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24. - 25.11.11: Workshop: Das Phänomen Belarus. Historische Perspektiven und aktuelle Tendenzen

24.-25. Nov. 2011, Justus-Liebig-Universität Gießen, Das Historische Institut – Osteuropäische Geschichte

Konzept

Historisch gesehen zeichnete sich die Belarus’ als Übergangszone zwischen Mittel- und Osteuropa aus. Sie erhielt ihre kulturellen Prägungen im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit vom Großfürstentum Litauen und der polnischen Adelsrepublik und seit Beginn des 19. Jahrhunderts vom zarischen und sowjetischen Imperium. Das 20. Jahrhundert stellt mit den beiden Weltkriegen, der Zwangskollektivierung der Landwirtschaft, dem stalinistischen Terror, dem Holocaust und dem Reaktorunfall von Tschernobyl ein Zeitalter der demographischen Katastrophen dar. Darüber hinaus erfolgte nach dem Zweiten Weltkrieg im Zuge eines rasanten Urbanisierungsprozesses die Umwandlung eines Agrarlandes in ein Industrieland. Auf die Tradition einer eigenen Staatlichkeit kann die 1991 gegründete Republik Belarus’, abgesehen von einem Intermezzo im Bürgerkriegsjahr 1918, indes nicht zurückblicken. Vielmehr ging die im Rahmen der sozialistischen Modernisierung vollzogene Russifizierung mit einer Preisgabe weißrussischer Identität vor sich.

Vor diesem Hintergrund ist die Geschichtswissenschaft in die Rolle einer Legitimationswissenschaft geraten. Dabei versuchen die weißrussischen Historikerinnen und Historiker mittlerweile, eine eigene Nationalgeschichte zu kreieren. Sie stehen dabei vor dem Dilemma, das ihr Land im Laufe seiner Entwicklung immer Bestandteil von übergeordneten Herrschaftsverbänden gewesen ist, die Weißrussen im Sinne des Historismus also zu den „unhistorischen Völkern“ gehören. Während die Fraktion der Nationalhistoriker eine kulturelle Verortung im Westen anstreben und den Mythos eines „Goldenen Mittelalters“ pflegen, betreibt die Fraktion der Hofhistoriker nach wie vor eine russophile Geschichtsdeutung, die im Mythos der „Partisanenrepublik“ gipfelt. Dabei wird die Tatsache unterschlagen, dass sich Weißrussland im Zentrum des Ansiedlungsrayons für die Juden des Zarenreichs befunden hatte.

Im Unterschied dazu soll die Tagung Ansätze der Imperiumsforschung und der Regionalgeschichte miteinander verbinden. Es geht dabei zum einen darum, die Wechselwirkungen zwischen Zentrum und Peripherie kenntlich zu machen, und zum anderen Aktivitäten zur Stärkung lokaler Interessen aufzuzeigen. Unter dieser Prämisse geraten nicht Staat und Nation, sondern die Bevölkerung und das Territorium in den Mittelpunkt der betrachtung. Damit eröffnet sich eine neue Perspektive auf die Geschichte der Belarus', verstanden als einer Welt der orthodoxen Bauern und der jüdischen Händler, die von der Konstituierung der Adelsrepublik in Polen-Litauen und dem Beginn des weißrussischen Bibeldrucks im ersten viertel des 16. Jahrhunderts bis zur Zwangskollektivisierung der Landwirtschaft und dem Holocaust in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderst dauerte.

 

Programm 

Do., 24. November, 14.00-16.30 Uhr: Kurzpräsentation von Promotionsvorhaben

  • Margarete Kandlin, Oldenburg

Entwicklungstendenzen in der jüngeren belarussischen Literatur

  • Patrick Zeller, Oldenburg (angefragt)

Lautliche Variation in der weißrussisch-russischen Mischvarietät Trasjanka

  • Dimitri Romanowski, Bochum

Deutsch-belarussische handelswirtschaftliche, wissenschaftstechnische und kulturelle Beziehungen in den Jahren des Nationalstaatlichen Aufbaus in der BSSR (1920-er - 1932)

  • Dr. Melanie Arndt, Potsdam:

Entwicklung der Zivilgesellschaft in Belarus seit der Unabhängigkeit 1991

  • Dr. Felix Ackermann, Vilnius

 

Do., 24. November, 17.00-19.30 Uhr: Belarus im Verband des russländischen Imperiums (1795-1917)

Moderation:    Thomas M. Bohn, Gießen

Impulsreferat: Zachar Šybeka, Minsk-Marburg

Kommentar 1: Darius Staliunas, Vilnius-München

Kommentar 2: Karsten Brüggemann, Tallinn-Marburg

 

Fr., 25. November, 9.00-11.30: Belarus im Verband des Großfürstentums Litauen (1386-1795)

Moderation:    Rayk Einax, Gießen

Impulsreferat: Henadz‘ Sahanovič, Vilnius-Gießen

Kommentar 1: Hans-Jürgen Bömelburg, Gießen

Kommentar 2: Mathias Niendorf, Greifswald

Der Workshop wird vom Historischen Institut - Osteuropäische Geschichte/Gießener Zentrum Östliches Europa mit finanzieller Unterstützung des Herder-Instituts e.V. Marburg organisiert.

 

Datum:

24.11.2011 - 25.11.2011

Ort:

E 209 (GiZo Konferenzraum)

Kontakt:

Rayk Einax 0641-99 28261 Rayk.Einax@geschichte.uni-giessen.de