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ZDV ohne anerkannten wissenschaftlichen Nachlass

Anmerkungen des Autors und Zeitzeugen Dieter Wolff

Am 17.11.1970 stellte der spätere geschäftsführende Direktor des ZDV Prof. Dr. S. Filippi einen Antrag an den damaligen Rektor der JLU über die Errichtung eines wissenschaftlichen Zentrums mit dem Namen Rechenzentrum der Justus-Liebig-Universität Gießen. Der Brief endete mit dem Hinweis:

Abschließend möchte ich darauf hinweisen, daß es für ein leistungsfähiges Rechenzentrum unerläßlich und der ganzen Universität von Vorteil ist, wenn die wissenschaftlichen Mitarbeiter wie bisher außer der Routinearbeit auch in Forschung und Lehre tätig sein können. Fällt diese Voraussetzung, so sinkt die Qualität der Mitarbeiter und damit entscheident der Wert des Rechenzentrums. Langfristig wird sich aus der wiss. Tätigkeit des Rechenzentrums eine intensive Förderung des Fachs Informatik ergeben.

Tatsächlich wurden im ZDV (02.11.1972 bis 02.06.1975) von den wenigen wissenschaftlichen Mitarbeitern nicht nur Vorlesungen gehalten sondern hauptsächlich auch zukunftsweisende Software konzipiert, entwickelt und eingesetzt:

Das Teilnehmersystem MOTUS wurde in dieser Zeit fertiggestellt, das System zur Verwaltung von Warteschlangen (Long-Scheduling-System) weitgehend beendet und beide bis September 1978 betrieben. Es war eine überaus kreative und produktive Zeit, die andere CD3300-Betreiber (meistens Universitäten oder Hochschulen) mit großem Interesse verfolgten. Ohne den engagierten Einsatz beteiligter Mitarbeiter wäre ein Großteil der damals beschafften und sehr teuren Hardware nicht oder völlig unzureichend zum Einsatz gekommen!

Leider hatte es die damalige Geschäftsführung des wissenschaftlichen Zentrums für Datenverarbeitung versäumt, für beteiligte Mitarbeiter ein Umfeld zu schaffen, in dem sie sich mit den genannten Tätigkeiten wissenschaftlich weiterqualifizieren konnten. Von den Lehraufträgen abgesehen verfügte daher das ZDV über keinen anerkannten wissenschaftlichen Nachlass.

Gleichwohl war die Entwicklung des ZDV eine sehr bedeutende Phase in der Geschichte der zentralen Datenverarbeitung an der JLU. Wie nach einer biologischen Metamorphose ist aus ihr die bis heute bestehende Organisationsform Hochschulrechenzentrum hervorgegangen - die leere Hülle ZDV hinterlassend.


Dieter Wolff / HRZ der JLU / 30.08.2007