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Kroh, Jens, Dr.

Betreuer: Prof. Dr. Leggewie

Dr. Jens Kroh

 

Kontakt

jensdkroh@hotmail.com
Karl-Glöckner-Straße 21 E
35394 Gießen
Tel: 0641 - 99 23 114

Kurzbiographie

1977 geboren in Chênes-Bougeries (CH)
1997 Beginn des Studiums an der Justus-Liebig-Universität Gießen
1998-2003 Diplom-Studiengang Sozialwissenschaften mit dem Schwerpunkt "Planung und Verwaltung" (Diplomarbeit zum Thema "Geschichtspolitik in Deutschland und Frankreich im Vergleich – Eine Analyse präsidialen Umgangs mit negativ belasteter Vergangenheit")
2000-2001 Studium am Institut d'Etudes Politiques in Grenoble (F) ("Certificat d'Etudes Politiques")
2000, 2001-2003 studentische und wissenschaftliche Hilfskraft am SFB Erinnerungskulturen
11/2003-5/2007 Promotion (12/2006 Dissertation: "Die Transnationalisierung der Holocaust-Erinnerung: Vom Medienereignis zur Geschichtspolitik")
4/2007-9/2007 Wissenschaftliche Hilfskraft am SFB Erinnerungskulturen und am Institut für Politikwissenschaft der JLU Gießen
seit 10/2007 Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Professur "Politisch-soziales System/Vergleichende Systemlehre" am Institut für Politikwissenschaft der JLU Gießen.

 

Thema der Dissertation

Transnationale Erinnerung: Der Holocaust im Fokus geschichtspolitischer Initiativen

Der Holocaust ist Bestandteil der Agenda der internationalen Politik. Was heute selbstverständlich erscheint, ist Resultat einer mehrere Jahrzehnte währenden Entwicklung, die insbesondere zur Mitte der 1990er Jahre an Dynamik gewinnt und in der Genese und Ausdifferenzierung des transnationalen Politikfeldes Holocaust-Erinnerung kulminiert. Dieses Politikfeld wird von zwei ebenso unterschiedlichen wie komplementären Erscheinungsformen geprägt: zum einen durch die Stockholmer „Holocaust-Konferenz“, die zwischen dem 26. und 28. Januar 2000 mehr als zwanzig Staats- und Regierungschefs, insgesamt über 600 Delegierte und annähernd 900 Journalisten versammelt. Zum anderen durch die „Task Force for International Cooperation on Holocaust Education, Remembrance and Research“ (ITF), einem im Mai 1998 gegründeten, abseits des Interesses der Massenmedien tätigen Expertennetzwerk.

Der empirische Teil der Studie ist in drei Teile gegliedert: Mit Blick auf die Etablierung des Holocaust als globalem „Erinnerungsort“ werden zunächst die Tendenzen seiner Transnationalisierung herausgearbeitet. Von zentralen Medienereignissen („Eichmann-Prozess“, TV-Serie „Holocaust“ und Spielfilm „Schindlers Liste“) ausgehend, rückt dabei die Themenkarriere des Holocaust in der internationalen Politik in den Fokus. Neben den Streitfragen „nachrichtenlose Konten bei Schweizer Banken“ und „NS-Raubgold“ bestätigen auch die Konflikte um die Entschädigung von Zwangsarbeitern die Dringlichkeit zwischenstaatlicher Kooperation und die fortdauernde Aktualität der Ermordung der europäischen Juden. Im Kontext dieser im Kern vergangenheitsverpflichteten (vergangenheitspolitischen) Auseinandersetzung mit dem Holocaust kristallisiert sich unterdessen ein gegenwarts- und zukunftsorientiertes (geschichtspolitisches) Interesse seitens der Politik heraus. Insbesondere der schwedische Premierminister Göran Persson fungiert fortan als wichtiger Motor; zuerst noch auf nationaler Ebene, wenig später auch auf internationaler Ebene.

Im zweiten Teil steht folglich die weithin sichtbare Manifestation seiner geschichtspolitischen Initiative, das „Stockholm International Forum on the Holocaust“, im Mittelpunkt. Der konkreten Planung wird der – in Teilen davon abweichende – Verlauf der Konferenz gegenübergestellt, die sich eher unerwartet zu einem politischen Gipfeltreffen entwickelt und deren Besuch speziell mittel- und osteuropäische Staats- und Regierungschefs im Kontext der EU-Osterweiterung als wichtig erachten. Ebenso werden in diesem Abschnitt die Auswirkungen des „Events“ behandelt: also Inhalt und Relevanz der „Stockholmer Deklaration“, die Stockholmer Folgekonferenzen der Jahre 2001 bis 2004 (zu den Themen „Kampf gegen Intoleranz“, „Wahrheit, Gerechtigkeit und Versöhnung“ sowie „Genozidprävention“) sowie der im Zuge der Konferenz vereinbarte diplomatische Boykott der „EU der 14“ vis-à-vis der seinerzeit gerade gebildeten österreichischen Regierungskoalition aus FPÖ und ÖVP. Auch Quantität und Qualität der internationalen Berichterstattung über das „Holocaust-Forum“ rücken in diesem Abschnitt der Studie in den Blickpunkt: verglichen werden die Kommunikationsdichte und die Konvergenz von Deutungsmustern in relevanten Tageszeitungen aus Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Israel, Österreich, Schweiz und den USA. Nicht zuletzt wird dabei deutlich, dass der Konferenz die Funktion des „Agenda Settings“ im politischen Prozess zukommt. Ihre Nachhaltigkeit zeigt sich indes erst auf der Strukturebene, das heißt bei der Analyse der Implementation von entsprechenden Maßnahmen im Politikfeld holocaustbezogene Erinnerungskultur.

Diesem Ziel dient das dritte empirische Hauptkapitel, worin nicht nur die Funktionsweise sondern auch die Mitgliedschaftskriterien und die Öffentlichkeitsrelevanz des Netzwerks ITF erörtert werden, das im Zuge der „Holocaust-Konferenz“ erheblich an Bedeutung hinzu gewonnen hat. Obwohl die ITF, die für einen kontinuierlichen Austausch zwischen Akteuren des politisch-administrativen Systems, Wissenschaftlern und Pädagogen aus derzeit 24 Mitgliedstaaten sorgt, nur eine vermeintlich kleine Fachöffentlichkeit adressiert, sind die von ihr durchgeführten und/oder teilfinanzierten Projekte (z.B. Lehrerfortbildungen, Publikationen, Ausstellungen) dazu geeignet, einen gemeinsamen Standard im Bereich Holocaust-Erinnerung und „Holocaust-Education“ zu etablieren. Die ITF trägt damit zu einer partiellen Synchronisierung nationaler Erinnerungskulturen bei. Der Holocaust bildet seither die zentrale Referenz eines offiziellen europäischen Gedächtnisses. ITF und „Holocaust-Konferenz“ sind demnach sowohl Ausdruck als auch Katalysator eines internationalen Normierungsprozesses.

Der empirischen Analyse geht die Herleitung eines Politikfelds Erinnerungskultur samt idealtypischer Differenzierung zwischen einer materiellen und einer symbolischen Dimension von Geschichtspolitik voraus, die auf die aus der „Policy-Forschung“ bekannte Phasenheuristik rekurriert. Der theoretische Teil setzt sich außerdem mit dem Begriff des Medienereignisses und verschiedenen Konzepten von Öffentlichkeit auseinander. Methodisch stützt sich die Studie auf per Online-Datenbank erhobene Zeitungsartikel, Dokumente aus dem Archiv der schwedischen Regierungskanzlei sowie annähernd zwanzig Experteninterviews mit verschiedenen Akteuren der unter der Bezeichnung „Stockholm-Prozess“ skizzierten politischen Transnationalisierung der Holocaust-Erinnerung.

Veröffentlichungen (Auswahl)


Aktivitäten

Vorträge:

 

 

  • „Die Macht der Erinnerung. Vom Gedächtnis zur Geschichtspolitik“ bei der Paneldiskussion „Verbotene Worte“ der „Phantastischen Bibliothek Wetzlar“ (Mai 2004)
  • „Symbole der Macht. Worte, Bilder und Zeichen des Staates“ anlässlich der „24. Wetzlarer Tage der Phantastik“ zum Thema „Macht und Mythos“ (September 2004)
  • „Dimensionen transnationaler Kommunikation über den Holocaust“ bei der Konferenz „Interkulturelle Kommunikation: Medienereignisse – Räume – Akteure“ am „Forschungszentrum Europäische Aufklärung Potsdam“ (Mai 2005)
  • „The Transnationalisation of Holocaust Remembrance: From Media Event to Politics of History” im Rahmen des Meetings der „Task Force for International Cooperation on Holocaust Education, Remembrance and Research” in Prag (Juni 2007)
  • „Europäische Innenpolitik? Die Stockholmer „Holocaust-Konferenz” und ihre Folgen” bei der Tagung „Aufarbeitung der Diktatur - Diktat der Aufarbeitung. Normierungsprozesse beim Umgang mit diktatorischer Vergangenheit” in Heidelberg (September 2007)

 

Lehrveranstaltungen am Fachbereich Sozial- und Kulturwissenschaften:

SoSe 2005

 

Geschichtspolitik: Formen, Konzeptionen und Tendenzen (gemeinsam mit Erik Meyer)

 

WiSe 2005/06

 

Das politische und soziale System der BRD

 

SoSe 2007

 

Parteien und Parteiensysteme

Politische Gipfeltreffen

Argumentieren und Präsentieren

 

WiSe 2007/08

 

Parteien und Verbände

Praktikumsvorbereitung