich bis auf Vorstandsebene zu profilieren. Unsere Analyse zeigt dabei, dass geeignete Frauen für den Vorstand gefunden werden können und dass sie in jeder Branche und auf jeder Vorstandsposition erfolgreich sein können. Entsprechend sind „Begründungen“, warum in der Unternehmensspitze Frauen fehlen, wenig überzeugend.
Forschung
Prof. Dr. Alexander Haas hat seine Studie zum Geschlechterverhältnis in Vorständen für das Magazin Harvard Business Manager aufbereitet. Der Artikel „Warum Frauen in Dax-Vorständen fehlen“ ist im November 2022 erschienen.
Pressemitteilung vom 18. Oktober 2022
Beim studentischen Vertriebswettbewerb der American Marketing Association hat vor wenigen Tagen Anwar Semaan von der Justus-Liebig-Universität Gießen (JLU) den ersten Platz gewonnen. Anwar Semaan studiert an der JLU Betriebswirtschaftslehre mit dem Schwerpunkt Vertriebsmanagement. Beim Wettbewerb, der an der University of Wisconin-Whitewater am 7. Oktober 2022 ausgetragen wurde, trat ein Team von fünf Studierenden der JLU gegen rund hundert andere Teilnehmerinnen und Teilnehmer von einer holländischen und ansonsten ausschließlich US-amerikanischen Hochschulen an.
Bildunterschrift: Das Team der JLU Gießen beim Vertriebswettbewerb der American Marketing Association an der University of Wisconin-Whitewater (von links nach rechts): Prof. Dr. Alexander Haas, Anwar Semaan, Amina Kasemi, Svea Lembcke, Chantal Homberg, Mitarbeiterin Jessica Bogenhard, Mitarbeiter Philip Wagner und Jonas Heel. Foto: Carl Dahmen
Im Wettbewerb mussten die Teilnehmenden ihr Können zu Gesprächsführung, Präsentation und Verhandlungen unter Beweis stellen. In zwei Wettbewerben ging es darum, eine Jury aus Unternehmensvertreterinnen und -vertretern in Verkaufsgesprächen von einer Beratungsdienstleistung und in so genannten Pitches von einem Jobangebot zu überzeugen. Im Verhandlungswettbewerb erkämpften sich die JLU-Studierenden Anwar Semaan den ersten Platz und Amina Kasemi den zweiten Platz. Im sogenannten Perfect Pitch-Wettbewerb erreichten Amina Kasemi und Svea Lembcke einen geteilten dritten Platz und Chantal Homberg schaffte die Finalteilnahme vor etwa 80 weiteren Teilnehmenden. Auch der fünfte Teilnehmer der JLU, Jonas Heel, konnte wertvolle Erfahrungen im internationalen Wettbewerb sammeln.
Prof. Dr. Alexander Haas , Professor für Marketing und Verkaufsmanagement, nimmt mit seinen Studierenden, die den Schwerpunkt Vertrieb belegen, jedes Jahr am Wettbewerb in den USA teil. „Mit den Siegen unserer Studierenden ist die JLU das zweitbeste Team des gesamten Wettbewerbs“, sagt Prof. Dr. Alexander Haas. „In den USA haben solche Vertriebswettbewerbe eine lange Tradition. Amerikanische Studierende bereiten sich deshalb sehr intensiv darauf vor. Ich freue mich deshalb besonders, dass wir uns gegen die starke Konkurrenz behaupten konnten und gratuliere Anwar Semaan, Amina Kasemi und Svea Lembcke zu den verdienten Siegen.“
Bereits im Mai 2022 waren Studierende der JLU bei einem internationalen Vertriebswettbewerb erfolgreich: Bei der European Sales Competition in Nijmegen nahmen mehrere Studierende der JLU teil und Anwar Semaan ging als Gesamtsieger hervor.

Die jährlichen Leistungsbewertungen von Mitarbeitenden sind – zumindest in Teilen – subjektiv. Problematisch wird es dann, wenn Leistungsbeurteilungen systematisch verzerrt sind und daher an Aussagekraft verlieren und so Karrierewege beeinträchtigen. Drei Wirtschaftswissenschaftler der Justus-Liebig-Universität Gießen (JLU) haben diese systematische Verzerrung am Beispiel der Leistungsbewertung von Controllerinnen und Controllern untersucht.
Die Wissenschaftler Dr. Sascha Matanovic, Dr. Maximilian Schmidt und Prof. Dr. Arnt Wöhrmann untersuchten in einer experimentellen Studie mit 122 Teilnehmenden, ob Controllerinnen und Controller, die einer Führungskraft negative Nachrichten übermitteln, eine schlechtere Leistungsbeurteilungen erhalten, als bei einer positiven Nachricht.
Das Experiment war so gestaltet, dass der Überbringer der Nachricht selbst keinen Einfluss auf das berichtete Ergebnis hatte. Daher wäre eine identische Leistungsbewertung unabhängig vom berichteten Ergebnis zu erwarten gewesen. Stattdessen konnten die Forscher im Reporting-Kontext das „Shoot the Messenger“ Phänomen zeigen: Controllerinnen und Controller, die schlechte Nachrichten überbringen, werden bei der Leistungsbewertung abgestraft. Sie werden um 15 Prozent schlechter bewertet, auch wenn sie – wie im Experiment – nur die Überbringer der Nachricht sind.
Prof. Dr. Arnt Wöhrmann ist Professor für Managerial Accounting an der Justus-Liebig-Universität Gießen. Foto: JLU/Katrina Friese
Prof. Dr. Wöhrmann sieht das Ergebnis der Studie aber nicht nur als Gefahr für die Mitarbeitenden, sondern auch für die Unternehmen selbst: „Eine Controllerin oder ein Controller wird es sich zweimal überlegen, dem Management schlechte Nachrichten zu übermitteln. Oft gibt es Spielräume bei der Interpretation von Ergebnissen. Es besteht also die Gefahr, dass eine Controllerin oder ein Controller die negative Leistungsbewertung antizipiert und diesen eigenen Spielraum im Reporting entsprechend nutzt – auch zu Lasten des Unternehmens.“
Studiendesign
In einem Experiment mit 122 Studierenden mussten sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer für eines von zwei Investitionsprojekten entscheiden. Im nächsten Schritt erhielt die eine Hälfte einen Bericht des Controllers mit einer positiven und die andere Hälfte einen Bericht mit einer negativen Investitionsentwicklung. Mit der Ausnahme des berichteten Ergebnisses waren die Reports identisch.
Die Probandinnen und Probanden sollten anschließend die Qualifikationen des Controllers in verschiedenen Dimensionen beurteilen. Dabei zeigte sich: wurde ein Bezug zum Bericht gesehen – wie etwa das betriebswirtschaftliche Verständnis des Controllers oder seine Fähigkeit, Informationen strukturiert zu präsentieren –, wurde die Überbringenden der schlechten Nachrichten systematisch negativer beurteilt. Allerdings hat dieser Effekt auch Grenzen. Leistungsdimensionen, die kaum Bezug zum Bericht haben, wie beispielsweise die Einschätzung der Teamfähigkeit, waren nicht signifikant (ca. 6%) verzerrt.
Forschung
Der wissenschaftliche Artikel (peer reviewed) „How Subjective Performance Evaluations of Management Accountants can be Biased by the News that They Report” von Sascha Matanovic, Maximilian Schmidt und Arnt Wöhrmann ist im Magazin Behavioral Research in Accounting erschienen.
DOI: https://doi.org/10.2308/BRIA-2020-012
Das Forschungsprojekt wurde von der Association of International Certified Professional Accountants unterstützt.

Die FAZ hat am 20. September 2022 über die Studie von Prof. Dr. Nicolas Pröllochs zu Hasskommentaren in der politischen Social Media Kommunikation berichtet: https://zeitung.faz.net/faz/rhein-main/2022-09-20/mehr-hass-tweets-gegen-nichtweisse/806213.html
Prof. Dr. Peter Tillmann , Professor für Monetäre Ökonomik an der JLU Gießen, hat mir dem Magazin "LahnDillRegio" über die Energiekrise und die Auswirkungen auf Verbraucherinnen und Verbraucher gesprochen.
Prof. Dr. Peter Tillmann. Foto: Katrina Friese
Der Artikel ist am 19. September 2022 erschienen: https://indd.adobe.com/view/2d122c32-8a82-43fa-94fb-f175cf954dbc (Seite 30)

Prof. Dr. Peter Tillmann , Professor für Monetäre Ökonomik an der JLU Gießen, war als Experte bei „mex.das marktmagazin“ im HR Fernsehen zu Gast. Er hat über die aktuelle Inflation im Vergleich zu den 1970er Jahren gesprochen, wie damals und heute die Zentralbanken darauf reagiert haben und welche Auswirkungen die Inflation auf den Arbeitsmarkt hat. Der Beitrag wurde am 14. September 2022 um 20:15 Uhr ausgestrahlt.
Prof. Dr. Peter Tillmann. Foto: Katrina Friese
Über die Auswirkungen der Inflation auf den Arbeitsmarkt und eine mögliche steigende Arbeitslosigkeit sagt er: „Wir haben eine alternde Gesellschaft, wir haben wenig Migration in den Arbeitsmarkt. Das heißt, wir verlieren potenziell Arbeitskräfte jedes Jahr. Das ist eine andere Situation als in den 70er Jahren, als wir eine relativ junge Gesellschaft waren mit vielen potenziellen Arbeitskräften – das ist jetzt anders."
Der ganze Beitrag in der ARD Mediathek .
Wirtschaftswissenschaftler Prof. Dr. Peter Winker: „Texte von Webseiten sind ein schnell verfügbarer Ad-hoc-Indikator für die Auswirkungen von Krisen. Ihre Auswertung kann dabei helfen, präziser über finanzielle Hilfen zu entscheiden.“
Die pandemiebedingte Wirtschaftskrise ist einzigartig in ihrer Schnelligkeit und dem weltweiten Ausmaß. Auch, wenn aktuell die Corona-Inzidenzen in Deutschland abflachen und sich einige Branchen erholen, bleiben dennoch schwere wirtschaftliche Schäden. Prof. Dr. Peter Winker, Professor für Statistik und Ökonometrie an der Justus-Liebig-Universität Gießen (JLU) hat zusammen mit Kollegen erforscht, welche schnell verfügbaren Indikatoren dabei helfen können, individuellere Hilfsangebote an Unternehmen zu machen.
Drei Fragen an Prof. Dr. Peter Winker
Was war der Gegenstand Ihrer Forschung und wie sind Sie vorgegangen?
Meine Forschungskollegen vom ZEW – Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung Mannheim, vom Unternehmen istari.ai, das auf KI-basierte Analysen von Webseiten spezialisiert ist, und ich wollten wissen, wie sich die Corona-Pandemie auf Unternehmen auswirkt und wie dies möglichst frühzeitig erkennbar ist. Ein solcher Ansatz wiederum kann politischen Entscheiderinnen und Entscheidern dabei helfen, individuellere Hilfsangebote an Unternehmen zu machen.
Wir haben dafür verschiedene Methoden miteinander kombiniert. Im ersten Schritt haben wir direkt zu Beginn der Pandemie im März 2020 eine so genannte „Ad-Hoc Webbased Impact Analysis“ gemacht und dafür über eine Million Webseiten von Unternehmen in ganz Deutschland ausgewertet. Dabei haben wir gemessen, wie häufig Begriffe wie „Corona“, „COVID-19“, „geschlossen“, „eingeschränkt“ und ähnliche verwendet wurden und wie sich diese Häufigkeiten in einem Verlauf von 1,5 Monaten verändert haben. So konnten wir sehr schnell erste Muster erkennen, wie Unternehmen von aktuellen Corona-Regeln betroffen sind und wie sie darauf reagieren. In einem zweiten Schritt wurden diese Daten mit einer später durchgeführten Fragebogenerhebung bei 1.500 Unternehmen abgeglichen. Im dritten Schritt haben wir uns die Daten zur Kreditwürdigkeit von 870.000 Unternehmen in Deutschland daraufhin angeschaut, ob das Ausmaß der früh gemessenen Betroffenheit die spätere Zahlungsfähigkeit beeinflusst hat. Zusammengenommen lässt sich sagen, dass mit der sehr schnell durchgeführten Erhebung bereits ein guter Eindruck gewonnen werden konnte, welche ökonomischen Auswirkungen die Pandemie auf Unternehmen hat.
Was waren die Ergebnisse Ihrer Untersuchungen?
Während der Corona-Pandemie mussten Politikerinnen und Politiker schnelle Entscheidungen treffen, um Unternehmen finanziell zu unterstützen. Häufig wurden die Hilfen dabei pauschal vergeben und konnten dem individuellen Bedarf der Unternehmen nicht gerecht werden. Mit unserer Studie konnten wir zeigen, dass beispielsweise die Analyse von Webseiten es erlaubt, sehr früh Indikatoren zu gewinnen, um Maßnahmen zur Unterstützung von Unternehmen passend auszurichten.
Inwiefern kann ihre Methode auch für andere Situationen angewendet werden ?
Die Grundidee einer gezielten Analyse von Firmenwebseiten und deren Verknüpfung mit anderen Indikatoren lässts ich auf viele weitere Szenarien anwenden. Einige davon werden im Startup istari.ai bereits kommerziell umgesetzt. Im Rahmen eines gemeinsamen Forschungsprojektes mit dem ZEW befassen wir uns beispielsweise aktuell mit der Identifikation von Innovationen auf Firmenebene. Natürlich gibt es auch im Kontext des Ukraine-Kriegs Fragen, die mit der vorgestellten Methodik adressiert werden könnten, beispielsweise im Hinblick auf bestehende Restriktionen durch fehlende Vorprodukte oder Rohstoffe.
Forschung
Der wissenschaftliche Artikel „An Integrated Data Framework for Policy Guidance in Times of Dynamic Economic Shocks” von Peter Winker, Julian Oliver Dörr, Jan Kinne, David Lenz und Georg Licht ist im Februar 2022 im Magazin PLOS ONE erschienen und steht hier zum Download bereit.