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Arbeitsgebiet: Barrierefreiheit von Web-Präsenzen

Den gleichberechtigten Zugang zu web-basierten Systemen und Inhalten der Informationstechnik für Studierende mit und ohne Behinderung / chronischer Erkrankung herzustellen und zu erhalten, ist die Zielsetzung und ein stetiger Prozess zugleich.

Dr. Steffen Puhl

In der Hochschulpraxis an der Universität Gießen ...

Barrieren zu identifizieren und zu beschreiben, Tests durchzuführen und Maßnahmen zur Verbesserung der barrierefreien Nutzbarkeit zu begleiten, gehören genauso zu den Aufgaben von Dr. Steffen Puhl wie Information, Beratung, Schulung und Weiterbildung. Er darf dieses Arbeitsgebiet am Hochschulrechenzentrum (HRZ) der Justus-Liebig-Universität Gießen (JLU) seit Beginn im Jahr 2009 vertreten, koordinieren und mitgestalten.

Ab 2009: Barrierefreie Studieninformations- und Anmeldesysteme an der JLU

Anfänglich verbesserte die Universität Gießen mit dem aus zentralen Mitteln zur "Verbesserung der Qualität der Studienbedingungen und der Lehre (QSL)" finanzierten Projekt "Barrierefreie Studieninformations- und Anmeldesysteme an der JLU" die Situation im Hinblick auf "Barrierefreies Studieren". Ziel dieses im Studienjahr 2008/09 durch das Autonome Referat für behinderte und chronisch kranke Studierende (ABeR) im AStA der JLU initiierten Projekts war es, zum einen die an der Universität eingesetzten zentralen web-basierten Studieninformations- und Anmeldesysteme

  • FlexNow zur Prüfungsverwaltung (einschließlich der Chipkarte zur Online-Personenauthentifikation),
  • Stud.IP zur Unterstützung von Lehrveranstaltungen und z. T. auch für Veranstaltungs- bzw. Modulanmeldungen sowie
  • ZOPE/Plone als Zentraler Web-Auftritt der JLU

so zu gestalten, dass die noch existierenden Barrieren - insbesondere im alltäglichen Umgang mit diesen Systemen - für Studierende abgebaut wurden. Zum anderen sollte dieses Projekt aber auch die Systemverantwortlichen der weiteren an der Universität betriebenen Web-Angebote und die jeweiligen Redakteurinnen und Redakteure für das Thema "Barrierefreiheit" sensibilisieren und Bewusstsein bilden. Aus diesem Grund wurde ein entsprechend umfassendes und durchgängiges Informations-, Beratungs- und Schulungsangebot zur Schaffung "barrierefreier Informationstechnik" in Studium und Lehre aufgebaut und angeboten.

Ab 2013: Mit inklusiver IT studieren und lehren

Vom WS 2013/14 bis einschließlich SS 2015 stand die Projektarbeit unter dem Motto "Mit inklusiver IT studieren und lehren". Schwerpunkte waren unter anderem:

  • Barrierefreie Gestaltung der Online-Bewerbung auf Basis von HISconnect bzw. HISinOne zur Teilnahme am Dialogorientierten Serviceverfahren
  • Konzipierung und Erprobung eines hochschuldidaktischen Weiterbildungsangebots "Inklusive IT" in Studium und Lehre
  • Berücksichtigung der "Barrierefreiheit" bei der IT-Beschaffung (Systeme und Inhalte)

Ab 2015: Verstetigung der Aktivitäten zur inklusiven Informationstechnik

Zum Beginn des WS 2015/16 hat die JLU ihre Aktivitäten zur Schaffung und Sicherstellung von Barrierefreiheit und Inklusion in der Informationstechnik in Studium und Lehre verstetigt, immer noch aus zentralen QSL-Mitteln finanziert. Damit bilden auch weiterhin - im weitesten Sinne - die Themenfelder "Barrierefreie Gestaltung von web-basierten Hochschulsystemen und Bildungstechnologien" und "Barrierefreies bzw. inklusives E-Learning" die Schwerpunkte seiner Arbeit.

... und aus Sicht der Wirtschaftsinformatik

Bereits seit seinem Studium beschäftigt sich Dr. Steffen Puhl darüber hinaus mit der Barrierefreiheit von Web-Präsenzen, insbesondere aus Sicht der Wirtschaftsinformatik. Seine Maxime bzgl. der Barrierefreiheit von Unternehmens-Web-Sites lautet deshalb: Zukünftig ist es für den wirtschaftlichen Erfolg von Unternehmen bedeutsam, dass das Top-Management der Unternehmen die Barrierefreiheit nicht mehr nur als technische Komponente der Web Site begreift. Das Top-Management muss vielmehr die Barrierefreiheit als integralen Bestandteil der Unternehmenszielsetzung und der Unternehmensstrategie verstehen und sich auf die damit erreichbaren "strategischen Mehrwerte" konzentrieren. Dabei ist davon auszugehen, dass diese Mehrwerte bei Web Sites, wie bei allen IT-Anwendungssystemen, nur sehr bedingt als quantitative Leistungen auszumachen sind. Weit überwiegend lassen sich durch die Barrierefreiheit aber Nutzen (qualitative Leistungen) erzielen, von denen alle Nutzenden - mit und ohne Behinderung - sowie die Web-Site-betreibenden Unternehmen profitieren können.

Studien zeigen allerdings, dass gerade bei Unternehmens-Web-Sites noch große Handlungsbedarfe bei der Umsetzung der Barrierefreiheit bestehen. So müssen bspw. Unternehmen ihre E-Shops oder Banken ihre Online-Banking-Angebote barrierefrei gestalten. Beispielsweise kommt die Studie einer spanischen Universität aus dem Jahr 2014 zu nachfolgendem Ergebnis: »Three out of every four European banks fails in the accessibility of their websites« (globalaccessibilitynews.com, 07.03.2014).

Jede Unternehmensentscheidung, so auch die zur barrierefreien Aus- oder Umgestaltung der Unternehmens-Web-Site, bedarf einer ökonomischen Motivation und Rechtfertigung. Das Top-Management der Unternehmen wird sich dabei etwa die folgenden Fragen stellen:

  • Warum ist Barrierefreiheit wirtschaftlich?
  • Welches sind die Mehrwerte, die sich durch die Barrierefreiheit erzielen lassen?

Doch kommt es im April 2019 zu einer Wende: Mit dem von der Europäischen Union (EU) verabschiedeten Europäischen Rechtsakt für mehr barrierefreie Güter und Dienstleistungen, dem sogenannten European Accessibility Act (EAA), werden erstmalig bestimmte Bereiche der Wirtschaft zur Barrierefreiheit verpflichtet. Demzufolge müssen die betroffenen Unternehmen künftig die Barrierefreiheit ihrer Produkte und Dienstleistungen, wie z. B. Computer, Smartphones, Router, E-Book-Reader sowie E-Books, E-Shops, Bankdienstleistungen und web-basierte audiovisuelle Mediendienste, gemäß der dafür gültigen Anforderungen nachweisen. Weitergehend umfasst diese Verpflichtung auch die zugehörigen Informationen auf Web-Seiten sowie die mobilen Applikationen (Apps) zur Nutzung der Produkte und Dienstleistungen. In Deutschland erfolgt die Umsetzung im Wesentlichen durch das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz, »Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2019/882 des Europäischen Parlaments und des Rates über die Barrierefreiheitsanforderungen für Produkte und Dienstleistungen« (BFSG), dessen Regelungen grundsätzlich ab dem 28. Juni 2025 anzuwenden sind. Ein Umdenken beim Top-Management dieser Unternehmen ist aufgrund dessen unumgänglich. Wie sich jedoch diese Entwicklung bei den Verbrauchergeschäften auf die Märkte und folglich auf die Beschaffung an Hochschulen auswirken wird, bleibt abzuwarten.