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Die hohe Zeit mit der CD3300

Der hochmotivierte Einsatz der kleinen und jungen HRZ-Mannschaft trägt in den nun folgenden Jahren Früchte. Der Einsatz des Teilnehmersystems MOTUS und des LS-Systems ist der Anfang vom Ende des Lochkartenzeitalter an der Universität. Terminals entlasten zunehmend die teuren und wartungsintensiven Kartenlocher oder machen sie gar überflüssig. Andere CD3300 betreibende Rechenzentren Deutschlands verfolgen aufmerksam die zukunftsweisenden Entwicklungen am HRZ der Universität in Gießen.

  • Es folgen einige wichtige Passagen aus dem Jahresbericht 1975:

    • Seite 9 unten: Wartungskosten

      Der Wartungsvertrag zwischen der Universität Gießen und der Firma Control Data wurde am 15. Juni 1970 abgeschlossen. Im Jahre 1975 wurden 282.916 DM Wartungskosten an die Firma Control Data gezahlt.

    • Seite 11 oben: Organisation des Rechenbetriebs

      Jeder Benutzer stellt vor Beginn seiner Arbeiten am HRZ einen Benutzerantrag. Die daraufhin zugeteilte Jobnummer gilt für ein halbes Jahr und kann, falls erforderlich, verlängert werden.

      Die Rechenanlage arbeitet im 3-Schichten-Betrieb. Montag 6.00 bis Samstag 6.00 Uhr. Das HRZ ist von Montag bis Freitag von 6.00 bis 23.00 Uhr geöffnet.

      Es sind keine speziellen Zeiten für die Abgabe von Testläufen festgelegt. Halbstündlich werden die Jobs in den Rechnerraum geholt. Kurzläufe bis zu 2 Minuten und so weit möglich Mittelläufe bis zu 10 Minuten werden in der Zeit von 8.00 bis 18.00 Uhr bearbeitet.

      Für Mittelläufe ergaben sich zeitweilig auch Wartezeiten bis zu 2-3 Tagen (Langläufe wurden überwiegend auf den Großrechnern (IBM 370/168) der TH Darmstadt und den GSI gerechnet). In 1975 standen täglich durchschnittlich vor Beginn der Tagesschicht noch für 6 CPU-Stunden unerledigte Jobs an.

    • Seite 11 unten: Verwendete Programmiersprachen

      Die Rechenanlage wird unter dem Multiprogramming-Betriebssystem MASTER gefahren.

      Als Programmiersprachen werden an der CD3300 verwendet (in % Rechenzeit)

                      ANSI FORTRAN        78 %
                      ALGOL/SIMULA         8 %
                      COMPASS (Assembler)  5 %
                      ANSI COBOL           7 %
      vereinzelt auch META, LISP, BASIC    2 %
      
    • Seite 18 oben: Anschlüsse an fremde Rechner

      Im November 1974 wurde eine DATA 100 RJE-Station installiert. Mit der Wählleitung (2400 bit/sec) konnten erste Erfahrungen mit der IBM 370/168 der TH Darmstadt und der CD6600 von Control Data Frankfurt gewonnen werden. Im Januar 1975 wurde die Standleitung (4800 bit/sec) zur IBM der TH Darmstadt geschaltet.

      Da sich die technische Qualität der Station als sehr gut herausstellte und die Bedienung sehr leicht war, konnte auf Personal (2-Schicht-Betrieb) verzichtet werden. Die Einweisung der Benutzer in die Bedienung wurde im Rahmen der Lehrveranstaltungen des HRZ durchgeführt. Außerdem wurde die Benutzung der entsprechenden Compiler erläutert. Besonderer Wert wurde dabei darauf gelegt, in höheren Programmiersprachen herstellerunabhängig zu programmieren.

      Vorteile bot die IBM einerseits aufgrund ihrer schnellen Rechengeschwindigkeit und des großen Arbeitsspeichers, andererseits erleichterte der WATFIV-Compiler das Austesten von FORTRAN-Programmen. Der Einbau eines Umschalters (V24) erlaubte es, das Terminal außer über die Standleitung zur IBM 370/168 der TH Darmstadt auch an andere Rechner über Wählleitung anzuschalten (IBM 370/168 bei der GSI, CD6600 bei Control Data Frankfurt, Cyber 73/76 beim Regionalen Rechenzentrum Hannover, CD3300 im HRZ).
      (Bild Seite 25).

    • Seite 18 unten: Long-Scheduling-System

      Mit dem Aufbau der Datenfernverarbeitung am HRZ Gießen seit Anfang 1975 war das Betriebssystem der CD3300 nicht mehr in der Lage, den von verschiedenen Stationen ausgehenden Input aufzunehmen und damit eine gerechte Bearbeitung der Benutzerjobs zu garantieren. Diese in den heutigen, größeren Rechnersystemen in der Standard-Software verfügbaren Elemente für die Jobeingabe vom Zentralkartenleser und beliebigen Terminalstationen mußten vollständig neu in das laufende Betriebssystem der CD3300 implementiert werden.

      Insgesamt wurden dazu mehrere Mann-Jahre Arbeitsleistung aufgewendet. Um wenigstens tagsüber einen vernünftigen Betrieb zu gewährleisten, wurden deswegen den Terminal-Benutzern bei der Abgabe von Jobs gewisse Beschränkungen (kurze Bearbeitungszeit, geringer Kernspeicherbedarf) auferlegt.

      Diese Beschränkungen konnten nur als Notlösung angesehen werden, ganz besonders im Hinblick auf den weiteren Ausbau der Datenfernverarbeitung. Deshalb entschloß sich das HRZ Ende 1974, dem Betriebssystem der CD3300 ein Job-Eingabe-System voranzustellen; dieses sollte die folgenden Bedingungen erfüllen:

      1) keine Wartezeiten für die Benutzer bei der Abgabe von Jobs

      2) keine Betriebsmittelbeschränkungen der Jobs

      3) gleichberechtigte Behandlung aller Benutzerjobs (i. allg. first in, first out) gleichgültig ob Terminal- oder Zentraleingabe

      4) Durchsichtigkeit des Jobablaufs für die Benutzer, Status-Abfrage von den Terminals

      5) einfache Bedienung des Systems durch die Operateure, in das Standard-Betriebssystem integrierte Software

      Bei vorhandenen 19 Eingabe-Stationen war der Standard-Spool-in-Systembereich für 20 Jobs zu klein, Jobs für die nächtliche Bearbeitung konnten über Terminals überhaupt nicht eingegeben werden.

      Im Frühjahr 1975 wurde mit der Planung und Entwicklung eines solchen Spool-in (LS-System) begonnen. Aus Dringlichkeitsgründen wurden anfangs bis zu 6 Mitarbeiter mit der Realisierung der ersten Version des LS-Systems beschäftigt; diese konnte bereits Ende Oktober 1975 installiert werden und lief zufriedenstellend.

    • Seite 19 unten: Das Teilnehmersystem MOTUS

      MOTUS (MASTER oriented timesharing usersystem) ist ein am HRZ Gießen entstandenes Teilnehmersystem, das einen bequemen RJE (Remote Job Entry) von mehreren Bildschirmgeräten gestattet.

      MOTUS enthält einen Editor für die Datei-Bearbeitung, eine direkte Rechnerkomponente (Tischrechner-Funktionen), Remote Job Entry Funktionen, Elemente zur Status-Abfrage über System und Benutzeraufträge, Datei-Manager, dynamische Speicherplatzverwaltung u.a.m.

      Mit der Entwicklung wurde im September 1973 begonnen. Zu dieser Zeit lief das CDC Dialogsystem RESPOND in Produktion, das aber nicht zufriedenstellte, sowohl was die Antwortzeiten als auch den Komfort angeht. Eine Alternative gab es damals nicht, so daß das HRZ eine eigene Softwareentwicklung anstrebte. Das neue System wurde offen konzipiert, d.h. es sollten wünschenswerte Erweiterungen nachträglich ohne Schwierigkeiten einzubringen sein.

      Ein Jahr später im Oktober 1974 konnte eine erste Version frei gegeben werden, die sich nach Beseitigung anfänglicher Schwierigkeiten ab November 1974 in der Produktion bewährte. MOTUS bediente bis zu 5 mit Kanalanschluß versehene Bildschirmgeräte.

      Im Zuge des Aufbaus der Datenverarbeitung am HRZ sollte MOTUS auch Sichtgeräten einzelner Fachbereiche verfügbar gemacht werden. Dazu mußte das Teilnehmersystem an die Standard-Kommunikationssoftware MCSIII (Message control system) der CD3300 als Applikation angeschlossen werden. Die Arbeiten hierzu wurden im Februar 1975 beendet. Es konnten dann insgesamt 12 Bildschirme von MOTUS bedient werden. Diese Zahl erhöhte sich im Laufe des Jahres auf 18 wegen des weiteren Ausbaus der Hardware.

      Im Herbst 1975, als das ebenfalls am HRZ entwickelte LS-System in Produktion ging, wurde eine Erweiterung erforderlich, die die Integration der Job-Eingabe und -Statusabfrage in das LS-System realisierte. Sie konnte im Dezember 1975 fertiggestellt und frei gegeben werden.

  • Es folgen einige wichtige Passagen aus dem Jahresbericht 1976:

    • Seite 9 unten: Wartungskosten

      Der Wartungsvertrag zwischen der Universität Gießen und der Firma Control Data wurde am 15. Juni 1970 abgeschlossen. Im Jahre 1976 wurden 497.000 DM Wartungskosten gezahlt (einschließlich der Geräte anderer Hersteller).

    • Seite 19 oben: Anschlüsse an fremde Rechner

      Zusätzlich zu den 1975 möglichen Verbindungen zu fremden Großrechnern wurde eine Standleitung von der RJE-Station des FB13 (Physik) zu der IBM 370/168 der GSI Darmstadt geschaltet.

      Der Versuch mit der Univac 1108 der GWDG in Göttingen zu arbeiten konnte nicht erfolgreich abgeschlossen werden (keine Blockwiederholung bei Leitungsfehlern).

      Die IBM der TH Darmstadt wurde verstärkt in die Lehrveranstaltungen des HRZ integriert. Bis zum dritten Quartal 1976 bot diese Anlage - außer den im Jahresbericht 1975 genannten Vorteilen - kurze Wartezeiten für Testjobs. Aufgrund der starken Belastung wurde zu Beginn des Wintersemesters die Verfügbarkeit erheblich geringer. Das bedeutete, daß wesentlich weniger Rechenzeit ausgenutzt werden konnte.

    • Seite 19 mittig: Außenstationen der CD3300

      1976 wurden weitere Außenstationen an die CD3300 angeschlossen (DATA 100, 2 Sichtgeräte, DEC-Lab 8).

      Um einen sinnvollen Betrieb zu ermöglichen, waren außer dem LSS-System (s. 7.3) weitere Betriebsänderungen notwendig. Da der nachts anfallende Output für die Außenstationen zwischengespeichert werden muß, wurde ein System implementiert, das ihn auf Depot-Files überträgt. Diese werden sobald die Außenstationen betriebsbereit sind ausgedruckt. Ein solches System ist aber nur bei ausreichender Plattenkapazität funktionsfähig. Wegen der auftretenden Engpässe sollte 1977 ein weiteres Plattenlaufwerk beschafft werden.

    • Seite 19 unten: Long-Scheduling-System

      Die erste Version des LS-Systems (vgl. Jahresbericht 1975) mußte aus dringlichkeitsgründen möglichst schnell implementiert werden und besaß daher nur eine Schnittstelle mit dem Betreibssystem der Anlage CD3300. Naturgemäß wurde dadurch das Betriebssystem mit der Verwaltung von Jobs stärker als notwendig belastet, was sich ungünstig auf den Jobdurchsatz und die Jobeingabe auswirkte.

      Der Teil des Betreibssystems, der den zentralen Kartenleser bediente, wurde kurzgeschlossen; dessen Aufgaben wurden nun vom LSS-System mitübernommen. Dabei wurde dieser Systemteil wo erweitert, daß zum einen bei fehlerhaften Jobs detaillierte Fehlermeldungen an die Benutzer zurückgegeben wurden und zum anderen die Jobströme von jeder Eingabestation an jeder Ausgabestation gelistet werden konnten.

      Für die Benutzer wurde eine Möglichkeit geschaffen, detaillierte Auskunft über den Stand ihrer Jobs innerhalb des LS-Systems als auch des Betriebssystems zu erhalten sowie fehlerhafte Jobs aus dem LS-System zu entfernen.

      Die einfache Behandlungsweise von Jobs innerhalb des LS-Systems durch die Operateure wurde seweit wie möglich auch in das Betriebssystem übernommen.

      Da durch Systemzusammenbrüche i.a. unvollständige Informationen innerhalb des Spool-In-Systems nicht zu vermeiden waren, wurden Möglichkeiten geschaffen, um das System von Zeit zu Zeit wieder hochziehen zu können oder aber wesentliche Dateien im Online-Betrieb zu regenerieren.

    • Seite 20 mittig: Das Teilnehmersystem MOTUS

      Der bis Ende 1975 erreichte Stand des am HRZ entwickelten Teilnehmersystems (s. Jahresbericht 1975) war recht zufriedenstellend, insbesondere was das Antwortzeitverhalten, die Zuverlässigkeit und damit die Verfügbarkeit des Systems angehen. Einige Erweiterungen wie inhaltsbezogene Recordkennzeichnungen und MOTUS-Accounting wurden 1976 noch realisiert.

      Abschließend konnte die Dokumentation in Form eines 80 Seiten umfassenden Handbuchs für den Benutzer herausgegeben werden. Ende 1976 war es von bis zu 22 Sichtgeräten möglich das Teilnehmersystem zu benutzen.

Die CD3300 ist in einem Maße ausgebaut und ausgelastet, die kaum noch Steigerung zulässt. Ein Benutzer-Manual von 1976 beschreibt den für die damalige Zeit beachtlichen Umfang an verfügbaren Funktionen.

Der DV-Ausschuss der JLU setzt eine Kommission zur Auswahl eines neuen Rechnersystems ein, das im Rahmen des Neubaus Rechenzentrum angeschafft werden soll. Im Oktober 1975 erscheint erstmals ein Bericht.

Die Projektgruppe "Computer unterstützter Unterricht" unter der Leitung von Prof. Dr. M.G. Zilahi-Szabo tritt mit ihren Aktivitäten an die Öffentlichkeit (Zeitschriftenartikel, Publikationen CUU B1, CUU B9, CUU B12).


Dieter Wolff / HRZ der JLU / 28.09.2007