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Das Historische Institut trauert um Helmut Berding (1930-2019)

 

 

Am 7. Januar 2019 ist Professor Dr. Helmut Berding im Alter von 88 Jahren verstorben. Mit ihm verliert das Historische Institut einen Hochschullehrer, der wissenschaftlich überaus profiliert, gesellschaftlich hochengagiert und für seine menschlichen Umgangsformen sehr geschätzt war. Er hat das Historische Institut nicht nur über Jahrzehnte hinweg und in vielfältiger Weise geprägt, sondern blieb dort auch nach seiner Emeritierung im Jahr 1998 präsent. Umso überraschender und schmerzlicher war die Nachricht von seinem Tod. 

Helmut Berdings Weg zum Professor war nicht vorgezeichnet. Aus einem nichtakademischen Elternhaus kommend, absolvierte er zunächst eine kaufmännische Ausbildung und arbeitete mehrere Jahre in seinem Beruf, ehe er – nach mehreren Aufenthalten im europäischen Ausland – Ende der 1950er Jahre auf dem zweiten Bildungsweg das Abitur in Braunschweig nachholte, Geschichte, Philosophie und Romanistik, später dann auch Pädagogik in Göttingen und Köln studierte, 1967 bei Theodor Schieder mit einer Dissertation über die Geschichtsauffassung und politische Theorie Georges Sorelspromoviert wurde und sich 1972 mit einer Arbeit über die napoleonischeHerrschafts- und Gesellschaftspolitik im Königreich Westfalen(1807-1813) habilitierte. Auf die Habilitation folgte noch im selben Jahr der Ruf an die Justus-Liebig-Universität Gießen, der er, von Gastprofessuren in Paris und Jerusalem abgesehen, bis zu seiner Emeritierung treu blieb. 

Nach Gießen brachte Helmut Berding sowohl sein Interesse an theoretischen Fragen der Geschichtsschreibung als auch seine Vorliebe für Frankreich mit, die nicht zuletzt aus der Zeit seiner „Wanderjahre“ stammte. Französische Geschichte, insbesondere die Zeit der Revolution und napoleonischen Reformen, wurde daher auch ein wichtiger Schwerpunkt in seiner Forschung und Lehre. Mit Frankreich pflegte er darüber hinaus enge berufliche und persönliche Kontakte, was sich auch in seinem Engagement für die internationale Mobilität der Gießener Studierenden niederschlug. So war Helmut Berding maßgeblich an der Etablierung des bis heute existierenden Erasmus Programmes zwischen den Universitäten Gießen und Bordeaux zu Beginn der 1990er Jahre beteiligt. Das macht ihn in der Rückschau unweigerlich zu einem wichtigen Akteur der deutsch-französischen Beziehungen auf universitärer Ebene. Dass er auch in Frankreich ein hochgeschätzter Kollege war, zeigt sich u.a. daran, dass ihn die renommierte École des Hautes Études en Sciences Sociales im akademischen Jahr 1985/86 als Gastprofessor nach Paris holte.

Neben seinen vielfältigen Verdiensten für das Historische Institut hat Helmut Berding erheblich zur Fortentwicklung von Geschichtsschreibung und Geschichtswissenschaft beigetragen. Mit seinen Forschungen zur napoleonischen Reformzeit in Deutschland, zum modernen Antisemitismus und zur Geschichte des Bundeslandes Hessen hat er Grundlagen geschaffen, auf welche die historische Forschung bis heute aufbaut. Als langjähriger Mitherausgeber der Buchreihe "Kritische Studien zur Geschichtswissenschaft" sowie der Zeitschrift "Geschichte und Gesellschaft“ war er ferner viele Jahre an renommierten Publikationsorganen beteiligt, die in der Geschichtswissenschaft bis heute von zentraler Bedeutung sind.  

Trotz all dieser Leistungen blieb Helmut Berding ein akademischer Lehrer, der für sein unprätentiöses, von Status- und Hierarchiedenken freies Handeln ebenso geschätzt wurde wie für seine Herzlichkeit. Das verschaffte ihm viel Zuneigung und erklärt zugleich, warum die von ihm betreuten Nachwuchswissenschaftler/-innen oftmals eng mit ihm verbunden blieben. Den Werdegang seiner Schülerinnen und Schüler verfolgte er aufmerksam und mit großem Interesse; ihre Publikationen las und kommentierte er rasch – und das bis kurz vor seinem Tod. Frauen förderte er in einer Zeit, in der dies keinesfalls selbstverständlich war. 

Helmut Berding war ein gesellschaftlich hochengagierter Mensch, der für seinen Einsatz mehrfach ausgezeichnet wurde: 1993 mit der „Hedwig-Burgheim-Medaille“ durch den Magistrat der Stadt Gießen und 1999 mit dem Verdienstkreuz am Bande der Bundesrepublik Deutschland. Sein besonderes Augenmerk galt der Förderung von Begabten durch die Friedrich-Ebert-Stiftung, deren Stipendiat er selbst einst gewesen war, und war nicht zuletzt dem Umstand geschuldet, dass ihm aufgrund seines eigenen Werdegangs bewusst war, dass Bildung und der Zugang zur Universität nicht selbstverständlich sind. Durch seine ehrenamtliche Tätigkeit in der Friedrich-Ebert-Stiftung hat er nicht nur dazu beitragen, jungen Leuten den Weg in eine akademische Ausbildung zu ebnen, denen dies nicht in die Wiege gelegt wurde, sondern ebenfalls für mehr soziale Gerechtigkeit Sorge getragen.

Bettina Severin-Barboutie