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Schülerhefte zur Geschichte Gießens und Umgebung (Schuljahre 4-9)

Am Seminar für Didaktik der Geschichte wurde das fünfte Geschichtsheft für Schülerinnen und Schüler der Region vorgestellt. Die Hefte wurden in von Rita Rohrbach geleiteten Projektseminaren von Studierenden erarbeitet oder entstanden aus Examensarbeiten, wie das nun veröffentlichte fünfte Heft "Wegweiser. Gießen zur Zeit des Nationalsozialismus". In allen Heften wird versucht, an heimatlichen Beispielen regionale Geschichte und Weltgeschichte für Schülerinnen und Schüler der Klassen 4 bis 9 begreifbar zu machen. Die Hefte sind in der Tourist-Info Gießen für 3 Euro zu beziehen.

 Politische Geschichte begreifbar machen

 "Wegweiser - Gießen zur Zeit des Nationalsozialismus" für Schüler erschienen - Über zehn Gebäude und ihre Nutzer (Gießener Anzeiger)

von Franz Maywald

"Adolf Hitler, Führer der NSDAP, hat am 9.11.1931, also vor über 70 Jahren (so alt sind etwa deine Großeltern), zum ersten Mal eine Rede in der Gießener Volkshalle gehalten. Zu seiner Rede kamen 8000 Menschen. Das entspricht ungefähr 320 Schulklassen." Ein Jahr später, bei Hitlers zweitem Besuch in Gießen, hörten ihm bereits 15.000 Menschen zu. Mit Bildern von der Hakenkreuz-geschmückten Volkshalle, der jetzigen Miller-Hall in der Grünberger Straße 143, dem Hinweis auf die Bücherverbrennung, die am 8. Mai 1933 stattgefunden hat, und einer Erklärung der in dem Gebäude abgehaltenen "Braunen Messen" beginnt der "Wegweiser - Gießen zur Zeit des Nationalsozialismus". Genau wie in den bisher erschienenen Schülerheften zu "Justus Liebig in seiner Zeit" (2003), "Gießen ent-deckt" (sic!) (2006), "Der Botanische Garten" (2008) und "Entdecke die Burg Gleiberg" (2009) soll

die neue Materialsammlung Schülern von der 4. bis zur 8./9. Klasse "die politische Geschichte der Region" im wahrsten Sinne des Wortes "begreifbar" machen, sagte Rita Rohrbach, Pädagogische Mitarbeiterin am Institut für Geschichte der Gießener Universität, bei der Präsentation der Neuerscheinung. "Kinder sollen auch die politische und historische Dimension der Alltagsgeschichte in ihrem Lebensraum kennen", sagt Rohrbach, die mit ihren Didaktik-Studenten in regelmäßigen Abständen projektorientierte Seminararbeiten "zum historischen Lernen in der Grundschule" macht. Von einem "klaren Beispiel für unseren neuen Ansatz bei der Lehrerausbildung" sprach Institutsleiter Prof. Dr. Vadim Oswalt. Der neue Wegweiser geht auf eine preisgekrönte Staatsexamensarbeit von Sarah Hartwig (25) zurück, die nach ihrem Studium am Institut für Geschichte der Justus-Liebig-Universität (JLU) als Grundschullehrerin in Hain-Gründau arbeitet.

Der historisch-politische Wegweiser umfasst zehn Gießener Gebäude aus der NS-Zeit samt ihrer Nutzung und samt der Geschichte ihrer Bewohner, zahlreiche Bilder und je einen Gebäudesteckbrief mit Aufgaben für die Schüler. Die als Kopiervorlagen gedachten Arbeitsblätter haben die Form dieser Häuser, können bearbeitet sowie ausgeschnitten und somit "sinnlich erfahrbar" gemacht werden, betonte Rohrbach. "Bei Besuchen in der Innenstadt werden die Kinder und Jugendlichen die Gebäude wieder erkennen und mit den Inhalten zum Nationalsozialismus verknüpfen." Im Klartext: Anhand dieser "steinernen Zeitzeugen" und des sorgsam aufbereiteten Zusatzmaterials "werden die Kinder Ausgrenzung und Verfolgung, Angst und Hoffnung, Mut zum und Furcht vor Widerstand besser nachvollziehen können". Mit den von ihr erarbeiteten Unterrichtsmaterialien habe Sarah Hartwig Adornos Forderung ernst genommen, dass Auschwitz "nicht noch einmal sei". Im übrigen könne man nicht früh genug mit dieser Aufklärungsarbeit beginnen, weil nach einer Studie des Bundesinnenministeriums Kinder bereits im Alter von elf bis 14 Jahren in die rechtsradikale Szene abrutschten. Deshalb müssten Lehrer und Eltern "neue Wege in der Erziehung jüngerer Kinder oder Nichtleser" gehen.

Für Monika Graulich vom Verein Gegen Vergessen - Für Demokratie e.V. ist das neue Geschichtsheft wegen seines "exemplarischen Charakters" förderungswürdig. An den Herstellungskosten von rund 3400 Euro haben sich ferner beteiligt: die Ernst-Ludwig Chambre Stiftung (Lich), das Fritz Bauer Institut (Frankfurt/M.), die Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit Gießen-Wetzlar, der Oberhessische Geschichtsverein Gießen, die Osswald-Stiftung Gießen, das Stadtarchiv Gießen und die Tourist-Info Gießen.

Die Gesamtauflage umfasst 1000 Hefte, 600 davon hat das Schulverwaltungsamt an Gießener Schulen verteilt, die restlichen sind in der Tourist-Info für drei Euro erhältlich.

 

Schülerheft: Wegweiser - Gießen zur Zeit des Nationalsozialismus (2009)