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Gießener Vollwert-Ernährungs-Studie Teil II (Gießener Schwangerschafts-Studie)

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Inhalt:

1 Fragestellung und Ziele der Studie
2 Studiendesign
3 Weitere Untersuchungen
4 Zusammenarbeit und Dank
5 Publikationen

 

Fragestellung und Ziele der Studie

Die Vollwert-Ernährung stellt eine überwiegend lakto-vegetabile Kostform mit einem hohen Anteil an unerhitzter Frischkost dar (Koerber vK und Leitzmann 1994). In den alten Bundesländern wird sie von 5-7 % der Bevölkerung praktiziert (DGE 1992). Fragestellung und Ziele der Untersuchung zur Nährstoffversorgung von Schwangeren haben sich aus den Ergebnissen der Gießener Vollwert-Ernährungs-Studie

ergeben.

Tab. 1: Ausgewählte Nährstoff-Empfehlungen
in der Schwangerschaft (DGE 1991)

Nährstoffe

Steigerung der
Zufuhrempfehlung (%)

Eisen

100

Zink

25

Magnesium

0

Folsäure

100

Vitamin B6

63

Vitamin B12

17

An die Ernährung in der Schwangerschaft werden besondere Anforderungen gestellt. Der erhöhte Nährstoffbedarf für Fetus, Plazenta und das vermehrte mütterliche Blutvolumen kann nicht immer durch erhöhte Resorptionsraten und den Rückgriff auf Körperreserven kompensiert werden (Kisters 1994; Wald 1993).

Die DGE sowie das National Research Council (NRC 1989) in den USA empfehlen eine erhöhte Zufuhr nahezu aller Nährstoffe in der Schwangerschaft. Einige ausgewählte Nährstoffempfehlungen sind in Tabelle 1 dargestellt (DGE 1991).

Die Versorgung schwangerer Frauen mit kritischen Nährstoffen wie Eisen, Vitamin B12, Folsäure, Zink und Magnesium ist ein aktuelles Thema. Viele Studien erheben die Nährstoffversorgung von schwangeren Frauen verschiedenster Bevölkerungsgruppen und auch Ernährungsformen, wie des Vegetarismus, in der Schwangerschaft. Es gibt derzeit jedoch keine Untersuchung, die sich mit der Nährstoffversorgung schwangerer Vollwertköstlerinnen auseinandersetzt, obgleich Vollwertköstlerinnen einen bedeutenden Anteil unserer Bevölkerung darstellen.

 
Ziel der Studie

ist die Beantwortung der Frage, ob die Empfehlungen der Vollwert-Ernährung auch für schwangere Frauen unverändert ausgesprochen werden können oder zielgruppengerecht modifiziert werden müssen. Hierzu wurde die Nährstoffaufnahme schwangerer Vollwertköstlerinnen und deren Nährstoffversorgung mit klinisch-biochemischen Parametern im Schwangerschaftsverlauf erfaßt. Ein besonderes Augenmerk wurde auf den Eisen- und den Vitamin B12-Stoffwechsel gelegt. Weiterhin war das Wohlergehen der Frauen sowie die Häufigkeit des Auftretens möglicher Beschwerden während der Schwangerschaft von Interesse.

Studiendesign

An der Studie konnten Frauen teilnehmen, die schwanger waren und schon mehrere Jahre Vollwert-Ernährung praktizierten oder sich in etwa gemäß dem Bundesdurchschnitt ernähren. Es wurde eine Gruppengröße von 110 Teilnehmerinnen erreicht, die sich aus 2/3 Vollwertköstlerinnen und 1/3 Mischköstlerinnen zusammensetzt. Etwa die Hälfte der Vollwertköstlerinnen praktizierte die vegetarische und etwa die Hälfte die nicht vegetarische Variante der Vollwert-Ernährung.

Rekrutierung der Probandinnen

In Zusammenarbeit mit den lokal niedergelassenen Gynäkologen/-innen, durch Anzeigen in Zeitschriften sowie durch Aushänge wurden schwangere Frauen angesprochen.

Sie erhielten zunächst ein Informationsblatt über die Studie und einen einseitigen Kurzfragebogen

, in dem sie angaben, welche Form der Ernährung sie praktizierten und ob sie interessiert sind, an der Studie teilzunehmen.

Interessierte Frauen erhielten einen ausführlichen Fragebogen, in dem unter Beachtung der Richtlinien zum Datenschutz neben soziodemographischen Daten folgende Aspekte gezielt erfragt wurden:
  • Ernährungsverhalten (Lebensmittelauswahl, Zubereitungsformen etc.)
  • Gesundheitszustand (incl. Krankheitsanamnese)
  • Gesundheitsbezogenes Verhalten (Rauchen, Sport etc.)
  • Menstruation vor der Schwangerschaft.
Aus diesem Kollektiv wurden sowohl die Frauen in die Studie aufgenommen, die Vollwert-Ernährung praktizieren, als auch diejenigen, die sich gemäß dem Bundesdurchschnitt ernähren. Zur Auswahl und Gruppeneinteilung diente eine im Fragebogen enthaltene semiquantitative Häufigkeitstabelle (Food Frequency Questionnaire). Frauen, die keiner Gruppe eindeutig zugeordnet werden konnten, wurden von der weiteren Untersuchung ausgeschlossen.

Ernährungsprotokoll

Um die Nährstoffaufnahme und die Nährstoffversorgung im Schwangerschaftsverlauf erfassen zu können, wurde in jedem Schwangerschaftsdrittel (9.-12., 20.-22. und 36.-38. Schwangerschaftswoche) ein 4-Tage-Ernährungsprotokoll geführt. Es handelt sich um ein validiertes Schätzprotokoll, das von der vorausgegangenen Vollwert-Ernährungs-Studie übernommen wurde (Hoffmann et al. 1994).


Blutentnahmen

Das Ernährungsprotokoll wurde jeweils von einer Nüchtern-Blutentnahme begleitet, um die Entwicklung biochemischer Parameter im Schwangerschaftsverlauf zu erfassen.

Bestimmt wurden Parameter, mit deren Hilfe es möglich ist, den Eisen- und Vitamin B12-Haushalt näher zu charakterisieren. Weiterhin wurde die Versorgung mit Zink und Kupfer erfaßt, da diese in Wechselwirkungen zum Eisenhaushalt stehen sowie die Versorgung mit Folsäure und Vitamin B6 zur genaueren Charakterisierung der Vitamin B12-Versorgung. Diese Nährstoffe unterliegen auch selbst bedeutenden Veränderungen im Schwangerschaftsverlauf. Darüber hinaus ist die Versorgung von schwangeren Frauen mit Magnesium von Interesse.

Die Untersuchungen im Rahmen unserer Studie fanden entweder im Institut für Ernährungswissenschaft, bei den Frauen privat oder in der gynäkologischen Praxis in Anwesenheit mindestens einer Mitarbeiterin statt. Diese Flexibilität war notwendig, um die Motivation der Teilnehmerinnen im Verlauf der Studie aufrecht zu erhalten.


Liste der bestimmten Parameter

Eisen:

kleines Blutbild, Eisen (Serum), Transferrin (Serum), Ferritin (Serum), Zinkprotoporphyrin (Erythrocyten)

Vitamin B12:

kleines Blutbild, Cobalamin (Serum und Erythrocyten), holo-Transcobalamin II, holo-Haptocorrin, Transcobalamine, B12-Bindungskapazitäten

Folsäure:

Folsäure (Serum und Erythrocyten), Segmentierung neutrophiler Granulozyten, Homocystein

Magnesium:

Magnesium (Serum, Vollblut und Urin)

Zink:

Zink (Serum und Kopfhaare), Alkalische Phosphatase

Kupfer:

Kupfer (Serum), Ceruloplasmin.

 

Weiterhin wurde jeweils die Körpergröße, das Körpergewicht und der Blutdruck der Probandinnen erhoben.

Die meisten Analysen wurden im Zentrallabor des Klinikums der Justus-Liebig-Universität, Gießen, unter der Leitung von Herrn Prof. Dr. Katz durchgeführt. Die Bestimmungen zum Vitamin-B12-Status wurden im St. Mary´s Hospital in London im hämatologischen Labor von Prof. Wickramasinghe sowie im Institute of Internal Medicine II der Erasmus Universität in Rotterdam, NL, vorgenommen. Die Bestimmungen des Zinkrotoporphyrins fanden in unserem eigenen Labor statt - dank eines uns für die Dauer der Studie von der Firma Gossweiler überlassenen Hämatofluorometers (Aviv, Biomedical Inc., Lakewood, NJ, USA). Auch die Anfertigung der Blutaustriche für die Bestimmung der Granulozyten-Segmentation, die Aufbereitung der Proben zur Bestimmung von Cobalamin in den Erythrocyten und die Haaranalysen wurden in unserem Labor durchgeführt. 


Schwangerschaftstagebuch

Die Probandinnen führten ein Schwangerschaftstagebuch über auftretende Schwangerschaftsbeschwerden und Heißhungergefühle sowie die Medikamenteneinnahme.  


Mutterpaß

Zusätzlich stehen die Angaben aus dem Mutterpaß zur Verfügung. Hieraus werden Daten zum Schwangerschaftsverlauf, zur Gestationsdauer und die gynäkologischen Nachuntersuchungen erhoben. 

Abschlußfragebogen

Im Abschlußfragebogen wurden Daten zu folgenden Bereichen erhoben:

  • Besonderheiten in der Schwangerschaft

  • Geburt

  • Stillverhalten

  • ältere Kinder

  • Ernährungsberatung in der Schwangerschaft


Weitere Untersuchungen

Muttermilchuntersuchungen

Die Teilnehmerinnen wurden vom Staatl. Lebensmitteluntersuchungsamt, Mittelhessen auf die Möglichkeit hingewiesen, Schadstoffgehalte in der Muttermilch analysieren zu lassen. 

Ernährung von Kleinkindern

Es gibt viele Untersuchungen über die Ernährung von Säuglingen und auch von älteren Kindern aber es ist nur wenig darüber bekannt, was Kinder im Alter von etwa 2 Jahren essen. Deshalb wurden von Frau Hoffmann zwei Diplomandinnen betreut, die eine Fragebogenaktion durchführten, in der Informationen zu diesem Thema bei den Kindern der Studienteilnehmerinnen erhoben wurden.

Essigwasser-Projekt

Da Eisenpräparate Nebenwirkungen wie Übelkeit und Verstopfung haben können und immer auch einen Eingriff in den übrigen Mineralstoffhaushalt darstellen, werden sie von vielen abgelehnt. Probandinnen und Hebammen berichteten uns von der erfolgreichen Einnahme von Essigwasser zur Verbesserung des Eisenhaushaltes. Im Essigwasser-Projekt wurde eine eventuell notwendige Gabe von Eisen durch das alte Hausrezept - Essigwasser - ersetzt. Essigwasser wird aus Wasser, Honig und Essig hergestellt und drei mal täglich zu den Mahlzeiten getrunken. Es soll kontrolliert untersucht werden, ob die berichtete Verbesserung des Eisenstatus durch die Einnahme von Essigwasser stattfindet. Sollte eine Verbesserung des Eisenhaushaltes erzielt werden, so läßt sich diese mit großer Wahrscheinlichkeit durch den Säuregehalt des Essigs erklären, der die Aufnahme von Eisen aus den verzehrten Lebensmitteln im Körper verbessert.

 

Zusammenarbeit und Dank

Die Studie wird in Zusammenarbeit folgender Personen und Institutionen durchgeführt, denen wir an dieser Stelle herzlich danken möchten:

  • Niedergelassene Gynäkologen/-innen und Hebammen

  • Prof. Dr. med. Katz, Klinische Chemie der Justus-Liebig-Universität Gießen

  • Prof. Dr. med. H. Laube, Med. Poliklinik der Justus-Liebig-Universität Gießen

  • Prof. S.N. Wickramasinghe, St. Mary´s Hospital, Department of Hematology, London

  • Dr. P.C. Dagnelie (Ph.D.), Institute of Internal Medicine II, Universität Rotterdam

  • Dr. J. Lindemanns, Institute of Internal Medicine II, Universität Rotterdam

Ganz besonderer Dank gilt

  • der Stoll-Stiftung für die finanzielle Unterstützung unserer Studie,

  • der Eden-Stiftung für die Bereitstellung von Honig und Essig für das Essigwasser-Projekt sowie für die finanzielle Unterstützung,

  • Herrn P. Gossweiler (Aviv, Biomedical Inc., Lakewood, NJ, USA) für die kostenlose Bereitstellung des Hämatoflourometers zur Analyse von Zinkprotoporphyrin,

  • den Ärzten/innen, die für so wenig Lohn mit uns Blutentnahmen im Institut und vor allen bei unseren nicht in Gießen wohnenden Teilnehmerinnen durchgeführt haben

  • und natürlich bei den Teilnehmerinnen selbst, ohne deren Mithilfe die Durchführung der Studie nicht möglich gewesen wäre.

Publikationen zur Studie

  • Koebnick C, Leitzmann R, Garcia AL, Heins UA, Heuer T, Golf S, Katz N, Hoffmann I, Leitzmann C: Long-term effect of a plant-based diet on magnesium status during pregnancy. Eur J Clin Nutr 59 (2), 219-225, 2005
  • Koebnick C, Hoffmann I, Dagnelie PC, Heins U, Wickramasinghe SN, Ratnayaka ID, Gruendel S, Lindemans J, Leitzmann C: Long-term ovo-lacto vegetarian diet impairs vitamin B12 status during pregnancy in pregnant women. J Nutr 134 (12), 3319-26, 2004
  • Koebnick C, Heins UA, Dagnelie PC, Wickramasinghe SN, Ratnayaka ID, Hothorn T, Pfahlberg AB, Hoffmann I, Lindemans J, Leitzmann C: Longitudinal concentrations of vitamin B12 and vitamin B12-binding proteins during uncomplicated pregnancy. Clin Chem 48 (6), 928-933, 2002
  • Koebnick C, Heins UA, Hoffmann I, Leitzmann C: Die Bedeutung von Vitamin B12 in der Schwangerschaft und daraus resultierende Empfehlungen für die Schwangerschaftsvorsorge. Geburtshilfe Frauenheilk 62, 227-233, 2002
  • Koebnick C, Heins UA, Hoffmann I, Dagnelie PC, Leitzmann C: Folate status during pregnancy in women is improved by long-term high vegetable intake compared with the average Western Diet. Journal of Nutrition 131, 733-739, 2001
  • Koebnick C, Heins U, Hoffmann I, Leitzmann C: Folat- und Vitamin-B12-Mangel in der Schwangerschaft. Vortrag auf dem 38. Wissenschaftlichen Kongress der DGE, Giessen. Proceedings of the German Nutrition Society, 2001
  • Koebnick C, Heins U, Hoffmann I, Leitzmann C: Folate and vitamin B12 deficiency during pregnancy. Vortrag auf dem 17th Interational Congress of Nutrition, Wien, Österreich, 2001. Annals of Nutrition an Metabolism, 45 (1), 469, 2001
  • Koebnick C, Heins U, Hoffmann I, Leitzmann C: Einfluss der Kostform auf die Homocysteinspiegel in der Schwangerschaft. Vortrag auf der 9. Jahrestagung der Deutschen Arbeitsgemeinschaft für Epidemiologie, Garmisch-Partenkirchen, 2001
  • Heins U, Koebnick C, Leitzmann C: Ernährungsberatung in der Schwangerschaft. Auswertungs- und Informationsdienst für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (aid) e.V. 44 (9), 226-231, 1999
  • Koebnick C, Heins U, Leitzmann C: Ernährung in der Schwangerschaft Teil II: Vollwert-Ernährung - Lebensmittelverzehr und Gestationsverlauf. Ernähr 23 (7), 302-307, 1999 
  • Heins U, Koebnick C, Leitzmann C: Ernährung in der Schwangerschaft Teil I: Überblick. Ernähr 23 (6), 246-50, 1999
  • Saalfrank J, Heins U, Koebnick C, Leitzmann C: Methodische Aspekte zur hämatoflourometrischen Messung von Zinkprotoporphyrin in der Diagnostik des Eisenmangels. Z Ernährungswiss 37 (1), 126-127, 1998
  • Heins U: Schwanger - Essen für zwei !? Tagungsband Gesunde Kinder – (k)ein Problem, Verband für unabhängige Gesundheitsberatung e.V., Gießen 1997
  • Koebnick C: Mit Vollwert-Ernährung durch die Schwangerschaft – eine Studie wird vorgestellt. Tagungsband Gesunde Kinder – (k)ein Problem, Verband für unabhängige Gesundheitsberatung e.V., Gießen 1997

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