Inhaltspezifische Aktionen

Mitten in Europa: Mittelalterliche Kunst und Architektur in Hessen

Weg – Ort – Objekt. Hessen als vernetzte mittelalterliche Kulturlandschaft, 1200-1550

Ein gemeinsames Projekt der Professuren für Mittelalterliche Kunstgeschichte der GU Frankfurt und der JLU Gießen

Das Bild des vormodernen Hessens als eines homogenen und abgelegenen Kunst- und Kulturraums hat sich u. a. mit den frühen Illustrationen der Grimm'schen Kinder- und Hausmärchen im 19. Jahrhundert in der allgemeinen Wahrnehmung festgesetzt. Denn viele Künstler versetzten Märchenillustrationen in ‚hessisch‘ anmutende Architekturen und Interieurs. Doch das Gebiet des heutigen Bundeslandes Hessen kann (kunst-)historisch in vielerlei Hinsicht als vielfältig angesprochen werden. Denn die namensgebende Landgrafschaft war nur einer von vielen politischen und kulturellen Akteuren in einer von flachen Hügelketten, Plateaus und Flusstälern bestimmten Regionen. Die sich dort folglich herausbildenden verschiedenen „ Kleinlandschaften“ wurden von zentralen Verkehrsachsen durch das vormodernde Mitteleuropa miteinander verbunden, weshalb der Historiker Karl E. Demandt 1972 das heutige Hessen als ein „ Verbindungs- und Straßenland“ definierte.

Das Projekt möchte daran anknüpfend das reiche Erbe von Hessens spätmittelalterlicher Kunst und Architektur in seinen kulturräumlichen Entwicklungszusammenhängen erforschen. Sein Ziel ist es, die Bildung einer Kulturlandschaft nicht wie oft in der Forschung üblich als Folge zeitlicher und räumlicher Kontinuitäten zu begreifen, sondern als Resultat kreativer und dynamischer Prozesse, welche aufgrund der Mobilität von Menschen, Ideen und Ressourcen entlang solcher Fernwege wie der Via Regia oder der Kurzen und Langen Hessen gegeben waren. Wir verstehen einzelne bau- und bildkünstlerische Objekte als Produkte eines kreativen Prozesses, der sich in einem dynamischen Netzwerk entlang von Wegen an bestimmten Ort in der longue durée entfalten konnte. Dadurch kann die Kunst und Architektur im Verbindungs- und Straßenland Hessen von der Formierung der Landgrafschaft bis zur Reformation systematisch in ihrer Verflechtung lokaler wie überregionaler Faktoren im historischen Prozess dargestellt werden. Dies ermöglicht ein differenziertes Verständnis für die vielen Ensembles, die sich in der noch vielerorts ländlich geprägten Region aus Spätmittelalter und beginnender Neuzeit erhalten haben.

Methodische Grundlagen dieses Projekts wurden im Rahmen einer gemeinsam wahrgenommenen Gerda-Henkel-Gastprofessur an der Stanford University entwickelt.

Creuzburg, Werrabrücke (1222/24) und Liboriuskapelle (1499–1517), Ansicht v. Südwesten (Foto: Späth)

Die von Ludwig IV., Landgraf von Thüringen und Ehemann der Hl. Elisabeth, ab 1222 bei Creuzburg (heute Thüringen) errichtete Steinbrücke, erlaubte die Querung der Werra auf der Langen Hessen – einer Frankfurt und Leipzig verbindenden Hauptroute . Obwohl die Werra mit der Abspaltung Hessens von der alten Landgrafschaft Thüringen zu einer Grenze wurde, blieb die Brücke ein verbindender Ort . Dies manifestierte sich durch die an der Ostseite der Brücke gelegene Liboriuskapelle, deren hölzerner Bau ab 1499 durch einen aus Stein ersetzt wurde. Dessen Wandmalereien rücken das Leben der Hl. Elisabeth in den Mittelpunkt, die als Landgräfin auf der Creuzburg mindestens eines ihrer Kinder zur Welt brachte und somit zur Mater Hessiae wurde. Bau und Ausstattung bilden ein kunsthistorisch fassbares Objekt .