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Dr. José Godoy

Foto: José Godoy

Mein Name ist José Godoy. Ich habe in Chile Tiermedizin studiert – d.h. meinen Kindheitstraum erfüllt. Kurz nach meinem Studium und nach einer kurzen Erfahrung als praktizierender Tierarzt in meiner Heimatstadt Temuco, bin ich nach Deutschland geflogen, um dort weiter zu studieren und auch Europa kennen zu lernen. Ich habe in Gießen am Institut für Pharmakologie und Toxikologie (Fachbereich Tiermedizin) für ca. 4 Jahre als Doktorand gearbeitet und im Jahr 2007 mein Dr. med. vet. bekommen. Danach habe ich eine Stelle als Postdoc an der Philipps-Universität Marburg bekommen und dort für weitere 5 Jahre Forschung betrieben. Im Jahr 2011 bin ich nach Wien umgezogen, um dort als Universitätsassistent zu arbeiten. Dann kam der Zeitpunkt, zu dem ich eine Stelle mit langfristiger Perspektive wollte und so machte ich mich auf die Suche nach einer Stelle in den Vereinigten Staaten von Amerika. Meine erste Stelle war als Assistenzprofessor an der Ross University School of Veterinary Medicine, einer privaten amerikanischen Uni auf der karibischen Insel Saint Kitts. Nach ca. 2 Jahren dort, fand ich meine jetzige Stelle an der Long Island University in New York, wo ich seit 2019 tätig bin.


1. Sie haben an der Justus-Liebig-Universität in der Veterinärmedizin promoviert. Wie kam es dazu, dass Sie sich für die Promotion in Gießen entschieden haben?


Schon im Studium wurde mir klar, dass ich mich weiterqualifizieren wollte, dabei auch eine andere Sprache lernen und die Kulturschätze Europas besuchen wollte. In der Tiermedizin gibt es in Deutschland nur 5 Optionen: Berlin, Leipzig, München, Hannover und Gießen. Gießen war mir von einigen Kollegen und ehemaligen Professoren bekannt. Mir hat es auch gefallen, dass die Stadt nicht so groß war. Ich habe die Universität recherchiert und der Fachbereich dort war in der Forschung sehr gut positioniert und vernetzt mit der Industrie (vor allem das Institut für Pharmakologie). Außerdem waren die Lebenshaltungskosten niedrig im Vergleich zu den anderen größeren Städten. Ich mochte auch die Umgebung mit vielen Bauernhöfen, Wäldern, mittelalterlichen Dörfern wie Marburg und Wetzlar, aber auch großen Städten wie Frankfurt am Main. Damals pflegte ich zu sagen, dass ich im Herzen Deutschlands lebte.


2. Was hat Ihnen an der JLU besonders gefallen?


An der JLU gab es auch einige DFG-geförderte Graduiertenkollegs und ich hatte das große Glück, am GK "Molekulare Veterinärmedizin" teilnehmen zu dürfen. Ich war dort für 3 Jahre Mitglied und dies war einfach klasse.

Es mag wie ein Klischee klingen, aber mir hat damals alles gefallen. Natürlich war es nicht immer einfach, aber ich fühlte mich sehr glücklich in meiner Arbeitsgruppe und in meiner Stadt. Unser Chef war unglaublich motivierend und unterstützend und unser damaliger Gruppenleiter (heute der Institutsleiter) war ein sehr fleißiger, kluger und organisierter junger Mann. Seine Lehren behalte ich bis heute. Ich konnte in verschiedene Ländern reisen und meine Forschung auf Konferenzen präsentieren. Es gab auch eine gute Kooperation mit anderen Instituten der JLU und der Industrie. Dies ermöglichte mir, meine Erfahrungen deutlich zu erweitern. An der JLU gab es auch einige DFG-geförderte Graduiertenkollegs und ich hatte das große Glück, am GK "Molekulare Veterinärmedizin" teilnehmen zu dürfen. Ich war dort für 3 Jahre Mitglied und dies war einfach klasse. Ich habe praktisch an allen Forschungslaboren des Fachbereich 10 Praktika absolviert, verschiedene Kurse gemacht, an Fortbildungen teilgenommen etc. Ich denke, ich werde meiner alten Uni und meinen Professoren für meine Ausbildung niemals genug danken können.


3. Wie haben Sie Ihre Postdoc-Stelle an der Philipps-Universität Marburg nach der Promotion gefunden und wie sah der Bewerbungsprozess aus? Warum haben Sie sich gegen einen Einstieg in die Industrie entschieden?


Ich hatte damals einen Einstieg in die Industrie nicht komplett ausgeschlossen. Gleichzeitig zu meiner Suche an Unis habe ich mich bei verschiedenen Pharma-Unternehmen beworben. Aus ca. 20 Bewerbungen kamen 4 Einladungen zum Vorstellungsgespräch. Die meisten der Arbeitsstellen waren aber nicht unbedingt das, was ich mir als eine langfristige Arbeit vorstellen konnte. Es gab mehrere Aspekte, aber einer davon war der Fakt, dass man in der Industrie im Vergleich zur Uni weniger Freiheit für die Entwicklung von Projektideen hat. Eine Stelle hatte mich zwar wirklich gereizt, aber leider wurde ich nicht gewählt. So bekam ich die Einladung zum Vorstellungsgespräch für eine Stelle als Postdoc in Marburg. Das Gespräch ging um Forschung und fand gleich im Labor statt. Der Chef war so passioniert für das Thema, dass er mich quasi angesteckt hat. Seitdem arbeite ich im selben Forschungsfeld.


4. Welche Faktoren bewerten Sie als besonders hilfreich für Ihren wissenschaftlichen Werdegang? Was sind Schwierigkeiten, mit denen man rechnen kann?


Besonders hilfreich für mich sind diese (einfachen) Sachen gewesen:

1) Interesse zeigen

2) Respekt vor anderen Kulturen und Leuten haben und offen für Neues sein (auch für Kritik)

3) Die Sprache und die Geschichte des Landes in dem man lebt kennen zu lernen

4) Zuverlässig zu sein

5) Arbeiten und niemals aufgeben.

Wenn man eine universitäre Karriere anstrebt, muss man sehr flexibel sein.

Weil ich den oben genannten Prinzipien gefolgt bin, hatte ich sehr wenige Schwierigkeiten in meiner Zeit als Doktorand in Gießen. Zu den wenigen schwierigen Situationen zählten z.B. Erkrankungen (die sind schwieriger zu ertragen, wenn man weit weg von der Familie ist), die neue Sprache (am Anfang kommt man nur langsam voran) und Experimente, die nicht funktionieren (aber das gehört halt zur Forschung dazu). Wenn man dann eine universitäre Karriere anstrebt, sollte man sich darüber im Klaren sein, dass die wenigsten Stellen auf Langfristigkeit ausgelegt sind und das Feld gerade in Deutschland sehr kompetitiv ist. Man muss also sehr flexibel sein.


5. Aktuell arbeiten Sie als Assistenzprofessor in der Veterinär-Physiologie in den USA. Wie kann man sich Ihre aktuelle Beschäftigung vorstellen? Wie sieht Ihre alltägliche Arbeit aus?


Meine Stelle ist ca. 50% Lehre, 40% Forschung und 10% Dienstleistung. Ich unterrichte Veterinärphysiologie für ca. 100 Studierende und arbeite derzeit an zwei laufenden Forschungsprojekten. Ich bin auch im Curriculum- und Forschungsausschuss unserer Fakultät. Ein normaler Tag bei mir beginnt mit einer Vorlesung oder einer Übung. Danach gehe ich ins Labor, um das ein oder andere Experiment zu starten. Anschließend bin ich im Büro und arbeite die meiste Zeit am Computer. Dort schreibe ich an einem Manuskript oder bereite ein Projekt vor, mache meine nächsten Lehrveranstaltungen fertig, suche Literatur, und manchmal habe ich das ein oder andere Meeting. An einigen Nachmittagen habe ich Sprechstunden für die Studierenden. Sonst gehe ich wieder ins Labor und zurück zum Computer. Mein Arbeitstag geht manchmal auch am Abend zu Hause weiter. Dort habe ich immer etwas zu lesen und Lehrmaterial vorzubereiten. Aber das geht nur, wenn meine Kinder schon schlafen (eines davon ist übrigens ein gebürtiger Gießener 😊).


7. Welchen Tipp würden Sie anderen internationalen Studierenden geben?


Seid geduldig und nehmt keine Absage persönlich. Macht einfach weiter und sucht auch in anderen Ländern, wenn nötig. Nutzt jede Chance, etwas Neues zu lernen.

Für die Suche nach einem Studienplatz oder Job: Neben Flexibilität, seid auch geduldig und nehmt keine Absage persönlich. Macht einfach weiter und sucht auch in anderen Ländern, wenn nötig.
Wenn ihr den Job oder den Studienplatz bekommt, nutzt jede Chance, etwas Neues zu lernen oder jemand Neues kennenzulernen. Seid auch flexibel und bereit, Sachen zu ändern. Ihr seid dort zum Lernen und um zu wachsen. In der Freizeit, lernt das Land kennen. Es wird euch euer ganzes Leben in Erinnerung bleiben.


Herzlichen Dank für Ihre Unterstützung!


(Das Interview wurde im Februar 2021 geführt).