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Weibliche Relief-Figur

 

Verfasserin: Waltrud Wamser-Krasznai

 

Halbfigur einer Frauengestalt mit Etagenfrisur, Inv. T I-53


Provenienz: unbekannt.

Zustand: Oberkörper mit Oberarmen, unten gerader Abschluss. Verletzungen an Kinn, Nase, Haaren, Armen und Brüsten.
Massiv. Vorderseite aus der Matrize, Rückseite glatt, leicht konvex.
Feiner gelbbrauner Ton (10YR 7/3-7/5). Bräunliche Bemalung, die am Kopf auf die Rückseite übergreift.
Hellbraun, 10 YR 6/5. Weiße Engobe, keine Farbspuren. 

Maße: H: 7,1 cm; untere B:  4,9 cm; obere B: 3,0 cm; T: 2,1-2,6 cm.


Lit.: Unpubliziert.

 

Beschreibung: Kopf und Oberkörper einer Frau sind annähernd in ein Oval einbeschrieben, das oben in einem sehr flachen Bogen, unten waagerecht, mit leichtem Anstieg nach links, endet. Vor allem an der rechten Seite ist der Rand ein wenig aufgebogen. Die Arme liegen eng am Körper an. Zwei lange, in breite Querstreifen gegliederte Haarsträhnen rahmen das Gesicht und fallen auf die Brust. Zwischen den Enden der Strähnen erscheinen plastisch angegebene gegenläufige Gewandzipfel.
Das Gesicht hat die Form eines hängenden Dreiecks, mit gerundetem Kinn und einer niederen Stirn unter einem dicken in feine vertikale Strähnen gegliederten Haarwulst.  Über den großen leicht gewölbten Augen sind bogenförmige Brauen plastisch herausgearbeitet. Eine breite Nase beherrscht das Gesicht. Der Mund ist geschlossen; die leicht nach oben geschwungenen Lippen sind an den Mundwinkeln nicht verbunden. In der Profilansicht erkennt man eine durch den Abrieb gesteigerte Mikrognathie (Zurückweichen des Kinns).
Eine Parallele in Würzburg [3] steht T I-53 in den Abmessungen, im Haltungsmotiv und in der Haartracht so nah, dass beide auf dieselbe Matrize (Model) zurückgehen müssen. Im Gegensatz zu den Oberkörperfragmenten mit eindeutigen Bruchstellen [4] sind die Statuetten Gießen und Würzburg an ihrem unteren Ende glatt und, ebenso wie die übrige Figur, mit bräunlicher Farbe bemalt. Spuren einer späteren Bearbeitung finden sich nicht. Die Matrize der Exemplare Gießen und Würzburg dürfte von vornherein für die Herstellung von Halbfiguren konzipiert gewesen sein.

Kommentar: Die als Relief gestaltete weibliche Halbfigur trägt eine sog. Stufen- oder Etagenfrisur, ein Charakteristikum dädalischer Zeit (7. Jh. v. Chr.). Typengleiche Terrakotta-Statuetten wurden vor allem aus kretischen Heiligtümern geborgen [1]. Die Frauen sind in lange gegürtete, eng anliegende Gewänder gehüllt und mit einem symmetrischen Schultermäntelchen, dem Epiblema, bekleidet, das – wie bei dem  Exemplar in Gießen – mit zwei Zipfeln oberhalb der Brüste geschlossen ist. Die ausgestreckten Arme liegen eng an den Seiten des Körpers [2].
Eine Parallele in Würzburg [3] steht T I-53 in den Abmessungen, im Haltungsmotiv und in der Haartracht so nah, dass beide auf dieselbe Matrize (Model) zurückgehen müssen. Im Gegensatz zu den Oberkörperfragmenten mit eindeutigen Bruchstellen [4] sind die Statuetten Gießen und Würzburg an ihrem unteren Ende glatt und, ebenso wie die übrige Figur, mit bräunlicher Farbe bemalt. Spuren einer späteren Bearbeitung finden sich nicht. Die Matrize der Exemplare Gießen und Würzburg dürfte von vornherein für die Herstellung von Halbfiguren konzipiert gewesen sein.

Einordnung: 7. Jh. v. Chr., aus Kreta.



[1] Aus Axos: M. Tsipopoulou, Eidolio in Daidalika syllogis mitsotaki, AAA 1981, 289-292 Abb. 15-17; G. Rizza, Le terrecotte di AXÒS, Annuario della Scuola Archeologica di Atene 45-46, 1969, 211-300 Abb. 12, 80 a; aus Knossos: R. A. Higgins, Greek Terracottas (London 1967) 21 Taf. 10 D; O. Pilz, Frühe matrizengeformte Terrakotten auf Kreta (Möhnesee 2011) 194 f. Abb. 4 Taf. 7. 1. 3.4 Taf. 81. 7. Taf. 9 (mit hohem Polos);. W. Güntner, Votivstatuette, in: Die Sammlung Kiseleff II. Martin-von-Wagner-Museum der Universität Würzburg (Mainz 1989) 19-20, Nr. 36, Taf. 11. Aus anderen Werkstätten der östlichen Mittelmeerregion, Ephesos: St. Böhm, Die nackte Göttin (Mainz 1990) 100 Taf. 38 b; M. Dewailly – U. Muss, L'Artémision d'Éphèse. Les offrandes en terre cuite de l'époque archaȉque, in: A. Muller – E. Laflι (Hrsg.), Figurines de terre cuite en méditerranée grecque et romaine 2 (Villeneuve d'Ascq 2015) 501. 513 Abb. 8. 10-12; Thera: Higgins a. O. 23 Taf. 15 H; ebenso J. Chesterman, Classical Terracotta Figures (London 1974) 31 Abb. 16; Milet: C. Schwarz, Dädalische Terrakotten aus Milet, IstMitt 39, 1989, 508 Taf. 49, 1; Großgriechenland: A. Bignasca, Tonplaketten mit weiblichen Figuren, in: P. Blome (Hrsg.), Orient und frühes Griechenland. Kunstwerke der Sammlung H. und T. Bosshard (Basel 1990) 112 f. Abb. 168. 169; L. A. Scatozza Höricht, Le terrecotte figurate di Cuma del Museo Archeologico Nazionale di Napoli (Rom 1987) 45 f. Nr. C Ia 1 Taf. 5; T. Fischer-Hansen, Cat. Campania, South Italy and Sicily Ny Carlsberg Glyptotek (Kopenhagen 1992) 60-63 Abb. 21-28.

[2] Zu unbekleideten Statuetten und anderen Haltungsmotiven wie: Brüste fassen, Bedecken der Pubes mit den Händen: Böhm a. O. 79-81 Taf. 23 c-g. 24. 25 a. b. e. f. 26 c-e. 27 c. d . 30 f. 31 b. 100 Taf. 38 b; Dewailly – Muss a. O. 501. 513 Abb. 8. 10-12; aus Thera: Higgins a. O. 23 Taf. 15 H; ebenso J. Chesterman, Classical Terracotta Figures (London 1974) 31 Abb. 16; aus Milet: Schwarz a. O. 508 Taf. 49, 1. Die Bruststrähnen der Frauenfigur in Basel lassen keine "Stufen" erkennen; sie waren vielleicht in Malerei angegeben, P. Blome, Früharchaische Göttin, in: ders. (Hrsg.), Orient und frühes Griechenland. Kunstwerke der Sammlung H. und T. Bosshard (Basel 1990) 53 Abb. 88.

[3] Sammlung Kiseleff, Güntner a. O. 19 f. Nr. 36 Taf. 11.

[4] G. Rizza – V. S M. Scrinari, Il santuario sull' Acropoli di Gortina I (Roma 1968) 173 Nr. 139 Taf. 13. 173 Nr. 148 b Taf. 23; Tsipopoulou a. O. 289 Abb. 15.