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Projekt B2: "Audiovisuelle Geschichtsschreibung. Fernsehnarrative in Ost- und Westeuropa"

Projektleiter: Prof. Dr. Frank Bösch, Prof. Dr. Peter Haslinger

Geschichtsdarstellungen waren schon immer mit Kulturtechniken wie Schreiben, Erzählen oder Visualisieren verbunden und damit medial geprägt. Dennoch leitete das Aufkommen des Films und dann insbesondere des Fernsehens einen dynamischen Medialisierungsschub ein, der die Geschichtskreation, -inhalte und -vermittlung deutlich veränderte. Die audiovisuelle Geschichtsdarstellung griff dabei zahlreiche Kulturtechniken der bisherigen historischen Darstellung in neuen Formaten auf – wie das orale Erzählen durch Zeitzeugen, die visuelle Anschauung von Schauplätzen oder schriftlichen Dokumenten. Sie bildete jedoch aus neuen technischen, ökonomischen und institutionellen Bedingungen heraus auch eigene Erzähl-, Darstellungs- und Rezeptionsformen aus. Das Teilprojekt untersucht diesen Übergang von der vornehmlich oralen und schriftlichen Geschichtsvermittlung zur audiovisuellen Geschichtskultur und geht der Frage nach, wie die neue mediale Technik bisherige Kulturtechniken der Geschichtsdarstellung veränderte.

Das Fernsehen wird als ein Kommunikationsmittel verstanden, das aus seiner technischen Struktur heraus die Geschichtskultur formgebend, selektierend und sinnbildend neu gestaltet und speichert. Das Projekt analysiert erstens die spezifischen inhaltlichen Verschiebungen, die mit dem Wandel des medialen Formats einhergingen, um medienspezifische Beziehungen zwischen Form und Inhalt auszumachen. Zweitens wird geprüft, in welcher Beziehung diese audiovisuellen Geschichtsdarstellungen jeweils zur schriftlich formulierenden Wissenschaft und Publizistik standen und welche Abgrenzungen in den Selbstbeobachtungen gezogen wurden; im Unterschied zu Popularisierungsansätzen wird hier von einer dynamischen intermedialen Wechselwirkung ausgegangen. Drittens fragt es nach den Aneignungsformen der Mediennutzer, um Wechselbeziehungen zwischen neuen Techniken der medialen Kommunikation und gesellschaftlichen Entwicklungen auszumachen, etwa im Hinblick auf die Verschiebung von Wissensanordnungen und Erinnerungsformen.

Welche spezifischen Techniken und Formen die audiovisuelle Geschichtsschreibung im Fernsehen seit den 1950er Jahren ausbildete, wird an ausgewählten Dokumentationen und Fernsehspielen zum Holocaust aus West- und Osteuropa erforscht. Diese vergleichende Perspektive ermöglicht eine Ergebnisbildung, die die spezifische Medialisierungsleistung des Fernsehens in Verbindung mit den politischen Rahmenbedingungen zeigt. Zugleich ermöglicht dieser Zugriff, aus historischen Kontexten heraus Besonderheiten des Medialisierungsprozesses im Kalten Krieg herauszuarbeiten. Geplant ist eine vergleichende Untersuchung insbesondere zu Polen, der DDR, der BRD und Großbritannien.

 

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