Inhaltspezifische Aktionen

T I-40 Thronende Frau

 

Verfasserin: Waltrud Wamser-Krasznai

 


Thronende Frau, Inv. T I-40  

Prov.: unbekannt.

 

Zustand: Intakt.
Vorderseite aus der Matrize. Rückseite glatt, verstrichen, ebenso die Unterseite,  kein Brennloch.
Heller beige-brauner (10 YR 7/4) Ton, reichlich Engobe; Farbspuren: dunkles Blau am Thron, rot am Schleier, gelb an der Kette.

Maße: H: 10,4 cm; B: 5,6 cm; T: 3,9 cm.

Lit.: D. Graen – M. Recke, Herakles & Co. Götter und Helden im antiken Griechenland (Gießen 2010) 48 f. Abb. 13


Beschreibung: Eine weibliche Gestalt sitzt auf einem Ohrensessel, der sich nach unten leicht verschmälert; die Hände liegen auf den Knien. Ein niedriger Schemel stützt die Füße, die in breiten, geschlossenen Schuhen stecken. Die Frau trägt einen langen, enganliegenden Chiton und einen Mantel, der den Kopf bedeckt und symmetrisch über die Schultern gebreitet ist. Eine Perlenkette schmückt den Hals. Bandartig glattes Haar bildet einen Bogen über der Stirn und fällt bis auf die Schultern. Das längliche Gesicht verjüngt sich gegen das breite Kinn. Die Nase ist kräftig, der Mund geschlossen. Große leicht gewölbte Augen liegen unter gebogenen Brauen.
 

Kommentar: Charakteristisch für die in Attika und im griechischen Kernland, aber auch in Ionien und Großgriechenland zahlreich vertretene Gruppe sind Sessel mit zierlichen `Ohren´ und die fehlende oder kaum abzugrenzende Stephane[1]. An den Funden vom Athener Kerameikos ist eine Entwicklung zu beobachten, die sich vom Typus mit hohem ausladendem Diadem auf einem "Ohrensessel" über Thronende mit kleiner werdendem Kopfschmuck bis zu zierlichen Ohrensesseln, die sich nach unten verjüngen[2], erstreckt. Letztere sind durch den Kontext[3] in frühklassische Zeit datiert. Gelegentlich lässt ein betonter Hinterkopf, wie er bei Exemplaren aus Westgriechenland zu finden ist, an einen Tutulus denken[4]. Ausformungen aus präziseren Matrizen lassen das Stirnhaar als dicken Wulst[5] oder in Form stilisierter Buckellocken, als Wellen oder Zungen erkennen[6]. Zuweilen wird Ohrschmuck plastisch angegeben[7]. Die Gießener Statuette T I-40 hebt sich durch die sorgfältig angegebene Perlenkette von der Gruppe ab, unterscheidet sich von dieser aber auch durch ihren kleinen Kopf, die schmalen Wangen und das glatte, flache Stirnhaar. Ein Exemplar aus Cumae steht ihr am nächsten[8].   

Einordnung: Ende des 1. Viertels des 5. Jhs. v. Chr. Attischer Typus, aus Großgriechenland?




[1] B. Vierneisel-Schlörb, Kerameikos 15. Die figürlichen Terrakotten (München 1997) 29 f. Nr. 81 Taf. 18.

[2] Vierneisel-Schlörb a. O. 27 Nr. 70 Taf. 17. 29 Nr. 80. 81 Taf. 18.

[3] Dies.a. O. 29 f. Nr. 81 Taf. 18. S. 31 Nr. 91 Taf. 20.

[4] L. A. Scatozza Höricht, Le terrecotte figurate di Cuma (Roma 1987) 54 f. Nr. D Ib' 1. 2 Taf. 8 b. c; "aus Italien": U. Liepmann, Griechische Terrakotten, Bronzen, Skulpturen. Kestner-Museum (Hannover 1975) 46 T 19; R. Miller Ammerman, The Sanctuary of Santa Venera at Paestum (Michigan 2002) 98 Nr. 215 Taf. 25.

[5] Aus Attika: D. Burr Thompson, Miniture Sculpture from the Athenian Agora (Athens 41974) Nr. 20.

[6]  Aus Attika: Liepmann a. O. 45 f. T 18; V. Mitsopoulos Leon, Brauron. Die Tonstatuetten aus del Heiligtum der Artemis (Athen 2009) 169 Nr. 434. 436; Vierneisel-Schlörb a. O. 31 Nr. 6.7 Taf. 20; Winter 1, 1903, 48, 5 mit 12 weiteren Beispielen aus Athen und Attika; aus Tanagra: R. Higgins, Tanagra and the Figurines (London 1987) 96 Abb. 109; von Rhodos: C. Blinkenberg, Lindos I. Les petits objets (Berlin 1931) 530 Nr. 2188 Taf. 100; Winter 1, 1903, 52, 2 mit zwei weiteren Beispielen; aus Perachora: J. D. Baumbach, The Significance of Votive Offerings in Selected Hera Sanctuaries in the Peloponnese, Ionia and Western Greece (Oxford 2004) 30 Abb. 2.41; von Paros: O. Rubensohn, Das Delion von Paros (Wiesbaden 1962) 133 f. Nr. T 12. 13. 14 Taf. 23.

[7] Burr Thompson a. O. Nr. 20.

[8] Scatozza Höricht a. O. 55 f. Taf. 8 c verbindet sie mit Koren aus der "Euthydikos-Gruppe", überzeugend für Akr 684, Richter, Korai Abb. 578.