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Sozialistische Moderne oder kommunistischer “Ökozid”? Umweltkatastrophen und lokale Identitäten im östlichen Europa

Spätestens seit dem Reaktorunfall von Tschernobyl im Jahre 1986 hielt auch in der Öffentlichkeit des östlichen Europa ein gewisses ökologisches Verantwortungsgefühl bzw. ein Bewusstsein für die umweltschädigenden Folgen menschlichen Handelns Einzug. Dabei war Tschernobyl keineswegs der Ursprung mannigfaltiger ökologischer Probleme in Ostmittel- und Osteuropa. Bereits die umwälzende Industrialisierung – nach sowjetischem Bauplan – ab den 1950er Jahren zeitigte massive Schäden für Mensch und Natur. Gerade deshalb interessieren sich die Veranstalter außer der historischen Betrachtung im Sinne weiterführender Forschungsansätze vor allem für die konkreten Einflüsse von Umweltschäden auf den Alltag des menschlichen Individuums. Inwieweit haben ökologische Katastrophen persönliche Lebensweisen verändert? Unter welchen Traumata leiden Mensch wie Gesellschaft z. T. noch nach Jahrzehnten? Unter diesen Vorzeichen haben die postsowjetischen Gesellschaften des östlichen Europa verschiedene Strategien im Umgang mit diesem problematischen Erbe entwickelt. Ein sehr krasses Beispiel scheint die Republik Belarus zu sein, wo das seit 1994 amtierende Lukaschenka-Regime bis heute den Status quo in den verstrahlten Gebieten aufrecht hält und die sozialen Folgen ökologischen Raubbaus weitgehend negiert. Vor diesem Hintergrund muten die aktuellen Planungen für ein neues AKW makaber an, auch wenn damit der Versuch unternommen wird, das Land mit Hilfe von Atomenergie autark zu machen. Dagegen sind die gesellschaftlichen Debatten in der Ukraine, in der das verunglückte AKW von Tschernobyl unter einem mehr oder weniger porösen Sarkophag liegt, und im EU-Staat Litauen, welcher erst im Jahre 2009, nach heftigen Kontroversen in der litauischen Bevölkerung, den letzten Reaktor sowjetischer Bauart in Ignalina abgeschaltet hat, von lebhafterer Natur. Neben Tschernobyl und den industriellen Altlasten der Sowjetzeit stehen thematisch außerdem der „Belawescha-Nationalpark“ im Mittelpunkt des Workshops. Dieser stellt einen der letzten Urwälder Europas dar, der bereits zu Sowjetzeiten grenzübergreifend auf dem Territorium der UdSSR und Polens eingerichtet worden ist und bis heute existiert. Nicht zuletzt an diesem Beispiel lässt sich ermessen, dass Umweltgeschichte und Umweltschutz nicht in nationalstaatlichen Grenzen praktiziert werden können.

  • Sozialistische Moderne oder kommunistischer “Ökozid”? Umweltkatastrophen und lokale Identitäten im östlichen Europa
  • 2013-12-05T14:00:00+01:00
  • 2013-12-06T16:00:00+01:00
  • Spätestens seit dem Reaktorunfall von Tschernobyl im Jahre 1986 hielt auch in der Öffentlichkeit des östlichen Europa ein gewisses ökologisches Verantwortungsgefühl bzw. ein Bewusstsein für die umweltschädigenden Folgen menschlichen Handelns Einzug. Dabei war Tschernobyl keineswegs der Ursprung mannigfaltiger ökologischer Probleme in Ostmittel- und Osteuropa. Bereits die umwälzende Industrialisierung – nach sowjetischem Bauplan – ab den 1950er Jahren zeitigte massive Schäden für Mensch und Natur. Gerade deshalb interessieren sich die Veranstalter außer der historischen Betrachtung im Sinne weiterführender Forschungsansätze vor allem für die konkreten Einflüsse von Umweltschäden auf den Alltag des menschlichen Individuums. Inwieweit haben ökologische Katastrophen persönliche Lebensweisen verändert? Unter welchen Traumata leiden Mensch wie Gesellschaft z. T. noch nach Jahrzehnten? Unter diesen Vorzeichen haben die postsowjetischen Gesellschaften des östlichen Europa verschiedene Strategien im Umgang mit diesem problematischen Erbe entwickelt. Ein sehr krasses Beispiel scheint die Republik Belarus zu sein, wo das seit 1994 amtierende Lukaschenka-Regime bis heute den Status quo in den verstrahlten Gebieten aufrecht hält und die sozialen Folgen ökologischen Raubbaus weitgehend negiert. Vor diesem Hintergrund muten die aktuellen Planungen für ein neues AKW makaber an, auch wenn damit der Versuch unternommen wird, das Land mit Hilfe von Atomenergie autark zu machen. Dagegen sind die gesellschaftlichen Debatten in der Ukraine, in der das verunglückte AKW von Tschernobyl unter einem mehr oder weniger porösen Sarkophag liegt, und im EU-Staat Litauen, welcher erst im Jahre 2009, nach heftigen Kontroversen in der litauischen Bevölkerung, den letzten Reaktor sowjetischer Bauart in Ignalina abgeschaltet hat, von lebhafterer Natur. Neben Tschernobyl und den industriellen Altlasten der Sowjetzeit stehen thematisch außerdem der „Belawescha-Nationalpark“ im Mittelpunkt des Workshops. Dieser stellt einen der letzten Urwälder Europas dar, der bereits zu Sowjetzeiten grenzübergreifend auf dem Territorium der UdSSR und Polens eingerichtet worden ist und bis heute existiert. Nicht zuletzt an diesem Beispiel lässt sich ermessen, dass Umweltgeschichte und Umweltschutz nicht in nationalstaatlichen Grenzen praktiziert werden können.
Wann

05.12.2013 14:00 bis 06.12.2013 16:00 (Europe/Berlin / UTC100)

Wo

GiZo-Konferenzraum (Philosophicum I, Gebäude E, Raum 209)

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Donnerstag, 5. Dezember 2013, 14-14.30 Uhr

Begrüßung: Dr. des. Rayk Einax, Gießen/Dr. Anna Veronika Wendland, Marburg

14.30-16.30 Uhr
Naturschutz, Umweltbewusstsein und (prä-)nationale Bewegungen  in Ostmittel- und Osteuropa: Historische Verortung und aktuelle Forschungsansätze
Moderation: Dr. Alexander Friedman, Saarbrücken
Impulsreferat: Prof. Dr. Thomas Bohn, Gießen
„Schalmeibläser und bunte Vögel. Eine Geschichte von Menschen im Sumpf“
Kommentar aus frühneuzeitlicher Perspektive: Dr. Henadz Sahanovich, Vilnius/Gießen
Kommentar aus neuzeitlicher Perspektive: Prof. Dr. Pavel Tereshkovich, Vilnius
Kommentar aus zeitgeschichtlicher Perspektive: PD Dr. Markus Krzoska, Berlin/Gießen

17-19 Uhr
Urbanisierung und Industrialisierung als ökologische Altlasten des Staatssozialismus
Moderation: Dr. des. Frank Wolff, Osnabrück
Vortrag: Prof. Dr. David Marples, Edmonton (CAN)
"Industrialization, Nuclear Power, and the Loss of the Village: Demographic Crisis in the Republic of Belarus"
Kommentar aus ethnologischer Perspektive: Elizaveta Slepovich, M. A., München
Kommentar aus umweltsoziologischer Perspektive: Konrad Hierasimowicz, M. A., Gießen

Freitag, 6. Dezember 2013, 9-11 Uhr
Tschernobyl und Fukushima im Bewusstsein von Transformationsgesellschaften: Hoffnungen und Ängste
Moderation: Dr. Dmitri Romanowski, Vitebsk/Bonn
Impulsreferat: Dr. Astrid Sahm, Berlin
Die atompolitische Debatte in Belarus und Litauen im Kontext von Tschernobyl und Fukushima
Kommentar 1: Dr. Anna Veronika Wendland, Marburg
Kommentar 2: Aliaksandr Dalhouski, M. A., Minsk

11-13 Uhr
Der Belawescha-Nationalpark als Beispiel transnationaler Umweltschutzbemühungen im 20. Jahrhundert
Moderation: Dr. Kuzma Kozak, Minsk
Impulsreferat: Julian Mühlbauer, M. A., Gießen
„Zwischen Ressource und Reservat. Der Bialovieża-Nationalpark als Beispiel transnationaler Umweltschutzbestrebungen“
Kommentar 1: Ekaterina Keding, M. A., München
Kommentar 2: André Böhm, M. A., Hrodna (BY)

14-16 Uhr
Abschlussdiskussion
Moderation: Patrick Zeller, M. A., Oldenburg
Zusammenfassung/Impulse: Prof. Dr. Stefan Rohdewald, Gießen
Kommentar 1: Dr. Stefan Jarolimek, Jena
Kommentar 2 : Michelle Klöckner, M. A., Saarbrücken

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