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Marie Obermeier

"Was willst du später mal machen?" Bei Justus@work beantworten Gießener Alumni genau diese Frage. Sie berichten, wie der Sprung vom Studium ins Berufsleben verlief, erzählen von ihren Erfahrungen aus dem Studium und geben Tipps zu Berufswahl und -einstieg.

 

Marie Obermeier studierte von 2009 bis 2015 an der JLU am Fachbereich 05. Als Hauptfächer im Bachelorstudiengang "Sprache, Literatur, Kultur" belegte sie Germanistik und Philosophie, im gleichnamigen Masterstudiengang wählte sie als Schwerpunkt "Texte – Medien – Sprachkompetenz" mit dem Hauptfach Germanistische Linguistik und die Nebenfächer Computer- und Textlinguistik, sowie Germanistische Literaturwissenschaften. Den Master of Arts erhielt sie 2015.

Zuvor (2006-2009) schloss sie bereits ein duales Studium der BWL an der Berufsakademie Weserbergland (die heutige Hochschule Weserbergland) mit einem Bachelor of Arts ab.

Marie Obermeiers akademischer Werdegang wurde von Anfang an von ihrem Arbeitgeber, den Ornamin-Kunststoffwerken GmbH & Co. KG in Minden (Westfalen), begleitet und gesponsert.

Tätig war sie dort bereits seit 2006, d.h. Beruf und Studium liefen von 2006 bis 2015 parallel. Im Dualen BWL-Studium war diese Kombination aus Theorie und Praxis so vorgesehen und konzipiert, im Vollstudium an der JLU war Obermeier dann darum bemüht, Veranstaltungen so zu legen, dass sie an zwei Tagen in der Woche im Büro sein konnte.

Bereits seit 2008 ist sie Bereichsleiterin für Marketing & PR bei Ornamin, im Jahr 2017 wurde ihr die Prokura erteilt. Ornamin ist ein mittelständisches Unternehmen mit ca. 130 Mitarbeitern. Das Unternehmen stellt sowohl Funktionsgeschirr für Menschen mit Handicaps als auch Profigeschirr für Institutionen her.


Frau Obermeier, Sie haben in Gießen Germanistik und Philosophie im Bachelor studiert und dann noch den Master „Sprache, Literatur, Kultur“ angeschlossen. Was hat Sie zu dieser Fächerwahl bewogen?


Nach dem Abitur habe ich – wie wohl auch viele andere Abiturienten – erstmal BWL studiert. Trotz 13-jähriger Schullaufbahn und diverser Praktika und Ferienjobs hatte ich ehrlich gesagt einfach keine Ahnung, worauf es einem Arbeitgeber später ankommt und Dual-Studiengänge inkl. direktem Einstieg ins Unternehmen waren gerade en vogue. Außerdem war es natürlich auch sehr lukrativ, ein monatliches Gehalt und eine Studienfinanzierung zu bekommen. Als das Studium an der Berufsakademie vorbei war, fragte mich der Geschäftsführer im Rahmen eines Personalentwicklungsgesprächs, ob ich nicht noch an einer richtigen Universität studieren wolle. Und da mich Sprache schon immer sehr interessiert hat – wesentlich mehr als Buchhaltung oder Statistik – fiel meine Wahl recht schnell auf Germanistik und Philosophie. Viele Menschen fragen mich heute noch, ob und wie die Inhalte dieses Studiums denn überhaupt zu meinem Beruf passen, gerade im Hinblick auf Philosophie. Naja, zu meinen Haupttätigkeiten zählt das Verfassen und Lektorieren von Texten – und gerade in den philosophischen Seminaren habe ich unheimlich viel über den Aufbau und die Struktur von Texten gelernt, über das logische Argumentieren und Schlussfolgern. Die theoretische Philosophie mag etwas speziell sein, aber allein schon von der Textanalyse her sehr lehrreich. In der praktischen Philosophie konnte ich zudem Seminare in Unternehmensethik oder auch Medizinethik belegen, beides Gebiete, mit denen ich beruflich in Berührung komme. Im Germanistik-Studium, speziell in der Linguistik, konnte ich mir zunächst das theoretische Grundwerkzeug aneignen (Grammatik, Texttheorie) und mich später auf die Multimodalitätsforschung spezialisieren und sowohl meine Bachelor- als auch meine Master-Thesis mit meiner Arbeit bei Ornamin verbinden – einmal zum Thema Brandstory und einmal zum Thema Produktinformationen im Medienvergleich. Also, wie man sieht, muss man nicht BWL studieren, um einen sinnvollen Beitrag in einem Unternehmen leisten zu können.


Ihr Studium konnten Sie im Rahmen eines Stipendiums der Ornamin-Kunststoffwerke GmbH absolvieren. Wie kam es dazu, dass ein Industrieunternehmen Ihnen ein weiteres Studium finanzierte?


Weil Ornamin einfach ein cooles Unternehmen ist ;) Ich bin da keine Ausnahme, das Unternehmen bietet Studierenden unterschiedliche Sponsoring- bzw. Stipendien-Modelle an. Dabei kommt es nicht wirklich darauf an, was man studieren möchte, sondern dass man das, was man studiert, richtig studiert. Seitens des Unternehmens gibt es daher keine Einschränkungen hinsichtlich der Wahl der Studienrichtung. Dementsprechend ist das Team von Ornamin bunt gemischt, was im Sinne von Querdenken und Problemstellungen aus unterschiedlichen Perspektiven betrachten sehr spannend ist.

Ich denke, dass man unabhängig von der Fachrichtung in jedem Studium lernt, eigenständig Themen bzw. Problemlösungen zu erarbeiten."

Ich denke, dass man unabhängig von der Fachrichtung in jedem Studium lernt, eigenständig Themen bzw. Problemlösungen zu erarbeiten – ob es nun die Herleitung einer chemischen Formel ist oder eine Untersuchung zur Integration englischer Verben ins Deutsche. Man recherchiert, kämpft sich durch Literatur, lernt unterschiedliche Methoden des wissenschaftlichen Arbeitens kennen und wendet diese an. Wenn man sich dazu dann noch zusätzlich innerhalb einer Gruppe organisieren muss, lernt man gleich noch etwas über gruppendynamische Prozesse, Sozialkompetenz und Konfliktmanagement – was natürlich für das Berufsleben auch nicht von Schaden ist.


Welche besonderen Erinnerungen verbinden Sie mit Ihrem Studium an der JLU?


Meine Studienzeit in Gießen 2009 begann mit dem Bildungsstreik – das war natürlich sehr aufregend, mitten im Geschehen zu sein. Die Stimmung bei den Vollversammlungen war einfach elektrisierend, eine Mischung aus Gemeinschaftsgefühl und Aufbruchsstimmung musikalisch untermalt vom Streikchor mit Zeilen wie „Ich bin dabei, Du bist dabei, wir sind dabei zu demonstrieren“ (zur Melodie vom Clueso-Hit „Gewinner“).

Eine andere besondere Erinnerung ist, 2014 Margot Käßmann im Rahmen der Ringvorlesung des Präsidenten live erlebt zu haben – einfach, weil sie eine spannende Persönlichkeit und großartige Rednerin ist.

Ansonsten kann ich mich noch sehr gut daran erinnern, wenn im Laufe des Sommersemesters der Frühling auf dem Campus Einzug hielt und sich mit einem Schlag alle Rasenflächen um die Uni-Gebäude mit Studierenden füllten. Irgendwie herrschte dann immer eine ganz besondere Stimmung – die Sonne und die Vorfreude auf die nahenden Semesterferien sind wohl einfach sehr gemütserhellende Faktoren im Leben eines Studenten. ;)


Welche persönlichen Herausforderungen ergaben sich bei Ihnen im Berufseinstieg?


Jedes Unternehmen tickt anders, das heißt am Anfang braucht es erstmal ein bisschen Zeit, um Abläufe und Zuständigkeiten zu verstehen und sein eigenes Arbeitsumfeld aufzubauen und zu organisieren.

Da ich ja zunächst das Dual-Studium mit wechselnden Präsenzzeiten an der Berufsakademie und im Unternehmen absolviert habe, hatte ich anfangs quasi einen „Auszubildendenstatus“ und bin nicht direkt in eine bestimmte Position eingestiegen, sondern habe unterschiedliche Stationen durchlaufen. Als ich dann noch während des ersten Studiums in den Bereichsleiter-Kreis berufen wurde, war das dann schon eine andere Nummer, weil die Erwartungshaltung eine andere ist: Eigenständig Entscheidungen treffen, Personalverantwortung übernehmen usw.


Bei Ornamin sind Sie Bereichsleiterin im Marketing. Wie sieht Ihr Arbeitsalltag aus?


Jeden Tag anders. Ich bereite etwa Jahresziele für den Bereich Marketing & PR vor und stimme diese mit Kolleginnen und Kollegen ab. Zudem stehen im Herbst immer viele Messen und Events in Deutschland und England an, für die bestimmte Verkaufsunterlagen benötigt werden und über die wir dann z. B. auch in den sozialen Medien oder auf unseren internen Info-Bildschirmen berichten. Außerdem stehen ein paar Produktneuentwicklungen in den Startlöchern für die Markteinführung – hier braucht es Konzepte für unterschiedliche Zielgruppen, Bilder, Texte. Einige Projekte mit unserer Werbeagentur sind in den letzten Zügen, die ich als zentrale Ansprechpartnerin koordiniere und freigebe. Und das sind nur ein paar Beispiele aus dem reichhaltigen und abwechslungsreichen Aufgabenportfolio des Bereichs Marketing & PR. Insgesamt kann ich sagen: Mir war seit meinem Start im Jahr 2006 nicht einen Tag langweilig. ;)


Welche Qualifikationen und Fähigkeiten sind für Ihre Arbeit nötig und hilfreich?


Wenn man einen Bereich oder eine Abteilung leitet, ist man für die Erarbeitung von Zielen sowie für deren Erreichung verantwortlich. Hierfür gibt es unterschiedliche Planungshorizonte (Jahresziele, Drei-Jahresziele, Fünf-Jahresziele). Das heißt, man sollte in der Lage sein, strategisch und konzeptionell zu arbeiten. Und da man diese Ziele nicht alleine erreichen kann, sondern mit Mitarbeitern, Kollegen und Geschäftspartnern, spielt darüber hinaus Kommunikation eine wichtige Rolle. Um hier bestimmte Fähigkeiten zu erwerben, besuche ich von Ornamin angebotene Führungs- und Managementweiterbildungen, auf denen man beispielsweise lernt, was der Unterschied zwischen wichtig und dringlich ist, wie man Feedback gibt und einholt, wie man zu einer vertrauensbasierten Arbeitsatmosphäre beitragen kann, warum Veränderungsprozesse so schwierig zu implementieren sind (Change Management), wozu man Unternehmenswerte und eine Unternehmensvision braucht usw.

Da Ornamin ein international agierendes Unternehmen ist, sind zudem meine sehr guten Englischkenntnisse hilfreich, z. B. beim Erstellen von Verkaufsunterlagen, Social Media Posts usw.

Hilfreich ist natürlich auch eine ordentliche Portion gesunder Menschenverstand. ;)


Welchen persönlichen Rat haben Sie für Gießener Studierende?


Globale Ratschläge zu geben, finde ich immer etwas schwierig. Vielleicht zitiere ich an dieser Stelle einfach den Management-Guru Tom Peters: „Mittelmäßige Erfolge sind möglicherweise gut für mittelmäßige Zeiten. Aber wir leben nicht in mittelmäßigen Zeiten.“ Soll heißen: Es ist ratsam, sich auf seine Stärken zu konzentrieren und hier Spitzenleistungen zu erzielen, anstatt überproportional viel Energie zu investieren, um Schwächen auszumerzen.

Es ist ratsam, sich auf seine Stärken zu konzentrieren und hier Spitzenleistungen zu erzielen."

In der Schule hat man keine Wahl – da muss man überall zumindest ‚ausreichende’ Leistungen erbringen – aber im Studium und im Berufsleben hat man eine Wahl und kann sich auf das konzentrieren, in dem man besonders gut ist und in dieser individuellen Nische seinen Beitrag leisten und Erfolge feiern.


 

Frau Obermeier, wir bedanken uns für das Gespräch!

(Das Interview wurde im September 2017 geführt)