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Umweltwandel durch anthropogene Einflüsse

Anthropogene Einflüsse als Auslöser geänderter Verhaltensweisen oder Artgefährdungen

Das sogenannte Anthropozän, als jetziges Zeitalter, in welchem durch Menschen verursachte Veränderung der Geologie der Erde auftritt, zeichnet sich laut IUCN- (2021), IPBES- (2021) und WWF- (2020) Berichten durch erhebliche Biodiversitätsverluste aus. Hiervon sind gemäß IPBES (2021) Ozean- und Landflächen betroffen, aktuell wird von 87%iger, respektive 77%iger (ohne die Antarktis) Veränderung ausgegangen. Auf Tiere wirken viele, teilweise für sie neue Stressoren ein. Daher sind aktuelle Forschungsergebnisse zu Mensch-Tier-Interaktionen1, Einflüssen auf die artspezifische Nahrungsökologie2 sowie Projektionen zum Klimawandel3 von besonderer Relevanz.

Das Interaktionsverhalten von Sepiasturmtauchern (Calonectris diomedea) wurde hinsichtlich der Interaktion mit Fischereifahrzeugen untersucht, da diese von den Vögeln als neue Nahrungsquelle (Fischabfälle) erschlossen wurden1. Die Nutzung erwies sich jedoch als problematisch, denn einerseits konkurrierten die Vögel mit der intensiv betriebenen Fischerei um ihre klassische Nahrungsressource, andererseits hatten die alternativ von ihnen genutzten Fischereiabfälle niedrigere Nährstoffwerte als das natürliche Futter1. Lediglich 40% der Sepiasturmtaucher nutzten, bevorzugt morgens (Abb. 1), die neue Nahrungsquelle, vermutlich um Energie zu gewinnen1. Diese Individuen nahmen für ihre anschließenden Beutezüge sowohl längere Flugzeiten als auch höhere Flugdistanzen auf sich1. Der Schluss, dass es durch die fischereiverursachte Übernutzung zum Wettbewerbsausschluss konkurrenzschwacher Vögel in der Nähe der Brutkolonie kommt, liegt nahe1. Benachteiligte Individuen wurden, durch den Druck ihrer stärkeren Artgenossen, gezwungen auszuweichen1. Sie mussten daher Fischabfälle nutzen, um die höheren Energiekosten zur Erreichung entfernterer Nahrungsgründe zu decken1. Pläne der Europäischen Union, die auf ein Rückwurfverbot von Fischereiabfällen abzielen, sollten daher zunächst graduell und unter Beobachtung der örtlichen Sepiasturmtaucherpopulation umgesetzt werden1.

 

Abb. 1: Anzahl der Interaktionen zwischen Vögeln und Fischereifahrzeugen berechnet nach Tageszeit (GMT +2). Der blaue Bereich zeigt die Nachtstunden1 (Abb.: 5 S. 5)

 

Die Quecksilberkonzentrationen im Oberflächenwasser haben sich, aufgrund menschlicher Aktivitäten (z. B. fossile Brennstoffnutzung), im Vergleich zum Zeitraum vor dem Anthropozän verdreifacht2. Das Spurenelement (Hg) kann bereits in niedrigen Konzentrationen starke negative Auswirkungen auf Körperfunktionen (Nerven-, Reproduktions- und Immunsystem) haben2. Durch die marinen Nahrungsnetze wirkt eine Anreicherung besonders stark auf langlebige Top-Prädatoren wie Seevögel2. Die Konzentration kann in Blut, Muskulatur und Federn nachgewiesen werden2. In der vorliegenden Studie wurden stabile δ13C- und δ15N-Isotope sieben sympatrisch brütender Röhrennasenarten der Chatham-Inseln (Neuseeland) untersucht2. Während δ13C-Werte Aufschluss über die Breitengrade der Nahrungsgebiete bieten, repräsentieren δ15N-Werte die trophische Position2. Als Hauptfaktoren der Hg-Konzentrationen wurden Artzugehörigkeit (Hakensturmtaucher) und Nahrungshabitate (ozeanische Zone) ermittelt2.  Die vom Aussterben bedrohten Magentasturmvögel (Pterodroma magentae) sowie die als gefährdet geltenden Chathamsturmvögel (Pterodroma axillaris), wiesen die höchsten Hg- Werte in Blut- und Federn auf2. Bei P. magenta wurden so 35fache Werte in den Federn im Vergleich zur geringst belasteten Art, den Graurücken-Sturmschwalben (Garrodia nereis), ermittelt2. Weiteren Aufschluss zu Quecksilber-Konzentrationen könnte durch künftige Studien anderer Pterodoma-Spezies erlangt werden2.

Eine der wenigen Studien, die sich mit, durch den Klimawandel bedingten, möglichen mikroklimatischen Veränderungen der Wirt-Parasiten-Beziehung beschäftigte, wurde durch experimentelle Erhöhung der Nisthöhlentemperaturen bei Blaumeisen (Cyanistes caeruleus) in Spanien und Deutschland vorgenommen3. Ziel war, durch besseres Verständnis präzisere Vorhersagen zu zukünftigen globalen Trends zu ermöglichen3. Die unterschiedlichen Klimata der beiden Untersuchungsstandorte zeigten sich durch differierende Vektor- und Parasitenfaunen3. Während in Spanien Schmeißfliegen (Protocalliphora azurea) und Stechmücken (Gattung Culicoides) sowie Blutparasiten häufiger waren, wurden in Deutschland höhere Flohabundanzen (Ceratophyllus gallinae) festgestellt. Durch moderate Nutzung von Heizmatten erhöhte sich die nächtliche Durchschnittstemperatur der Nistkästeninnenräume während der Brutperiode um 2,34 °C (Spanien) und 1,35 °C (Deutschland), wodurch die durchschnittliche relative Feuchtigkeit um 4,93 Einheiten (Spanien) und 0,82 Einheiten (Deutschland) sank. Resultierend wurden an beiden Untersuchungsorten in den temperatur-manipulierten Nistkästen eine geringere Abundanz an Schmeißfliegenpuppen festgestellt, während exklusiv für Spanien auch eine geringere Abundanz an Flohlarven ermittelt wurde3. Bezüglich der Infektion mit Blutparasiten (Haemoproteus/Plasmodium) ergaben sich niedrigere Anzahlen an befallenen Erythrozyten (Abb. 2) für nestbesuchende Männchen unbeheizter Kontrollnester im Süden (Spanien) sowie der beheizten Nester im Norden (Deutschland)3. Eine negative Beziehung sowohl der Körpermasse der Männchen als auch der Flügellänge der Nestlinge zur Abundanz der Flohlarven lag vor, sodass sich durch das Experiment positive Fitnesseffekte bei Blaumeisen durch geänderte Parasitenprävalenzen zeigten3. Allerdings würden sich stärkere oder täglich länger andauernde Temperaturerhöhungen zwar möglicherweise negativ auf das Vorkommen einiger Parasiten aber ebenfalls negativ auf die Nestlingsentwicklung auswirken3.

Abb. 2: Unterschiede in der Häufigkeit von Haemoproteus/Plasmodium in Blaumeisenmännchen nach Behandlung und Ort. Dargestellt sind Mittelwerte ± 95 %-Konfidenzintervalle3.

 

Quellen

1. Cianchetti-Benedetti M, Dell’Omo G, Russo T, Catoni C, Quillfeldt P (2018): Interactions between commercial fishing vessels and a pelagic seabird in the southern Mediterranean Sea. BMC ecology, 18(1), 54. https://bmcecol.biomedcentral.com/articles/10.1186/s12898-018-0212-x

2. Thébault J, Bustamante P, Massaro M, Taylor G, Quillfeldt P (2021): Influence of species-specific feeding ecology on mercury concentrations in seabirds breeding on the Chatham Islands, New Zealand. Environmental Toxicology and Chemistry 40: 454-472.
https://setac.onlinelibrary.wiley.com/doi/pdfdirect/10.1002/etc.4933

3. Castaño-Vázquez F, Schumm YRBentele AQuillfeldt P, Merino S (2021): Experimental manipulation of cavity temperature produces differential effects on parasite abundances in blue tit nests at two different latitudes.  International Journal for Parasitology: Parasites and Wildlife, 14: 287-297. In Press. https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S2213224421000420