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1. Entwicklung verstehen, nachhaltig behandeln: Klinische Psychologie und Psychotherapie der lebensspanne

Entwicklung verstehen, nachhaltig behandeln: Klinische Psychologie und Psychotherapie der Lebensspanne

Die weitreichenden negativen Auswirkungen psychischer Störungen auf das Individuum, seine Familie und die Gesellschaft als Ganzer rücken zunehmend in das Zentrum der Aufmerksamkeit von Wissenschaft und Gesundheitspolitik. In Deutschland leisten psychische Störungen den größten Beitrag zur Verursachung von Frühverrentungen. Psychische Störungen fallen jedoch nicht erst im Erwachsenenalter plötzlich vom Himmel, sondern beginnen in Kindheit und Jugend. Frühe psychische Störungen können negative Entwicklungskaskaden in Gang setzen, die mit schweren und multimorbiden Verläufen im Erwachsenenalter enden. Um dies besser zu verstehen und nachhaltige Maßnahmen für Prävention und Therapie entwickeln zu können, benötigen wir einen Paradigmenwechsel: die meist statische klinisch-psychologische Forschung muss dringend um eine Perspektive ergänzt werden, die die gesamte Lebensspanne betrachtet. Umfassendes biopsychosoziales Wissen über normale, adaptive Entwicklung ist Voraussetzung für ein angemessenes Verständnis der Entwicklung psychischer Störungen und für die Förderung psychischer Gesundheit. Forschung zu normaler und abweichender Entwicklung über die gesamte Lebensspanne muss Hand in Hand gehen. Nur so kann früh, effizient und nachhaltig interveniert werden, statt später und mit hohen individuellen sowie gesellschaftlichen Kosten chronifizierte Verläufe behandeln zu müssen, wie dies gegenwärtig leider viel zu häufig der Fall ist. Im Vortrag wird zunächst ein entwicklungspsychopathologisches Modell dargestellt. Darauf aufbauend wird anhand ausgewählter Grundlagen- und Interventionsstudien mit Kindern und Jugendlichen die Bedeutung des Lebensspannenansatzes für eine erfolgreiche Bewältigung der Herausforderungen an die psychische Gesundheit gezeigt. Am Beispiel von Regulationsproblemen und Angststörungen wird insbesondere auf die Bedeutung von Lernen als wichtiger Mechanismus für Entwicklung und familiale Transmissionsprozesse eingegangen und schließlich werden entwicklungspsychopathologische Therapiefragestellungen vorgestellt. Ein Paradigmenwechsel hin zu einer Klinischen Psychologie der Lebensspanne erfordert einen langen Atem, beinhaltet aber eine nachhaltige Strategie für die Verbesserung der psychischen Gesundheit ab der ersten Zelle.

 

Prof. Dr. Silvia Schneider ist Professorin für Klinische Kinder- und Jugendpsychologie und Direktorin des Forschungs- und Behandlungszentrums für psychische Gesundheit an der Ruhr-Universität Bochum. Sie verfügt über langjährige und umfassende Erfahrung in der Durchführung von (1) (klinischen) prospektiven Längsschnittstudien und randomisierten Interventionsstudien bei Kindern, ihren Familien und Erwachsenen, (2) experimentellen und Verhaltensbeobachtungs-Studien bei Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen und (3) Expertise in der Entwicklung und Durchführung von altersgerechten Assessments zum psychischen Gesundheitszustand bei Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen. Auf der Grundlage der Entwicklungspsychopathologie konzentriert sich ihre Forschung auf die Ätiologie und Behandlung psychischer Störungen über die gesamte Lebensspanne hinweg, wobei ihr besonderes Interesse der klinischen Forschung an Säuglingen und Kleinkindern sowie den Mechanismen der familiären Weitergabe psychischer Störungen gilt. Seit 2021 ist sie Koordinatorin des Bochumer Standorts des Deutschen Zentrums für Seelische Gesundheit, einem vom Bundesministerium für Forschung und Bildung geförderten Exzellenzzentrum.

 

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