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Regionale Standardsetzung als inkrementeller institutioneller Wandel: Kontextspezifische Erscheinungsformen und Erfolgsbedingungen im Bereich der ökologischen Landwirtschaftspolitik (Habilitationsprojekt)

Verfasser: Dr. Sandra Schwindenhammer

Status: laufend

 

In der politikwissenschaftlichen Forschung der Internationalen Beziehungen und in der praktischen Politik gelten Standards neben Hierarchie- und Markt-basierten Ansätzen zunehmend als vielversprechende politische Regulierungsformen. Standards kommen in unterschiedlichen Politikbereichen wie der globalen Umweltpolitik, der Finanzpolitik oder der Nahrungs- und Landwirtschaftspolitik zum Einsatz.

Insbesondere in der globalen ökologischen Landwirtschaftspolitik forcierten ein gewachsenes Verbraucherbewusstsein, eine gestiegene Nachfrage nach gesunden und nachhaltigen Produkten und die Intensivierung globaler Handelsströme die Herausbildung einer Vielzahl unterschiedlicher öffentlicher und privater Standards: Der gemeinsame Codex Alimentarius der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen und der Weltgesundheitsorganisation, die Kodizes transnationaler Nahrungsmittelkonzerne, oder der globale Standard der internationalen Dachorganisation des ökologischen Landbaus (IFOAM), die Liste an Beispielen ließe sich beliebig verlängern.

Die Herausbildung von Standards in der globalen ökologischen Landwirtschaftspolitik erfolgt vielfach in grenzüberschreitenden Standardsetzungsprozessen unter koregulativer Beteiligung privater und öffentlicher Akteure. Dabei lässt sich in unterschiedlichen Weltregionen wie in der EU, in Ostafrika, oder im Pazifik ein zunehmender Trend zur Harmonisierung und regionalen Integration von Standards verzeichnen. Gleichwohl Standards als alternative Form politischer Regulierung in Forschung und Praxis bereits breite Beachtung finden, sind die Prozesse ihres Zustandekommens in inter-regionaler Perspektive noch nicht hinreichend erforscht.

Vor diesem Hintergrund besteht das Forschungsinteresse des Habilitationsprojekts in Erscheinungsformen und kausalen Bedingungen für die Entstehung von Standards in der ökologischen Landwirtschaftspolitik in unterschiedlichen Weltregionen. Das Forschungsdesign kombiniert eine Akteur- und strukturbasierte Forschungsperspektive. Theoretisch knüpft es an aktuelle Forschungsergebnisse und eigene Vorarbeiten zu Potenzial und Grenzen privater Regulierungsbeiträge, zum transnationalen Regieren durch Standards, und zum institutionellen Wandel an. Es konzeptualisiert regionale Standardsetzungsprozesse unter Rückgriff auf aktuelle neoinstitutionalistische Forschung zum inkrementellen institutionellen Wandel und leitet daraus potenzielle institutionelle Einflussfaktoren, kausale Mechanismen und Hypothesen zum Einfluss privater Agenten des Wandel ab.

Die zentrale Annahme ist, dass regionale Standards in der ökologischen Landwirtschaftspolitik das Ergebnis bestimmter regionaler Kontextbedingungen und der regulativen Beteiligung von Agenten des Wandels sind, die kontextspezifische Regulierungsfunktionen wahrnehmen. Die Studie zielt darauf, den Erklärungswert des Forschungsdesigns anhand qualitativ-vergleichender Fallstudien in unterschiedlichen Weltregionen zu eruieren. Neben der Erhebung der objektiven Ausprägungen der politischen, ökonomischen und sozialen regionalen Kontextbedingungen unter denen unterschiedliche regionale Standradsetzungsprozesse erfolgen, werden halbstandardisierte Experteninterviews mit öffentlichen und privaten politischen Akteuren durchgeführt, die an den regionalen Standardsetzungsprozessen mitwirken.

Der theoretische Beitrag des Habilitationsprojekts besteht einerseits in der Anwendung des ursprünglich rein auf staatliche und zwischenstaatliche Regulierung abstellenden neoinstitutionalistischen Ansatz des inkrementellen institutionellen Wandels auf neue Formen des öffentlich-privaten Regierens und damit in der Erweiterung der Reichweite des Ansatzes. Andererseits soll ein Beitrag zur Debatte um transnationales Regieren durch Standards geleistet werden. Sollten Standardsetzungsprozesse unter unterschiedlichen regionalen Bedingungen unterschiedlichen institutionellen Entwicklungspfaden folgen und unterschiedliche Ausformungen annehmen, dann bedürfen die bislang generalisierenden Annahmen über förderliche Entstehungsbedingungen (z.B. über Akteurskonstellationen, Steuerungsmechanismen, oder benötigte Regulierungsressourcen) eine weitere Ausdifferenzierung, die sowohl theoretische als auch empirische Implikationen hat.