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Interview: Christina Bannier zu Nachhaltigkeitskomponenten in der Vorstandsvergütung

„In den Hauptversammlungen wird sich dieses Jahr zeigen, wie ernst Unternehmen das Thema Nachhaltigkeit wirklich nehmen und wie sich dies auf die Vorstandsgehälter auswirkt.“

Pressemitteilung vom 4. März 2022

 

Prof. Dr. Christina Bannier, Professorin für Banking und Finance an der Justus-Liebig-Universität Gießen (JLU), beschäftigt sich in Forschung, Lehre und Praxis intensiv mit Nachhaltigkeit und Corporate Governance. Sie hat ein Scoring entwickelt, das die Einbindung von ESG-Zielen in die Vergütungssysteme von Aktiengesellschaften bewertet. In ihrer aktuellen Forschung hat sie dabei – neben den DAX-Gesellschaften – auch einen Schwerpunkt auf Unternehmen des MDAX gelegt.

 

Christina Bannier in den Stiftungsrat der Stiftung Geld und Währung berufen

Vier Fragen an Prof. Dr. Christina Bannier


Was ist bei den diesjährigen Hauptversammlungen beim Thema Vorstandsvergütung zu erwarten?

Der Großteil der DAX- und MDAX-Unternehmen hat bereits im letzten Jahr ihren Aktionären auf der Hauptversammlung ein neues Vergütungssystem vorgestellt und darin erklärt, wie sie zukünftig ihre Vorstandsmitglieder entlohnen wollen. Im Vergütungssystem wird genau dargelegt, welche Ziele erreicht werden müssen, um einen entsprechenden Bonus oder eine langfristige Vergütungskomponente ausgeschüttet zu bekommen. Viele Gesellschaften haben dabei erstmals Nachhaltigkeitsziele in ihr Vergütungssystem aufgenommen und diese – mehr oder minder detailliert – erläutert und begründet. In der diesjährigen Hauptversammlung werden die Aktionäre erstmals über den Vergütungsbericht abstimmen, also darüber, welche Zahlungen das Unternehmen konkret an die Vorstandsmitglieder aufgrund der erreichten Ziele geleistet hat oder in der Zukunft noch leisten wird. Die Hauptversammlungssaison in diesem Jahr sollte uns somit einen ersten Einblick erlauben, ob die in den Vergütungssystemen gesteckten Nachhaltigkeitsziele erreicht wurden, oder ob sie ggf. zu ambitioniert oder auch zu wenig anspruchsvoll waren.

 

Inwiefern zeigt sich an der Zusammensetzung der Vorstandsvergütung, ob ein Unternehmen nachhaltig agiert? Warum sind Vergütungssysteme, die ESG-Kriterien berücksichtigen, wichtig?

An den Vergütungssystemen kann man gut ablesen, wie ernst ein Unternehmen das Thema Nachhaltigkeit nimmt und ob es geschafft hat, die für sich wirklich wesentlichen Nachhaltigkeits-Aspekte zu identifizieren. Das Thema Nachhaltigkeit ist für viele Unternehmen immer noch recht neu und schwer zu greifen. Häufig bekennen sich Unternehmen daher zunächst sehr pauschal zu dem Thema Nachhaltigkeit, machen aber nicht deutlich, wie sie dies in den Unternehmens-internen Prozessen und Strukturen implementieren wollen. Genau dies nährt die Gefahr des „Greenwashings“. Das Vergütungssystem ist ein sehr gutes Instrument, um dem entgegenzuwirken. Dazu muss konkret und glaubwürdig dargelegt werden, welche Nachhaltigkeitsziele für das individuelle Unternehmen überhaupt wichtig sind, und diese müssen dann transparent nachvollziehbar in der Vergütung verankert werden. Idealerweise sollte sich dies auch in der Vergütung der Management-Ebenen unterhalb des Vorstands fortsetzen, um deutlich zu machen, dass Nachhaltigkeit eben nicht nur ein Wort, sondern dass hier von allen Mitarbeitenden Taten gefordert (und honoriert) werden.

 

Sie haben bereits einen ESG-Vergütungs-Score (zusammen mit der Fondsgesellschaft Union Investment) für DAX-40-Unternehmen entwickelt. Was ist beim aktuell von Ihnen entwickelten ESG-Vergütungs-Score für DAX- und MDAX-Unternehmen anders?

Um sowohl die wesentlich größeren DAX- als auch die kleineren MDAX-Unternehmen sinnvoll mit einem einheitlichen Score bewerten zu können, haben wir etwas mehr Kriterien in den Score einfließen lassen, als in der früheren Bewertung mit Union Investment. Neben der Frage, wie gut die Nachhaltigkeitsziele wirklich zum Unternehmen, seiner Strategie und Branche passen, welchen Anteil die Nachhaltigkeitsziele an der Gesamtvergütung ausmachen und wie transparent und ambitioniert die Nachhaltigkeitsziele formuliert sind und gemessen werden, haben wir nun unter anderem auch danach gefragt, welche Rückforderungs-Möglichkeiten („Clawback“) das Unternehmen vorsieht, ob es eine Aktienhaltevorschrift für die Vorstände gibt und ob die Gesamthöhe der Vergütung transparent limitiert ist. Insgesamt ergibt sich so ein sehr differenziertes Bild der Nachhaltigkeits-Qualität eines Vergütungssystems, das sowohl für größere als auch für kleinere Aktiengesellschaften sinnvoll anwendbar ist.

 

Welche Unternehmen sind im von Ihnen erstellten ESG-Vergütungs-Score führend und warum?

Die drei Spitzenplätze im ESG-Vergütungs-Score werden von der Deutschen Bank, K+S und Covestro eingenommen. Mit K+S hat sich sogar ein MDAX-Unternehmen unter die Top-3 geschoben. Allen drei Vergütungssystemen ist gemeinsam, dass die verwendeten Nachhaltigkeitsziele unmittelbar aus der Unternehmens-Strategie abgeleitet werden, dass sie vornehmlich und mit einem hohen Gewicht in der langfristigen Vergütung verankert sind und dass transparent nachvollziehbare Zielniveaus formuliert werden. Diese Kombination macht deutlich, dass die Unternehmen die Nachhaltigkeitstransformation wirklich ernst nehmen: Im Unterschied zum „Mittelfeld“ des Rankings haben diese Unternehmen ein individuell zugeschnittenes Nachhaltigkeits-Profil als relevant identifiziert und ihr Vergütungssystem in weiten Teilen darauf zugeschnitten. Dies erfordert Mut, denn es bedeutet, dass eine klare Priorisierung auf bestimmte Nachhaltigkeits-Aspekte erfolgt und reduziert gleichzeitig die Bedeutung von finanziellen Zielen für die Vergütung – obgleich diese natürlich für die Unternehmen weiterhin enorm wichtig sind. Aber erst dadurch kann ein glaubwürdiges Signal an den Kapitalmarkt ausgesendet werden: „Put your money where your mouth is“.

Die Unternehmen im unteren Mittelfeld des Scores beweisen diesen Mut kaum. Sie sind sehr zaghaft in der Implementierung von Nachhaltigkeitszielen: Diese machen nur einen sehr geringen Anteil der Gesamtvergütung aus und konzentrieren sich eher auf „allgemeine-anerkannte“ Nachhaltigkeitsbereiche wie CO2-Reduktion, sind also gerade nicht besonders Unternehmens-spezifisch.

Interessant ist jedoch, dass die MDAX-Unternehmen den DAX-Unternehmen kaum nachstehen in der ESG-Qualität ihrer Vergütung: Unter den Top-30 Positionen im Ranking finden sich 17 DAX- und 13 MDAX-Gesellschaften.