Inhaltspezifische Aktionen

Interview mit Prof. Dr. Alexander Haas: „Es gibt häufig nur vorgeschobene Gründe, Führungspositionen nicht mit Frauen zu besetzen, keine rationalen.“

Keine Geschlechterparität im Top-Management

Im Top-Management von großen Unternehmen sind immer noch zu wenige Frauen vertreten. In DAX-40-Unternehmen sind beispielsweise nur durchschnittlich 20 Prozent der Vorstandspositionen mit Frauen besetzt. Prof. Dr. Alexander Haas, Professor für Marketing und Verkaufsmanagement an der Justus-Liebig-Universität Gießen (JLU), forscht und lehrt zu Geschlechterunterschieden in der Unternehmensführung. In einer aktuellen Studie hat er fünf Ursachen identifiziert, die Unternehmen potenziell bei der Entwicklung weiblicher Top-Führungskräfte bremsen.

Prof. Dr. Alexander Haas. Foto: JLU Gießen / Katrina Friese

 

Drei Fragen an Prof. Dr. Alexander Haas

Warum ist die geschlechtliche Gleichstellung in Führungspositionen für ein Unternehmen wichtig und wie ist die aktuelle Situation?

Wissenschaftliche Studien zeigen, dass eine Erhöhung des Frauenanteils im Vorstand die Unternehmen kundenorientierter und langfristig erfolgreicher macht. Um das für Unternehmen verpflichtend zu machen, ist im Jahr 2015 das Führungspositionengesetz (FüPoG) in Kraft getreten. Weil dann aber wenig passiert ist, wurde das Gesetz im August 2021 als FüPoG II erneuert und verschärft. Seit 2021 hat sich in den Vorstandsetagen etwas bewegt und der Anteil der mit Frauen besetzten Vorstandspositionen im DAX 40 hat sich auf nunmehr durchschnittlich 20 Prozent verdoppelt. Von ganz wenigen Ausnahmen abgesehen, sind aber trotzdem deutlich unter 50 Prozent der Vorstandspositionen in großen Unternehmen mit Frauen besetzt.

 

Sie haben zu den Gründen geforscht, warum Frauen im Top-Management unterrepräsentiert sind. Was sind Ihre Ergebnisse?

Meine Kollegin Melina Luisa Marasek und ich haben uns ein Jahr nach Inkrafttreten des FüPoG II die Vorstandspositionen aller DAX-Unternehmen angesehen. Dafür haben wir Daten zur Größe des Vorstands, der Anzahl der Männer und Frauen im Vorstand sowie die Besetzung von sechs ausgewählten Vorstandspositionen zusammengestellt. Auf dieser Basis haben wir fünf Ursachen identifiziert, warum Unternehmen nach wie vor Positionen im Top-Management nicht mit Frauen besetzen: Passivität, Verweigerung, Stereotype, fehlendes Vertrauen und vorgeschobene Gründe. Zusammenfassend sehen wir, dass Unternehmen häufig noch in Stereotypen denken und handeln, Frauen nicht genug vertrauen oder andere Gründe vorschieben, um den Vorstand nicht weiblicher zu besetzen. Oder anders gesagt: Unternehmen erkennen häufig nicht von sich aus Gleichstellung als Chance, sondern agieren erst dann, wenn es politische Vorgaben gibt. Und auch dann werden Vorstandspositionen mehrheitlich an Männer gegeben und dies mit „ein Mann ist besonders durchsetzungsstark“, „unsere Branche ist keine ‚weibliche Branche‘“ oder „der Vorstand ist zu klein, um paritätisch besetzt zu werden“ begründet. Empirisch finden wir Unternehmen, die alle diese Punkte widerlegen.

 

Was ist Ihre Empfehlung für Unternehmen?

Die Vielfalt der Ursachen und deren oft tiefe Verwurzelung im Unternehmen und seiner Kultur machen es Unternehmen nicht leicht, Abhilfe zu schaffen. Aber unsere Analyse zeigt, dass es möglich ist: Wenn es einigen Unternehmen gelingt, warum sollten es nicht auch die anderen schaffen können? Wir appellieren an Unternehmen, ein geeignetes Umfeld zu schaffen, um es Frauen zu ermöglichen, sich bis auf Vorstandsebene zu profilieren. Unsere Analyse zeigt dabei, dass geeignete Frauen für den Vorstand gefunden werden können und dass sie in jeder Branche und auf jeder Vorstandsposition erfolgreich sein können. Entsprechend sind „Begründungen“, warum in der Unternehmensspitze Frauen fehlen, wenig überzeugend.

 

Forschung

Prof. Dr. Alexander Haas hat seine Studie zum Geschlechterverhältnis in Vorständen für das Magazin Harvard Business Manager aufbereitet. Der Artikel „Warum Frauen in Dax-Vorständen fehlen“ ist im November 2022 erschienen.

Schlagwörter
fb02_ncc