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Schwarmstadt Gießen: eine bundesweite Einordnung

Was sind Schwarmstädte?

Christian Diller, Jonas Goebel, Marie-Louise Litmeyer

Quelle: Eigene Darstellung auf Basis von Statistischem Bundesamt (2008-2017)**

Als Schwarmstädte werden Städte bezeichnet, die vor allem in den jungen Altersgruppen überdurchschnittlich starke und kontinuierliche Einwohnerzuwächse erfahren. Trotzdem ist in diesen Städten die allgemeine Entwicklungsdynamik insgesamt noch nicht so hoch, dass sie sich in den Lebenshaltungskosten, wie insbesondere in hohen Mieten niederschlägt. Genau dieser Umstand macht sie für jüngere Altersgruppen noch attraktiver. Meist verfügen Schwarmstädte über eine Hochschule, die als Magnet wirkt.

Eine bundesweite Untersuchung* identifizierte 2015 auf der räumlichen Ebene von Kreisen und kreisfreien Städten solche Schwarmstädte. Als solche klassifiziert wurden einerseits Städte, die für ihre hohe Attraktivität seit langem bekannt sind, wie etwa die Fahrradstadt Münster. Vor allem aber wurden Städte in Ostdeutschland wie Leipzig und Magdeburg als Schwarmstädte identifiziert, die nach vorherigen Jahren der Schrumpfung seit Mitte des letzten Jahrzehnts ein überraschend starkes Einwohnerwachstum in den jüngeren Altersgruppen aufwiesen. Diese Untersuchung enthielt allerdings keine exakten Angaben für die Stadtgrößen unter 100tsd Einwohnern. Da diese in der Regel kreisangehörig sind, werden ihre Entwicklung in der Statistik durch Entwicklungen ihres Umlandes überlagert und „verwässert“. Die Attraktivität der Kernstadt, die vor allem für junge Menschen wichtig ist, wird daher nicht deutlich.

Gießen im Vergleich mit anderen Hochschulstädten

Die Stadt Gießen hatte Ende 2019 89.117 Einwohner. Für einen Vergleich bietet sich vor allem die Entwicklung, die sich in der Liga der Städte zwischen 50tsd und 100tsd Einwohnern vollzog, an. Gibt es auch hier Schwarmstädte? Diese Städtegruppe ist vor allem auch perspektivisch von Interesse. Denn während sich in den großen Schwarmstädten z. T.  bereits die negativen Folgen des Entwicklungsdrucks vor allem in Form steigender Mieten zeigen, können die kleinen Schwarmstädte eine Nische für Ausbildungswanderer darstellen, in denen es sich attraktiv und dennoch günstig leben lässt.

Die folgende Abbildung zeigen die Ergebnisse einer bundesweiten Betrachtung der Städte zwischen 50- und 100tsd Einwohnern. Dabei wird die Stadt Gießen mit der benachbarten Universitätsstadt Marburg, mit den anderen hessischen Hochschulstädten, mit den nicht hessischen Hochschulstädten in der Stadtgrößengruppe 50-100tsd Einwohner und den anderen deutschen Hochschulstädten verglichen. Dargestellt ist die relative Einwohnerentwicklung bis 2019 bezogen auf das Basisjahr 2013.
 

Quelle: Eigene Darstellung auf Basis von Statistischem Bundesamt (2008-2017)**



Die Abbildung macht deutlich: In der Altersgruppe der 18-24-Jährigen - hatte Gießen die mit Abstand dynamischsten Zuwächse zu verzeichnen.  
Zwischen 2013 und 2019 nahm die Zahl der Einwohner in dieser Altersgruppe um 35% zu!

Das Fazit ist eindeutig: Gießen gehört zu den dynamischsten kleineren Schwarmstädten Deutschlands. Die beiden Hochschulen der Stadt, die Einführung der Zweiwohnsitzsteuer im Jahr 2014 sowie die Erstaufnahmeeinrichtung des Landes Hessen  stellen dafür den wichtigsten Grund dar.

 

* Simons, H., Weiden“, L., Schwarmstädte in Deutschland – Ursachen und Nachhaltigkeit der neuen Wanderungsmuster“, Studie im Auftrag des Bundesverbandes deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen e.V. (GdW), Berlin, 2015;

** Statistisches Bundesamt (2008-2017): Bevölkerung nach Geschlecht und Altersgruppen (17) - Stichtag 31.12. - regionale Tiefe: Gemeinden. Code: 12411-02-03-5.