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I/2/II

Geschichte wird in unserer Kultur vorrangig als Abfolge von Ereignissen begriffen. Blicken wir in die Gegenwart so wird niemand ein umfassendes Bild dieser Welt zeichnen können. Neben einer Flut von Informationen, die eine ständige Selektion verlangt, ist man immer dazu angehalten Prozesse einzuordnen, zu deuten und ihnen einen Sinn zuzusprechen. Prozesse haben oft keinen genau bestimmbaren Anfangspunkt, sind schwer als solche zu kennzeichnen und werden teilweise erst erkenntlich, wenn sie sich vollzogen haben. Der Betrachter wird immer wieder dazu gedrängt etwas bereits Vollzogenes anzunehmen, ohne im selben Moment schon eine Erklärung dafür zu erlangen.
Wir reflektieren diesen Prozess und spielen mit der Thematik des sich ständig graduell wandelnden Bildes. Dazu nutzen wir Licht, Ton und drei Performer als grundlegende Bestandteile. Zu welchem Zeitpunkt kann man einen Moment der Veränderung bestimmen. Wann bilden Licht, Ton und Performer eine Symbiose, wann sind sie voneinander völlig unabhängige Elemente, die sich nicht beeinflussen und nicht aufeinander reagieren. In welcher Abhängigkeit stehen diese verschiedenen Elemente zueinander, wie können sie ihre Autonomie behaupten, sich loslösen oder wieder zueinander finden. Wie kann in diesem Zusammenschluss eine Komposition entstehen, die über die Qualität der einzelnen Elemente hinausgeht.
Die Zeit hat die Regie übernommen. In einem dunklen Raum bewegen sich zwei Körper aufeinander zu, drehen sich zum Publikum und entfernen sich wieder. Diesen Prozess wiederholen sie fast über die gesamte Dauer des Stückes hinweg und bewegen sich dabei sukzessiv auf die hinteren Bühnenwand zu. In zeitlich festgelegten Abständen blitzt ein Licht auf und hält Momente dieser Choreographie fest, als ein verschwindendes Bild auf der Netzhaut des Zuschauers. Der Sound, zu Beginn kaum wahrnehmbar, steigert sich zu einem Ohren betäubenden Lärm, um dann wieder langsam zu verschwinden. In einem klar gesetzten Bruch ändert sich alles und könnte den Schluss nahelegen, alles bewegte sich auf das kurzzeitige Öffnen des Vorhanges am Ende der Bühne zu, das nichts mehr freilegt, als eine weiße Wand.
Wir schaffen einen Raum, in dem sich die Dinge durch Wiederholung etablieren. Dabei verändern sie sich so langsam, dass ein Zeitpunkt der Veränderung nicht mehr auszumachen ist.
Alle von uns eingesetzten Mittel: Licht, Sound, Körper in Bewegung stehen nebeneinander, kulminieren und entfernen sich. Sie haben jeweils ihren eigenen Rhythmus. Einen Zeitpunkt, indem sie sich decken und in einem alles erfassenden Rhythmus schwingen, gibt es nicht.
Das Nachbild auf der Netzhaut ist das was dem Betrachter bleibt. Denn nicht dem, was offensichtlich ist, sondern der eigenen Imagination entspringt der besondere Moment.

 

Projekt
von Philipp Bergmann, Matthias Schönijahn; weitere: Carina Premer, Anja Sauer, Philipp Krüger


Bisherige Aufführungen

  • 8.6.2012, Theatermaschine 2012 , Probebühne 2, Schiffenberger Weg 115, Gießen