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Wo ist der Stratosphärenballon?

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Studierende der JLU lassen einen Stratosphärenballon steigen. Dabei wollen sie den Einfluss der kosmischen Strahlung auf Bakterien untersuchen. FOTOS: SEG © SEG

Studierende der Justus- Liebig-Universität Gießen wollen einen Stratosphärenballon mit mehreren Sensoren bis auf 36 Kilometer Höhe steigen lassen. Der Start endet wegen des Windes fast mit einer Panne. Die Situation kann gelöst werden. Doch die Wissenschaftler stehen vor einem neuen Problem: Der Ballon ist weg. Ist er zwischen Butzbach und Friedberg gelandet?

In Französisch-Guayana lässt die Europäische Weltraumorganisation (ESA) die Ariane-Raketen ins All starten. Der Ort gilt als einer der am günstigsten gelegenen Weltraumbahnhöfe, was mit der Nähe zum Äquator und der optimalen Flugbahn zu tun hat. Studierende der Justus-Liebig-Universität (JLU) Gießen wollten am Mittwoch nicht ganz so hoch hinaus wie die Ariane-Raketen. Aber um einen Stratosphärenballon mit Messinstrumenten auf 36 Kilometer Höhe zu bringen, mussten auch sie einen guten Ausgangspunkt wählen.

Kurz bevor es losging, wurde der Abflugort auf dem Campus sogar extra umverlegt - wegen des Windes. Am Ende wurde der Start für die rund Hundert Zuschauer trotzdem spannender als gedacht - und kostete die Sonde einen ihrer Flügel. Zu allem Überdruss haben die Forscher dann auch noch den Kontakt zum Ballon verloren und bitten jetzt die Bevölkerung um Hilfe bei der Suche.

Ein Projekt mit Wow-Effekt

Bevor der Stratosphärenballon überhaupt abheben kann, muss er aufgebaut werden. Die Studierenden legen dazu unter Anweisung von Projektleiterin Stephanie Käs und Professor Sören Lange - beide vom II. Physikalischen Institut der JLU - weiße Stoffhandschuhe an. Dann wird der Gummiballon aus seinem Karton befreit. Käs sagt: »Die Hülle darf weder den Boden noch die Haut berühren.« Denn schon ein kleiner Riss könnte die Reise des Ballons frühzeitig beenden. Auffällig bei den Vorbereitungen ist die hohe Zahl an Frauen unter den Physik-Studierenden. Gibt es einen Wandel bei der Geschlechterquote in dem Fach? »Nein«, sagt eine Studentin. »In meinem Jahrgang sind 30 Männer und nur drei Frauen.« Käs glaubt, das sei bei diesem Projekt anders, weil es von Studentinnen initiiert wurde. Vielleicht hat gerade das dazu geführt, dass sich auch vermehrt Studentinnen dafür begeistert haben. So sagt Selin Demirci: »Ich finde das ganze Projekt spannend.« Und Jennifer Döring sagt: »Das ist einfach etwas ganz anderes als andere Versuche. Hier gibt es einen Wow-Faktor.«

Inzwischen ist der Stratosphärenballon ausgepackt und wird durch einen Schlauch mit Helium befüllt. Die »Payload«, also die Nutzlast des Ballons, wiegt 1,6 Kilogramm. »Wir starten mit zwei Projekten«, sagt Käs. Zum einen werde mit einem »MuonPi«-Sensor die kosmische Strahlung gemessen. Das zweite Projekt beinhalte biologische Proben - wie Sporen und E-Coli-Bakterien. »Wir untersuchen, wie sie auf den Stress des Flugs, also Temperatur, Luftdruck und Strahlung, reagieren.« Lange schätzt, dass der Ballon rund zweieinhalb Stunden Flugzeit hat. »Dann platzt er.« Denn wegen des mit zunehmender Höhe abnehmenden Luftdrucks dehnt sich die Gummihülle immer weiter aus. »Das Volumen vergrößert sich dabei um den Faktor vier.«

Funkkontakt abgebrochen

Dann soll die Styroporbox mit den Sensoren an einem roten Fallschirm zur Erde zurücksegeln. Die Forscher können die Reise dabei live mitverfolgen und die Box schließlich am Landeort einsammeln - so zumindest der Plan.

Zuvor muss aber erst einmal der Start klappen. »Als das letzte Mal Studenten einen solchen Versuch gemacht hatten, ist der Ballon gegen das IFZ-Gebäude gekracht«, sagt Käs. Diesmal werden deshalb Vorkehrungen getroffen: Der Abflugort wird wegen des Windes kurzfristig verlegt, und ein Testballon wird vorausgeschickt. Der fliegt nach Süd-Westen - perfekt.

Nach einem Countdown wird der Stratosphärenballon losgelassen. Plötzlich dreht der Wind nach Norden, der Ballon fliegt auf einen Baum zu und bleibt hängen. Nichts geht mehr. Die Zuschauer laufen zum Baum, um besser zu sehen, was jetzt passiert. Ungläubige Blicke bei den beteiligten Studierenden. Doch ein beherztes Schütteln und Rütteln am Baum rettet die Lage. Lediglich ein Flügel bleibt auf der Erde zurück, während die Forschungsinstrumente in den Himmel entschweben. Jubel bei den Studierenden, und Käs sagt: »Der Flügel ist nicht so dramatisch.«

Wenige Stunden später dann die nächste schlechte Nachricht. »Wir können den Ballon nicht finden«, sagt Käs. »Der Funkkontakt ist abgebrochen.« Sie vermutet, dass das Forschungsgerät zwischen Butzbach und Friedberg gelandet ist, vielleicht auch noch weiter Richtung Frankfurt.

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