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Helena Waldmann

Helena Waldmann studierte ab 1982 im ersten Jahrgang "Angewandte Theaterwissenschaft" an der JLU und lernte ihr Handwerk u.a. bei Heiner Müller, George Tabori und Gerhard Bohner.

Ihre radikalen Stücke feiern seit 1993 internationale Erfolge. Die politische Kraft ihrer Choreografien wurde immer unverkennbarer, so in ihrem in Teheran produzierten "Letters from Tentland", in ihrem in Palästina gedrehten Kurzfilm "emotional rescue", in ihren von iranischen Exilantinnen formulierten Antworten auf die europäische Asylpolitik in "Return to Sender" sowie in ihrem anarchisch-rauschhaften Fest gegen die moderne Arbeitsdiktatur unserer Leistungsgesellschaft, "feierabend! - das gegengift". In ihrer fesselnden Inszenierung "BurkaBondage" zeigte sie den islamischem Schleier und das japanische Bondage in ihrer Beziehung von Fessel und Schutz. In "revolver besorgen" geht es um die sozial geächtete Rolle des Vergessens und «Made in Bangladesh» (produziert in Dhaka) ist ein Werkstück über Ausbeutung in der Texil- und Kulturindustrie. Von 2018-2019 war sie Gastprofessorin an der Bertolt-Brecht-Professur der Universtität Leipzig.

Helena Waldmanns Werke bewegen sich im internationalen Kontext als ein Tanztheater der politischen Avantgarde. Die Tanzregisseurin Helena Waldmann lebt in Berlin.

 

Sie haben einige Jahre Ihres Lebens an der JLU verbracht. Was haben Sie für sich persönlich mitgenommen?

Kritisches Denken. Vertrauen in mich als Theaterschaffende. Die Kraft, Konventionen links liegen zu lassen.


Was hat Sie damals bewogen, sich für die JLU zu entscheiden?

Die JLU war 1982 die einzige Universität in Deutschland, die den Studiengang "Angewandte Theaterwissenschaft" angeboten hat, d.h. 50 % Theorie, 50% Praxis. Diese Kombination hat mich überzeugt.


Was verbindet Sie heute mit der JLU? Stehen Sie noch in Kontakt zu ehemaligen Kommilitonen?

Ich habe häufigen Kontakt zu meinen beiden Theaterwissenschafts- Professoren Andrzej Wirth und Hans-Thies Lehmann und zu einigen Kommilitonen: Carmen Mehnert (Tanzkuratorin & Dramaturgin), Daniel Wetzel (Regisseur), Hans-Werner Kroesinger (Regisseur), René Pollesch (Regisseur), Michael Busch (Filmemacher) und nahezu täglich mit Arnd Wesemann (Tanzjournalist).


Gibt es aus Ihrer Studienzeit eine interessante Geschichte, die Ihnen einfällt, wenn Sie an Ihre Zeit an der JLU zurückdenken?

Ein praktischer Kurs von Andrzej Wirth stört das Gießener Stadttheater: "Die Dramaturgie des Zwischenrufs". Andrzej Wirth, der den Studiengang der Angewandten Theaterwissenschaft 1982 gegründet hat und kein großer Liebhaber konventioneller Theater ist, stört eine Inszenierung im Gießener Großen Haus, indem er seine Studenten als "Zwischenrufer" inszeniert.


Vermissen Sie manchmal den Wissenschaftsbetrieb?

Ja. Ich würde gerne Neuropathologie studieren. Welche Verbindung es da zum Theater gibt, würde ich gerne herausfinden.


Gab es während Ihrer Zeit an der JLU eine Veranstaltung, die Sie - im Nachhinein betrachtet - als besonders wertvoll für Ihren Werdegang erachten?

Das postdramatische Theater, ein Seminar von Prof. Andrzej Wirth.


Was würden Sie heute in Ihrem Studium anders machen?

Vor dem Vordiplom keine Angst mehr haben.

 

Hat Sie das Studium an der JLU auf Ihr Berufsleben vorbereitet?

Ja, sehr gut, da das Studium Hospitanzen, Assistenzen und eigene praktische Arbeiten vorsieht, mich also nicht zur reinen Akademikerin machen wollte. Die Erfahrung, die ich z.B. mit dem Regisseur George Tabori an den Münchner Kammerspielen gesammelt habe, war die hervorragende Vorbereitung für mich als angehende Regisseurin. Heiner Müller als Mentor bei meiner eigenen Inszenierung seiner "Hamletmaschine" zu haben, war großartig. Oder unter Heiner Müllers Regie in der "Hamletmaschine" zu spielen.


Besitzen Sie noch Erinnerungsstücke aus Ihrer Studienzeit?

Ja, meinen Mann, Arnd Wesemann. Ich habe ihn im ersten Semester an der JLU kennengelernt. Wir sind seit 1983 ein Liebespaar und seit 2008 zudem verheiratet.


Von Alumna zu Student/in: Was raten Sie angehenden Akademikerinnen und Akademikern?

Vertrauen zu haben in das, was man tut. Und es dann ganz und gar zu tun. Keine Kompromisse!

 

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