Symposium 1.1: Prävention, Rehabilitation, Krankheitsverarbeitung 1
Raum: Hörsaal 1
Vorsitz:
Peter Kropp
Christoph Kowalski
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15:50 Uhr: Dennis Jepsen: Muster sexuellen Risikoverhaltens bei jungen Erwachsenen
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Der Zusammenhang von Stressüberzeugungen und der täglichen affektiven und kardiovaskulären Stressreaktion
Laferton J 1, Euteneuer F 2, Salzmann S 3, 4, Kunas S 1, Zimmermann-Viehoff F 5, Fischer S 6
1 HMU Health and Medical University, Potsdam
2 MSB Medical School Berlin, Berlin
3 HMU Health and Medical University, Erfurt
4 Philipps-Universität Marburg, Marburg
5 Ernst-von-Bergmann-Klinikum Potsdam, Potsdam
6 Universität Zürich, Zürich
Hintergrund: Die Überzeugung, dass Stress schlecht für Gesundheit und Leistung ist (Stress Beliefs), ist in den letzten Jahren als potentieller Risikofaktor für beeinträchtigte geistige und körperliche Gesundheit und sogar für erhöhte Sterblichkeit identifiziert worden (1,2). Um mögliche Mechanismen für den Zusammenhang von Stress Beliefs und Gesundheit zu identifizieren, soll in dieser Studie untersucht werden, wie negative Stress Beliefs die affektive und kardiovaskuläre Reaktion auf alltäglichen Stress beeinflussen.
Methoden: Gesunde junge Erwachsene (Zielgröße N = 80) wurden zu Beginn der Studie und anschließend an 7 aufeinanderfolgenden Tagen einem ambulatorischen Assessment ihrer täglichen Stressreaktionen unterzogen. Die Stress Beliefs wurden zu Beginn der Studie mit Hilfe der Beliefs about Stress Scale ermittelt. Das ambulatorische Assessment bestand aus 3 täglichen Smartphone-gestützten Abfragen zu den täglichen Stressoren, affektiven und verhaltensbezogenen Stressreaktionen. Zusätzlich wurde die Herzfrequenz und die Herzfrequenzvariabilität kontinuierlich aufgezeichnet. Das Studiendesign und die Hypothesen wurden unter osf.io/2knvf. Präregistriert.
Ergebnisse: Es handelt sich um eine laufende Studie, die bis Herbst 2023 abgeschlossen sein soll. Vorläufige Analysen unseres Datensatzes (n=55) ergaben eine signifikante Cross-Level-Interaktion zwischen negativen Stress Beliefs und der affektiven Reaktion auf täglichen Stress (B=.147; 95-CI .08 bis .21; p<.001). Simple Slope Analysen deuteten darauf hin, dass Personen mit relativ hohen negativen Stressüberzeugungen einen stärkeren Anstieg des negativen Affekts als Reaktion auf den täglichen Stress erlebten als Personen mit niedrigen negativen Stressüberzeugungen. Ein Zusammenhang zwischen Stressüberzeugungen und Herzfrequenz (& Variabilität) wurde nicht festgestellt.
Diskussion: Die vorläufigen Ergebnisse replizieren frühere Erkenntnisse über die moderierende Rolle von Stress Beliefs bei täglichen affektiven Stressreaktionen (3). Ob die stärker ausgeprägte affektive Stressreaktion für die Auswirkungen negativer Stressüberzeugungen auf die langfristige Gesundheit verantwortlich ist, muss weiter untersucht werden.
Beitragserklärung:
Interessenskonflikte:
Der korrespondierende Autor erklärt, dass kein Interessenskonflikt bei den Autoren vorliegt.
Erklärung zum Ethikvotum:
Es liegt ein positives Ethikvotum vor.
„Man muss ja immer so selber seinen Umgang damit finden (…)“ – Selbstmanagement junger Erwachsener mit chronischen Erkrankungen im Peer-Kontext
Röhnsch G 1, Flick U 1
1 Freie Universität Berlin, Berlin
Hintergrund: Gesundheitsversorgung in Deutschland ist vom Wandel hin zu ambulanter Versorgung gekennzeichnet. Chronische Erkrankungen werden daher meist im privaten Umfeld bewältigt. Menschen mit chronischen Erkrankungen müssen ihre Beeinträchtigung in den Alltag integrieren und krankheitsspezifische Erfordernisse gegen alltägliche Bedürfnisse abwägen [1]. Solche Abwägungen im Rahmen des krankheitsbezogenen Selbstmanagements sind an einen lebensweltlichen Kontext gebunden und werden u.a. von Erfahrungen/Erwartungen von Bezugspersonen beeinflusst. Im Fall junger Erwachsener mit chronischen Erkrankungen (JEmCE) sind dies oft Gleichaltrige. Wie stellt sich für junge Erwachsene der Umgang mit ihrer Erkrankung im Beziehungsnetzwerk dar, und wie beschreiben Peers ihre Rolle im Kontext des Selbstmanagements von JEmCE? Solchen Fragen soll anhand von Ergebnissen einer DFG-geförderten Studie nachgegangen werden.
Methoden: Mit N=60 JEmCE (Durchschnittsalter: 24,8 Jahre; 44 Frauen-16 Männer) (Typ-1-Diabetes; Krebs; chronisch-entzündliche Darmerkrankungen; seltene Erkrankungen) sowie N=30 Peers (enge Freund*innen/Partner*innen) (Durchschnittsalter: 26 Jahre; 16 Frauen-14 Männer) wurden episodische Interviews geführt und thematisch kodierend ausgewertet.
Ergebnisse: Den Studienergebnissen gemäß unterscheiden sich JEmCE, ob sie a) im Umgang mit der Erkrankung Normalität herzustellen und krankheitsbezogene Anforderungen und soziale (Zugehörigkeits-) Bedürfnisse auszugleichen versuchen; b) krankheitsspezifische Bedürfnisse fokussieren und Peers eine untergeordnete Rolle im Krankheitskontext einräumen; c) ihre Erkrankung im Alltag zurückstellen und Akzeptanz durch Peers für wichtiger halten. Interviewte Peers differieren, inwieweit sie das Selbstmanagement von JEmCE kontrollieren wollen. So können sie direktiv oder non-direktiv versuchen, JEmCE zu einem vermeintlich ‚gesünderen‘ Krankheitsverhalten anzuregen und sie vor sozialen ‚Verführungssituationen‘ zu bewahren. Sie können aber auch das Selbstmanagement ihrer Freund*innen/Partner*innen (ggf. notgedrungen) akzeptieren.
Diskussion: Die Studienergebnisse verdeutlichen die Bedeutung außerfamiliärer Bezugspersonen wie Peers für das (auf chronische Erkrankungen bezogene) Selbstmanagement. In der Versorgung von JEmCE sollte die starke lebensweltliche Prägung des Selbstmanagements, die sich etwa im Kontext von Gleichaltrigen-Beziehungen vollzieht, verstärkt berücksichtigt werden. Schulungen zum Umgang mit chronischen Erkrankungen sollten sich nicht nur an JEmCE und deren Familienangehörige richten, sondern auch an ihre engen Freund*innen/Partner*innen.
Referenzen:
- [1] Schaeffer D, Haslbeck J. Bewältigung chronischer Krankheit. In: Richter M, Hurrelmann K, editors. Soziologie von Gesundheit und Krankheit. Wiesbaden: Springer VS; 2016. p. 243-256.
Beitragserklärung:
Interessenskonflikte: Der korrespondierende Autor erklärt, dass kein Interessenskonflikt bei den Autoren vorliegt.
Erklärung zum Ethikvotum: Es liegt ein positives Ethikvotum vor.
Gesundheitsförderung im Betrieb - eine Analyse des BGF-Zusatzmoduls zum COPSOQ
Häberle N 1, Nübling M 1, Quernes M 1, Vomstein M 1, Kleine-Albers A 1, Nolle I 1, Lincke HJ 1
1 Freiburger Forschungsstelle für Arbeitswissenschaften GmbH (FFAW), Freiburg
Hintergrund: Seit 2018 besteht zum Copenhagen Psychosocial Questionnaire (COPSOQ) ein optionales Zusatzmodul zu den Angeboten der betrieblichen Gesundheitsförderung (BGF), welches den Betrieben aufzeigen soll, an welchen Maßnahmen die Beschäftigten Interesse haben. Die Maßnahmen der BGF können in den Betrieben die Arbeitsbedingungen und Arbeitsorganisation verbessern wie auch die persönlichen Kompetenzen der Beschäftigten stärken [1].
Methoden: Der COPSOQ ist ein etablierts Instrument zur Analyse psychischer Arbeitsbelastungen [2]. Das BGF-Modul der FFAW GmbH beinhaltet eine Frage zu dem Interesse an 11 verhältnis- und verhaltensbezogenen Maßnahmen der BGF. Für die Interessensbekundung liegt ein dichotomes Antwortformat „ja/ nein“ vor (Punktwert 0-100). Die Analyse basiert auf Angaben von 14.433 Beschäftigten aus 24 Betrieben, die zwischen 2019 – 2023 mit dem COPSOQ befragt wurde.
Ergebnisse: Von den 11 BGF-Maßnahmen werden Gesundheits-Check-up, Entspannungstechniken und Ergonomie am Arbeitsplatz bevorzugt (Mittelwerte zwischen 55-57 Punkte). Weniger werden Angebote zu Mobbing-Prävention/ Fairness am Arbeitsplatz oder soziale und psychologische Beratung gewünscht. Es bestehen Unterschiede nach Strukturmerkmalen wie Alter, Geschlecht und Position sowie Wirtschaftszweig-/ Berufszugehörigkeit. In der Korrelation mit den COPSOQ Skalen zeigt sich: Entgrenzung korreliert positiv mit dem BGF-Angebot „Führungskräfteentwicklung“ (Pearson’s r = 0.28, p < .001) und der allgemeine Gesundheitszustand korreliert negativ mit „Soziale- und psychologische Beratung“ (r = -0.26, p < .001).
Diskussion: Insgesamt folgen die Ergebnisse weitgehend den Befunden aus anderen Studien zur Inanspruchnahme und zum Angebot von BGF-Maßnahmen. Eine zielgruppenspezifische Ausrichtung ist dabei von hoher Relevanz. Für die betriebliche Praxis stellt sich das BGF-Modul zum COPSOQ als hilfreiches Instrument zur Konzeption der Maßnahmen heraus. Von Bedeutung ist, dass nach der Analyse die Umsetzung der BGF-Maßnahmen erfolgt und deren Wirksamkeit im Zuge einer Wiederholungsbefragung mit dem COPSOQ evaluiert werden.
Referenzen:
- [1] Ludwig S, Starker A, Hermann S, Jordan S. Inanspruchnahme von Maßnahmen der betrieblichen Gesundheitsförderung in Deutschland – Ergebnisse der Studie „Gesundheit in Deutschland aktuell“ (GEDA 2014/2015-EHIS). Bundesgesundheitsblatt Gesundheitsforschung Gesundheitsschutz 2020; 63(12):1491–501.
- [2] Lincke HJ, Vomstein M, Lindner A, Nolle I, Häberle N, Haug A et al. COPSOQ III in Germany: validation of a standard instrument to measure psychosocial factors at work. J Occup Med Toxicol 2021; 16(1):50.
Beitragserklärung:
Interessenskonflikte:
Der korrespondierende Autor erklärt, dass kein Interessenskonflikt bei den Autoren vorliegt.
Erklärung zum Ethikvotum:
Es ist kein Ethikvotum erforderlich.
Wenn es einen Buddy für das Lebensende gäbe - Entwicklung eines zusätzlichen Unterstützungssystems für Menschen mit fortgeschrittener, nicht heilbarer Erkrankung. Ergebnisse qualitativer Interviews mit Betroffenen und Versorgenden.
Kasdorf A 1, Voltz R 1, Strupp J 1
1 Zentrum für Palliativmedizin, Uniklinik Köln, Köln
Hintergrund: Ungestillte Bedürfnisse sind bei Menschen, die im häuslichen Umfeld versorgt werden und sterben möchten, und ihren Angehörigen, stark verbreitet und die Unterstützungsbedarfe komplex. Obwohl Strukturen und Dienstleistungen zur Unterstützung der Patient:innen und ihrer Familien existieren, erreichen diese Angebote die Betroffenen nicht zeitnah bzw. zu dem Zeitpunkt, an dem sie am dringendsten benötigt werden.
Methoden: Individuelle semi-strukturierte Interviews mit Nahestehenden von Verstorbenen, pflegenden Nahestehenden, Versorgenden sowie aktuell schwer und unheilbar erkrankten Personen. Die Auswertung der verbatim transkribierten Interviews erfolgte inhaltsanalytisch mithilfe von MAXQDA©. Die Ergebnisse entstanden im Rahmen der BMFSFJ-geförderten Studie „Sterben zu Hause“.
Ergebnisse: Einzelinterviews mit Hinterbliebenen (n=30), Patient:innen und pflegenden Nahestehenden (n=15) und Versorgenden (n=22) wurden in Deutschland geführt (insgesamt n = 67). Die Teilnehmenden gaben an, dass eine Kontaktperson fehlt, die in Echtzeit Informationen über Unterstützungsdienste bereitstellt, sich um die Initiierung einer angemessenen häuslichen Versorgung am Lebensende kümmert, emotional auffängt, und leicht zugänglich erreichbar ist - ein sogenannter "Buddy". Es wurden zudem Unterschiede zwischen den Gruppen hinsichtlich des Unterstützungsbedarfs festgestellt (z.B. Krebs-/Nicht-Krebs-Patient:innen). Auch das Erkennen und Kommunizieren der eigenen Bedürfnisse wurde als Grund für die Nicht-Inanspruchnahme von Unterstützungsangeboten identifiziert.
Diskussion: Unsere Ergebnisse zeigen das breite Spektrum an Elementen, die den unerfüllten emotionalen, informativen, bewertenden und instrumentellen Bedürfnissen in der häuslichen Versorgung am Lebensende gerecht werden können. Zusätzliche und proaktive Unterstützung ist erforderlich, um bestehende Gesundheits- und Sozialfürsorgestrukturen zu stärken, wenn sie noch nicht bekannt sind oder noch nicht ausreichen, um die Versorgung entsprechend den Bedürfnissen der Familien zu gestalten. Hier könnte das Konzept eines "Buddys" für Menschen mit fortgeschrittener, nicht heilbarer Erkrankung hilfreich sein, das dabei hilft, die verschiedenen Angebote zu sortieren und wahrzunehmen und ermutigt, die eigenen Bedürfnisse zu erkennen und Hilfe in Anspruch zu nehmen. Wichtig ist, dass der „Buddy“ niederschwellig erreichbar ist und als Ansprechperson sein Wissen möglichst in Echtzeit weitergibt.
Beitragserklärung:
Interessenskonflikte:
Der korrespondierende Autor erklärt, dass kein Interessenskonflikt bei den Autoren vorliegt.
Erklärung zum Ethikvotum:
Es liegt ein positives Ethikvotum vor.
Soziale Ungleichheiten in depressiven Symptomen bei krebserkrankten Kindern und deren Eltern
Roick J 1, Richter M 1
1 Technische Universität München (TUM), München
Hintergrund: In Deutschland erkranken jährlich ca. 2000 Kinder und Jugendliche an Krebs. Durch die heutigen medizinischen Behandlungsmöglichkeiten können bei vielen Erkrankungen hohe Überlebensraten erzielt werden. Dennoch müssen die Patient*innen mit einer Reihe von behandlungsbedingten Nebenwirkungen zurechtkommen. Diese können sich negativ auf die psychische Gesundheit auswirken. Die vorliegende Studie untersucht Ungleichheiten in depressiven Symptomen bei krebskranken Kindern und ihren Eltern.
Methoden: Die Daten wurden im Rahmen einer prospektiven, multizentrischen Studie in Deutschland erhoben. Kinder und Jugendliche im Alter zwischen 10 und 18 Jahren, die wegen einer Erstdiagnose Leukämie, Hirntumor oder Sarkom behandelt wurden, sowie ein Erziehungsberechtigter wurden innerhalb des ersten Monats nach der Diagnose mit standardisierten Fragebögen befragt. Die depressiven Symptome wurden mit dem Children's Depression Screener (ChilD-S) und der Hospital Anxiety and Depression Scale (HADS-D) gemessen. Die Zusammenhänge zwischen sozialen Ungleichheiten und depressiven Symptomen wurden mittels linearer Regressionsanalysen berechnet.
Ergebnisse: Dreiundsechzig Patient*innen (Durchschnittsalter: 14 Jahre, SD = 3, 30% weiblich) und je ein Elternteil nahmen an der Studie teil. Nach dem Cut-off wurden 63 % der Kinder und 65 % der Eltern als depressiv eingestuft. Es gab einen negativen Zusammenhang zwischen sozioökonomischem Status und Depression bei den Eltern, nicht aber bei den Kindern. Insbesondere das Einkommen war der entscheidende Prädiktor für die psychische Gesundheit der Eltern.
Diskussion: Eltern mit geringem Einkommen sind durch die Krebsdiagnose ihrer Kinder besonders belastet und sollten psychosoziale Unterstützung erhalten.
Beitragserklärung:
Interessenskonflikte:
Der korrespondierende Autor erklärt, dass kein Interessenskonflikt bei den Autoren vorliegt.
Erklärung zum Ethikvotum:
Es liegt ein positives Ethikvotum vor.
Muster sexuellen Risikoverhaltens bei jungen Erwachsenen
Jepsen D 1, Healy KV 1, Bernard M 1, Markert J 1, Brzank PJ 2
1 Institut für Medizinische Soziologie (IMS) Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Halle (Saale)
2 Institut für Sozialmedizin, Rehabilitationswissenschaften und Versorgungsforschung, Nordhausen
Hintergrund: Sexuelles Risikoverhalten (SRV) beinhaltet alle sexuellen Aktivitäten, die zu psychosozialen und
gesundheitlichen Konsequenzen führen. Subtypen sind z.B. Sex ohne Verhütungsmittel, sexualisierter
Substanzkonsum, Sexarbeit und Gewalt im partnerschaftlichen Kontext. Gleichzeitig gilt Risikoverhalten im
Allgemeinen, und SRV im Speziellen, bei jungen Erwachsenen als häufige maladaptive Strategie zur
Bewältigung von Entwicklungsaufgaben. Das Ziel der Studie ist es, SRV-Muster bei jungen Erwachsenen zu
identifizieren, einen möglichen Zusammenhang zwischen den Mustern und den in vorherigen Studien erfassten Risikofaktoren zu untersuchen sowie Implikationen für eine adäquate und zielgruppengerechte Unterstützung und Prävention abzuleiten.
Methoden: Im Rahmen einer Online-Befragung wurde eine Querschnittstudie durchgeführt. SRV-Subtypen wurden anhand von neun Items erfasst. SRV-Muster wurden mit Hilfe der latenten Klassenanalyse identifiziert und assoziierte Risikofaktoren mit der multinomialen logistischen Regression ermittelt. Als Risikofaktoren wurden Geschlechtszugehörigkeit, sexuelle Orientierung, ein jüngeres Alter beim ersten Geschlechtsverkehr, eine höhere Anzahl von Sexualpartner*innen und hypersexuelles Verhalten (gemessen mit dem Hypersexual-Behaviour-Inventory) berücksichtigt.
Ergebnisse: Innerhalb der Stichprobe (n=601; Geschlechtszugehörigkeit: 59% weiblich, 41% männlich) wurden drei Klassen von SRV-Mustern identifiziert: 'Unauffällig' (67%; niedrige Werte in allen SRV-Subtypen) und die Klassen mit auffälligem SRV 'Schambehaftet' (17%; insbesondere hohe Werte bei sexuellen Scham-/Schuldgefühlen) und 'Riskant' (16%; hohe Werte in allen untersuchten SRV-Subtypen, insbesondere bei sexualisiertem Substanzkonsum, unzureichender Verhütung und Beeinträchtigungen in wichtigen Beziehungen). Beide auffälligen Muster sind stark mit höheren Hypersexualitäts-Werten assoziiert. Männliche und queere Teilnehmende wurden häufiger zu auffälligen SRV-Mustern zugeordnet als weibliche und heterosexuelle Teilnehmende.
Diskussion: Um eine adäquate geschlechts- und diversitätssensible Prävention und Unterstützung in Bezug auf SRV zu implementieren, ist es notwendig, die Komplexität von SRV im psychosozialen Versorgungskontext aufzufangen. Bei Personen, die sich der schambehafteten Gruppe zuordnen lassen, erscheinen Interventionen zur sexuellen Entstigmatisierung sowie zur Reflexion der schambehafteten kognitiven und affektiven Strukturen hilfreich. Bei Personen mit riskantem Sexualverhalten sollten bei Präventions- und Unterstützungsangeboten insbesondere sexuelles und substanzbezogenes Suchtverhalten fokussiert werden.
Beitragserklärung:
Interessenskonflikte:
Der korrespondierende Autor erklärt, dass kein Interessenskonflikt bei den Autoren vorliegt.
Erklärung zum Ethikvotum:
Es liegt ein positives Ethikvotum vor.
Psychisches Befinden fünf Jahre nach einem Schwangerschaftsspätabbruch bei pathologisch fetalem Befund
Berth H 1, Marx R 1, Linke M 1, Drössler S 2, Zimmermann A 3, Irmscher L 1
1 Technische Universität Dresden, Medizinische Fakultät Carl Gustav Carus, Dresden
2 Landesamt für Schule und Bildung. Beratungsstelle zur Begabtenförderung, Radebeul
3 Charite Universitätsmedizin Berlin, Referat für Studienangelegenheiten, Berlin
Hintergrund: In Deutschland wurden 2022 N = 103.927 Schwangerschaftsabbrüche durchgeführt. Davon waren N = 3.113 sogenannte Spätabbrüche, d.h. sie fanden nach der vollendeten 12. Schwangerschaftswoche statt. Für viele Betroffene stellt ein Abbruch eine starke psychosoziale Belastung dar. Die Studie untersucht die psychischen Langzeitfolgen eines Schwangerschaftsspätabbruchs.
Methoden: Zwischen 2013 und 2017 wurden N = 160 Frauen unmittelbar vor einem Schwangerschaftsspätabbruch befragt. Im Juli 2017 (M = 49,87 Monate nach der Erstuntersuchung) erfolgte eine Katamnesebefragung an der N = 91 Frauen (57 %) der ursprünglichen Stichprobe teilnahmen. Zu beiden Messzeitpunkten wurde ein umfangreiches Fragebogenset vorgebeben, in dem u.a. das Brief-Symptom-Inventory (BSI-18), die Impact of Event Scale (IES), der Lebensqualitätsfragebogen WHO-5, der Fragebogen zur Sozialen Unterstützung (F-SozU-22) und der Fragebogen zu Körperbeschwerden Somatic Symptom Scale (PHQ-SSS-8) enthalten waren. Zwei weitere Katamnesezeitpunkte und die gleichzeitige Befragung der Partner sind nicht Gegenstand dieser Auswertung [1].
Ergebnisse: In der Befragung unmittelbar vor dem Schwangerschaftsspätabbruch zeigte sich bei der Mehrzahl der teilnehmenden Frauen eine deutliche Belastung in allen eingesetzten Instrumenten. Im Fragebogen BSI wiesen 55,2 % der Teilnehmerinnen auffällige Werte im Global Severity Index (GSI), 37,3 % in der Skala Somatisierung, 52,7 % in der Skala Depressivität und 53,7 % in der Skala Ängstlichkeit auf. In der Nachbefragung wiesen nur noch 12,2 % der Teilnehmerinnen auffällige Werte im GSI, 10,6 % in der Skala Somatisierung, 13,6 % in der Skala Depressivität und 12,1 % in der Skala Ängstlichkeit auf. Als Einflussfaktoren auf das Belastungserleben konnten zu beiden Messzeitpunkte die Schwangerschaftswoche, in der der Abbruch erfolgte, die Ausprägung von Optimismus und die wahrgenommene soziale Unterstützung identifiziert werden.
Diskussion: Die Ergebnisse dieser Untersuchung stehen in Einklang mit vorliegenden Studien. Bislang lagen jedoch nur wenige Daten über einen so langen Nachbeobachtungszeitraum vor. Vor dem Hintergrund neuerer Entwicklung in der Pränataldiagnostik, wie z.B. der NIPT (Harmony-Test), sind weitere Studien notwendig.
Referenzen:
- [1] Zimmermann A, Linke M, Drössler S, Berth, H. Die psychische Verarbeitung eines Schwangerschaftsspätabbruchs. report psychologie, 2019, 4:12-20.
Beitragserklärung:
Interessenskonflikte:
Der korrespondierende Autor erklärt, dass kein Interessenskonflikt bei den Autoren vorliegt.
Erklärung zum Ethikvotum:
Es liegt ein positives Ethikvotum vor.