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… Im Schwerpunkt "Mensch-Ernährung-Umwelt" der JLU arbeiten Forscher aus unterschiedlichen Fachbereichen zusammen, Giessener Anzeiger, 28.02.2005

Dr. Silvia Rudloff befasst sich mit dem Einfluss von Vitamin A auf die Lungenfunktion bei Frühgeborenen. Bilder: Ketterer

"Wir stellen den Menschen in den Mittelpunkt"

Im Schwerpunkt "Mensch-Ernährung-Umwelt" der JLU arbeiten Forscher aus unterschiedlichen Fachbereichen zusammen

Sandra Ketterer GIESSEN. Die Justus-Liebig-Universität (JLU) liegt ganz weit hinten. Das zumindest war das Ergebnis des Forschungsrankings des Centrums für Hochschulentwicklung (CHE) vergangene Woche. Jedoch: Alles eine Frage der Perspektive. Die wichtigsten und forschungsstärksten Fachbereiche der JLU, die Lebenswissenschaften, wurden bei der Untersuchung nämlich ausgespart. Seit vergangenem Jahr gibt es zum Beispiel den Forschungsschwerpunkt "Mensch-Ernährung-Umwelt", in dem die Fachbereiche Human- und Veterinärmedizin sowie Agrar- und Ernährungswissenschaften zusammenarbeiten.
"Das Besondere an unserem Schwerpunkt ist, dass wir den Menschen in den Mittelpunkt stellen", sind sich Prof. Thomas Linn, Leiter der Klinischen Forschungseinheit der Poliklinik, und Dr. Silvia Rudloff vom Zentrum für Kinderheilkunde und Jugendmedizin einig. Die Projekte der Beiden zeigen, wie unterschiedlich die Arbeit im Forschungsschwerpunkt ist. Während Rudloff sich mit dem Einfluss von Vitamin A auf die Lungenfunktion bei Frühgeborenen beschäftigt, testet Linn an älteren Patienten die Wirkung bestimmter Kohlenhydrate bei Diabetes mellitus.
Dass ein bestimmter Teil des Vitamin A positiv auf das Wachstum der Lunge eines Frühchens wirken kann, sei bekannt, so Rudloff. Bisher werde es aber erst nach der Geburt eingesetzt. Denn Vitamin A könne, zu früh hinzugegeben, die sich bildende Lunge schwer behindern. Allerdings: "Es gibt keine Untersuchungen, was mit Vitamin A vor der Geburt passiert." Hier setze sie mit ihrem Projekt an. Sie wolle herausfinden, ob zum Beispiel die Mutter vor einer möglichen Frühgeburt ihr Kind durch zusätzliches Vitamin A stärken könne. Dabei stelle sich nicht nur die Frage nach dem richtigen Zeitpunkt, sondern auch nach der Methode. Denn schließlich kämen nur Teile des Vitamin A in Frage. Der Körper gebe außerdem nur soviel weiter, wie er zu dem Zeitpunkt benötige. "Dann könnte es sein, dass Nahrungsmittel nicht helfen, sondern eventuell Arzneien." Zunächst arbeite sie "ganz viel auf zellulärer Ebene", inzwischen auch in Tierversuchen.
In der Uni-Frauenklinik in Gießen würden jedes Jahr etwa 700 Kinder geboren, davon 80 sehr früh, das heißt noch vor der 32. Schwangerschaftswoche. Mindestens zwei Drittel von ihnen müssten beatmet werden, 30 Prozent davon entwickelten eine dauerhafte Lungenkrankheit. An ihrer Arbeit zeige sich auch der Sinn des Forschungsschwerpunktes, erklärte Rudloff. Sie selbst sei Ernährungswissenschaftlerin, arbeite aber an der Kinderklinik. "Dadurch ergeben sich auch die Fragestellungen."
Linns Projekt ist eine klinische Studie an Probanden, die sich mit der Wirkung zweier Zucker, Rohrzucker und Isomaltulose, beschäftigt. Genauer: Steigt der Blutzuckerwert langsamer an, wenn ein Patient statt Rohrzucker Isomaltulose einnimmt? Die Studie sei inzwischen fast abgeschlossen, so Linn. Er habe herausgefunden, dass der Blutzuckerpegel bei dem zweiten Zucker eine halbe bis ganze Stunde später ansteige, für Diabetiker sehr wichtig. Der Grund sei, dass der Darm verzögert Isomaltulose in Einzelzucker spalte. Daneben habe er untersucht, ob sich Gase bilden, wenn der Zucker statt im Dünndarm im Dickdarm lande. Für seine Patienten sei das aber kein Thema gewesen. Zur Zeit überlege er mit seinen Kollegen, wie sie mit den Ergebnissen weiterarbeiten.
Zum einen hätten sie die Idee, eine größere Anzahl von Patienten zu untersuchen, die den Zucker in ihren Nahrungsmitteln tauschen. Die zweite Idee reize ihn aber mehr. "Können wir Diabetes an der Wurzel packen? Ändert sich zum Beispiel etwas an der Zuckerproduktion der Leber, wenn der Patient Isomaltulose einnimmt?", fragt sich Linn.
Alle 13 Projekte des Forschungsschwerpunktes beschäftigen sich mit Ernährung und Lebensmitteln, zum Beispiel Pflanzen, die pharmakologische Auswirkungen haben. "Das Besondere daran ist die präventive Seite", so der Wissenschaftler. Wo "Nahrungsmittel eingreifen", stehe im Vordergrund. Einige Projekte untersuchten auch krankmachende Faktoren in der Nahrung.
Wichtig sei, "dass man ganz, ganz früh anfängt", also schon bei der Schwangerschaft, in der der Fötus noch von der Nahrung der Mutter abhängig sei. "Unsere höchste Zielsetzung ist es, Mechanismen zu identifizieren, die Krankheiten auslösen", sagt Linn (Photo).

Linn