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Kick-Off-Workshop des UNDIPUS-Projektes (6.-7. Mai 2022, Universität Greifswald)

Das Projekt „(Un)Diszipliniert: Ukrainistik pluralisieren – Den Krieg in der Ukraine verstehen“ (kurz UNDIPUS) ist ein Verbundprojekt, in dem sechs Teilprojekte, vier Disziplinen und drei Standorte vereint sind, nämlich die Universitäten Greifswald, Regensburg und Gießen. Inhaltlich strebt das Projekt UNDIPUS eine institutionelle Stärkung und methodologische Pluralisierung der Ukrainistik an, die gleichermaßen die Vernetzung der Ukraine-Studien in Deutschland und anderen Ländern umfasst. Um diesem Anspruch gerecht zu werden, ist eine multilaterale Perspektive auf die aktuellen Entwicklungen in der Ukraine von außerordentlicher Bedeutung. Im Mittelpunkt steht der Einfluss des Krieges nicht nur auf die Prozesse der Identitätsbildung, sondern auch der Instrumentalisierung der Ukrainistik durch autoritäre und essentialistische gesellschaftliche Diskurse. Methodologisch ist das Projekt an kulturwissenschaftlichen Modellierungen orientiert, die sich etwa auf die Bereiche der postkolonialen Forschung, der Traumatheorie oder der Psychoanalyse stützen, aber auch sprach- und literaturwissenschaftlichen Fragestellungen nachgehen. Ein konstruktiver Dialog zu sämtlichen Versuchen einer „Disziplinierung“ und Mobilisierung des Forschungsgebietes soll durch einen interdisziplinären Austausch ermöglicht werden, der nicht nur die Slawistik, sondern auch andere Fachgebiete einbezieht.

Ein erster Schritt in diese Richtung ist in der Durchführung eines Workshops an der Universität Greifswald im Mai 2022 zu sehen, welcher zugleich als Auftaktveranstaltung des Projekts UNDIPUS konzipiert wurde. Sowohl die Expertise internationaler Gäste als auch die Vorhaben der unmittelbar am Projekt beteiligten Personen erwiesen sich als wertvolle Diskussionsbasis. Die Inhalte der Vorträge, die an dieser Veranstaltung gehalten wurden, sollen kurz vorgestellt werden.

Der erste thematische Block war auf geopolitische, historische und linguistische Fragestellungen der Ukrainistik fokussiert. Zunächst modellierte Sergiy Kudelia (Baylor University, Waco/USA) die Bedeutung von Territorium im Krieg zwischen Russland und der Ukraine, bevor Roman Dubasevych (Universität Greifswald) der Problematik Trauma, Heroism, and War – Never Ending sprach. Den Übergang zu linguistischen Fragestellungen markierte Alla Nedashkivska von der University of Alberta (Edmonton/Kanada), die zum Thema The Main Players in the Landscape of Languages in Ukraine: Ukrainian and Russian in Practices, Beliefs, Challenges, and New Realities referierte. Im Beitrag Scaling the Linguistic Map of Bessarabia beleuchtete Martin Henzelmann (Universität Greifswald) die Problematik der Minderheitensprachen im Budžak in der Ukraine und im Süden der Republik Moldau.

Im zweiten thematischen Block standen Regionalstudien im Vordergrund, die die Relevanz bestimmter historischer Gebiete würdigten, aber auch ihre punktuelle geopolitische Sprengkraft aufschlüsselten. Kai Struve von der Martin-Luther-Universität Halle skizzierte einleitend die Problematik Upper Silesia between Germany and Poland: Politics, Society, and Competing Historical Narratives in 19th and 20th c . Der nachfolgende Vortrag mit dem Titel Re-Awakened Separatist Sentiment in the Donbas: From Potential Threat to ‘People’s Republics’ von Marta Studenna-Skrukwa (Adam-Mickiewicz-Universität Poznań) vertiefte komplexe inhaltliche Aspekte separatistischer Tendenzen im Donbas. Die Ausführungen zu A Region in Literary Studies: Possible Perspectives on a Research Object von Oleksandr Zabirko und Alina Strzempa (beide Universität Regensburg) zielten darauf ab, die Ansichten über Region und Regionalismus in der Geschichtswissenschaft sowie in den Kultur- und Literaturwissenschaften kontrastiv gegenüberzustellen.

Tarik Cyril Amar von der Koç Universität in Istanbul wurde anschließend als Keynote-Speaker zugeschaltet. Sein gedanklicher Ansatz bestand darin, den Konflikt zwischen Russland und der Ukraine aus der Perspektive einer „Nähe“ bzw.  „Distanz“ zueinander neu zu diskutieren.

Der dritte Themenblock beleuchtete politische, kulturelle und literarische Tendenzen. Zunächst sprach Valeriya Korablyova von der Karls-Universität Prag zur Problematik Getting ‘Away from Moscow’: Ukraine’s Performative Decolonization and its Phronetic Citizenry und beschrieb Muster des Widerstands an der Basis gegen die russische Aggression in der Ukraine. Maria Sonevytsky (Bard College, New York) stellte anschließend das dritte Kapitel ihrer sich im Entstehungsprozess befindlichen Monographie über das Musikalbum „Tanci“ der bekannten ukrainischen Ethnopunkrock-Band „Vopli Vidopljasova“ (1989) im Redebeitrag Unlearning the ‘Russkiy Mir’: Punk Rock, Politics of Language, and Colonial Consciousness in Late Soviet Kyiv vor. Alexander Chertenko von der Justus-Liebig-Universität Gießen konzentrierte sich auf die schwierige Beziehung zwischen dem Weiblichen und dem Militärischen in der ukrainischen Literatur bei Autorinnen, die ihre Werke nach 2014 auf den Markt brachten (“ Oh God [...] tame the berserk in us“: On Difficulties of Writing "Nationally Minded" Herstories of War ). Abschließend theorisierte Olga Plakhotnik von der Universität Greifswald die Thematik Sexual Citizenship in Ukraine: Borderland, Border-Thinking and War und griff die multiplen Vorstellungen von Zugehörigkeit und Identität auf, die in LGBT+-Gemeinschaften in Charkiv angefochten und verhandelt werden.

Es bleibt festzuhalten, dass der Workshop dazu beitragen konnte, die Begleitumstände der gegenwärtigen kriegerischen Auseinandersetzungen auf ukrainischem Boden aus sehr unterschiedlichen Blickwinkeln aktuell zu beleuchten und gemeinsame theoretische Rahmenbedingungen für das Projekt UNDIPUS auszuloten. Die einzelnen Forschungsvorhaben verstehen sich daher auch als Plattform für einen entsprechenden Austausch und möchten auch künftig zu einem kritischen Monitoring der Ereignisse sowie zur reflektierten wissenschaftlichen Aufarbeitung der Geschehnisse beitragen.

Martin Henzelmann



UNDIPUS-Workshop “Decolonizing Ukrainian Studies” (8.-9. Dezember 2022, ZOiS/ZfL, Berlin)


Seit Russland am 24. Februar 2022 seinen Krieg gegen die Ukraine begonnen hat, steht die Ukraine nicht nur in der deutschen Öffentlichkeit und Wissenschaft, sondern auch weltweit im Fokus. Viele Veranstaltungen zum Thema haben allerdings aufgezeigt, dass die Beschäftigung mit dem laufenden Krieg und seinen Auswirkungen auf die ukrainische Gesellschaft und Kultur, sowie die Ukraine-bezogene Forschung im Allgemeinen häufig von einer ethisch begründeten strategischen Verengung der methodischen Ansätze und analytischen Instrumente geprägt sind. Die bewusste Einbeziehung ukrainischer Stimmen hat hier keine wesentliche Änderung gebracht. Dies umso mehr, da viele ukrainische Sprecher*innen ein "Canceling" der russischen Kultur als imperialer Kultur und der Kultur des Aggressors forderten. Versuche, den Diskurs über die Ukraine und den Krieg zu entradikalisieren, wurden wiederum oft als "Westsplaining" abgetan. Dies schloss öffentliche wie wissenschaftliche Diskussionen über die interkulturellen Einflüsse und Verflechtungen weitestgehend aus.

Wie sollten (und könnten) die Ukraine - und der Krieg in der Ukraine - in ihrer ganzen Komplexität erforscht und besprochen werden? Wie können historische, politische, wirtschaftliche, soziale und kulturelle Verflechtungen adäquat analysiert werden? Welche Themen oder methodischen Ansätze sind aus ethischen Gründen, oder weil sie vermeintlich "dem Aggressor in die Hände spielen", besonders umstritten? Wie kann eine Neuorientierung der Osteuropastudien und Slavistik auf die Ukraine und andere "kleine" Slavinen methodisch, institutionell und strukturell durchgeführt werden? Auf welche Weise können die Ergebnisse einer solchen Neuorientierung Entscheidungsträger*innen und Politiker*innen zugetragen werden?

Der UNDIPUS-Workshop, der vom UNDIPUS-Projekt gemeinsam mit dem Zentrum für Osteuropa- und internationale Studien (ZOiS) und dem Leibniz-Zentrum für Literatur und Leibniz-Zentrum für Literatur- und Kulturforschung (ZfL) organisiert wurde, knüpfte an diese Debatten an. Dabei versuchten die Referent*innen, einen Zusammenhang zwischen der aktuellen Diskussion um die „Dekolonisierung“ der Ukraine und dem in den transnationalen Postcolonial und Decolonial Studies entwickelten Begriffsapparat herzustellen. Das Ziel war, das analytische Potenzial der post- und dekolonialen Begrifflichkeiten im Kontext der Ukraine-Studien auszuloten und neue Ideen sowie theoretische Modelle zur Erklärung des aktuellen Krieges zu entwickeln. Angesichts der Komplexität und des dynamischen Charakters globaler kolonialer Beziehungen strebte der Workshop danach, den wissenschaftlichen Dialog über die Perspektiven des Dekolonisierungsprojekts in der Ukrainistik zu fördern, ohne hierbei die zunehmende politische Instrumentalisierung der dekolonialen Terminologie außer Acht zu lassen.

Der Workshop wurde am 8. Dezember 2022 mit der Podiumsdiskussion "Navigating Ukrainian Studies in Time of War" am ZOiS eröffnet. Am 9. Dezember fand am ZfL der „akademische“ Teil der Veranstaltung statt, in dessen Mittelpunkt drei Impulsvorträge standen (siehe Programm).

Panel Discussion “Navigating Ukrainian Studies in Time of War”; December 8, 2022 (Thursday), 18:30-20:00, ZOiS, Mohrenstraße 60, 10117 Berlin

Presenters:

Chair:

Matthias Schwartz (ZfL)


Workshop “Decolonizing Ukrainian Studies”; December 9, 2022 (Friday), 9:30-18:00, ZfL, Schützenstraße 18, 10117 Berlin

9:30-9:45 Opening

9:45-11:00 Session 1: Keynote Ina Kerner (University of Koblenz)

Problematizing Colonial Logics and Legacies: Post- and Decolonial Theories

11:00-11:30 Break

11:30-13:00 Session 2: Keynote Inna Melnykovska (CEU Budapest/Vienna)

Ukraine's Reconstruction through Economic Integration: Forward to What (Post-Colonial) Capitalism?

13:00-14:30 Lunch

14:30-16:00 Session 3: Keynote James Mark (University of Exeter)

Eastern Europe in the Global History of Decolonization

16:00-16:30 Break

16:30-18:00 Session 4: Arts and Literature. Moderated by Roman Dubasevych and Oleksandr Chertenko

18:00-18:30 Closing remarks

UNDIPUS-Workshop "Pluralizing Ukrainian Studies in Times of Turmoil" (27.-28. März 2023, Universität St. Gallen, Schweiz)

Der Workshop „ Pluralizing Ukrainian Studies in Times of Turmoil “ wurde vom UNDIPUS-Projekt in Zusammenarbeit mit dem Center for Governance and Culture in Europe der Universität St. Gallen unter tatkräftiger Beteiligung von Prof. Dr. Ulrich Schmid , Dr. Oleksandra Tarkhanova und Alexander Meienberger organisiert. Das Hauptziel der Veranstaltung bestand in der Diskussion von den wichtigsten methodischen Herausforderungen und offenen Fragen, mit denen sich die aktuelle Ukraine-Forschung konfrontiert sieht. Zu diesem Zweck luden die Teilnehmer*innen des UNDIPUS-Projekts ihre Kolleg*innen aus der Schweiz ein, um die Vorträge zu kommentieren oder in Zweiergruppen zu referieren. Auf diese Weise sollte die Vielfalt der Perspektiven auf die Kernthemen des Verbundprojekts aufgezeigt werden, zu denen vor allem historisch-kulturelle Traumata und Heldentum, Sprachenvielfalt, Regionalismus, Sexualität und Gender gehören.

Das Programm können Sie auch hier entnehmen.

DAY 1. Monday, March 27, 2023



10:00 Workshop opening

10:15-11:30 Session 1

Roman Dubasevych (U Greifswald)

Trauma, Heroism, and War

Discussant: Ulrich Bröckling (U Freiburg i. Br.)

Moderator: Tatjana Hofmann (Collegium Helveticum, ETH Zurich)

11:30-11:45 Coffee break

11:45-13:00 Session 2

Martin Henzelmann (U Greifswald)

Tracing Language Contact in Southern Bessarabia

Elena Denisova-Schmidt (U St. Gallen)

Language of Corruption in Ukraine: Some Insights from Business, Higher Education, and Society

Moderator: Svitlana Ovcharenko (Genève Graduate Institute)

13:00-14:30 Lunch

14:30-15:45 Session 3

Oksana Myshlovska (U Bern)

The Government and Its Regionally-Based Challengers: Trajectories of Contention and Radicalization During Yushchenko Presidency

Oleksandr Zabirko , Alina Strzempa (U Regensburg)

After the Collapse of the Soviet Union: Intercultural Literary Negotiations about the Donbas and Upper Silesia in Comparative Perspective

Moderator: Olena Palko (U Basel)

16:00-18:00 Podium discussion “Future of Ukrainian Studies”

Since the full-scale Russian attack on Ukraine in February 2022, we have witnessed a significant growth of interest in Ukraine on scholarly and public levels. European societies' need for expertise in Ukraine coincides with the relocation/displacement of many Ukrainian scholars who fled the war and are hosted now by European universities. In these circumstances, collaboration and knowledge exchange between Slavists and Ukrainian scholars can be very promising, and Ukrainian Studies as an academic area can gain momentum for further intensive development. At the same time, there are questions regarding the (self-)positioning of "Ukrainian voices" in Western academia and public discourse. What kind of knowledge about Ukraine is most supported and welcomed? Which theoretical paradigms are privileged, which are not, and for what reasons? Another set of concerns focuses on the institutional aspects. What implications has the temporarily supported presence of Ukrainian scholars on the global academic market? What are structural changes needed to accommodate the new demands? And how do they relate to the much-discussed slogans of "decolonization" and "decentering" of Western academic institutions?

Today, a profound discussion about the future of Ukrainian Studies in both methodological and institutional terms is much needed. As numerous events on the topic have shown, the study of the ongoing war and its effects on Ukrainian as well as European society is often hindered by the politically motivated concerns of not being weaponized by Russian propaganda and not "playing into the hands of the aggressor." Given this complexity, we may ask: How to research Ukraine today? How could a re-orientation of East European and Slavic Studies toward Ukraine and other "minor" cultures be carried out on methodological, institutional, and structural levels? In what ways can the results of such re-orientation be transferred to the decision- and policymakers?

Panelists : Olena Palko (Basel), Ulrich Schmid (St. Gallen), Benjamin Schenk (Basel), Alexander Chertenko (Giessen)

Moderator : Maria Mayerchyk (Greifswald)

The flyer can be found here .



DAY 2. Tuesday, March 28, 2023



10:00-11:15 Session 4

Alexander Chertenko (U Giessen)

Nationalizing Women? L’écriture feminine and Ukrainian Identity Debates before and after February 2022

Marta Havryshko (U Basel)

Sexual Violence, War, and Militarism: Challenges in Ukrainian Studies

Moderator: Maria Mayerchyk (U Greifswald)

11:15-11:30 Coffee break

11:30-12:45 Session 5

Olga Plakhotnik (U Greifswald)

Contested Categories in Social Science: Gender, Sexuality, and Citizenship

Discussants: Oleksandra Tarkhanova (U St. Gallen) & Yuliia Soroka (U Fribourg/Freiburg)

12:45-14:30 Lunch

16:00-18:00 Movie screening and discussion “Мої думки тихі” (“My Thoughts Are Silent,” 2019)

Discussant: Nataliya Tchermalykh (U Genève)

Moderator: Roman Dubasevych (U Greifswald)

18:00-18:30 Concluding remarks

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