Ziele und Organisation
Das Gießener 3R-Zentrum ICAR3R der Justus-Liebig-Universität Gießen ist ein Pionier nationaler 3R-Zentren und verfolgt das Ziel, das von Russell und Burch entwickelte 3R-Konzept (Replace, Reduce, Refine) nachhaltig zu implementieren und darüber zu einer Reduzierung der Versuchstierzahlen beizutragen.
Das Gießener 3R-Zentrum der Justus-Liebig-Universität Gießen ICAR3R (Interdisciplinary Center for 3Rs in Animal Research) hat sich aus der Initiative zur Stärkung der Wissenschaft in Hessen und der Initiierung des Forschungscampus Mittelhessens heraus formiert. Der interdisziplinäre Ansatz des Zentrums bildet sich bereits in der Grundstruktur ab, so obliegt die Zentrumsleitung zwei komplementären 3R-Professuren, die in den Fachbereichen Veterinärmedizin und Medizin angesiedelt sind. Ziel von ICAR3R ist es, die Entwicklungen im Bereich der 3R-Forschung nachhaltig voranzutreiben. Der wissenschaftliche Fokus des Zentrums liegt auf dem Refinement und dem Replacement , um im Sinne eines interdisziplinären Ansatzes gemeinsam Strategien zu entwickeln, mit denen sich Versuchstierzahlen reduzieren lassen. Eine weitere wichtige Säule des Zentrums bildet die 3R-Education ab. Die gegebene universitäre Infrastruktur bietet hervorragende Möglichkeiten, in enger Zusammenarbeit mit anderen Fachbereichen, neue didaktische Konzepte zu erarbeiten, um darüber nachhaltig den 3R-Gedanken zu implementieren. Die Ergebnisse der Zentrumsarbeit und die enge Vernetzung zu anderen nationalen und europäischen 3R-Zentren bilden die Voraussetzung für den notwendigen wissenschaftlichen Austausch und zur Kommunikation effektiver 3R-Konzepte.
Das ICAR3R
- betreibt eigene Forschung zu 3R-relevanten Themen
- erarbeitet innovative didaktische Konzepte zur 3R-Education und setzt diese um
- entwickelt Konzepte zur Kommunikation und dem wissenschaftlichen Austausch
3R-Professur für Refinement
FB 10
Univ. Prof. Dr. med. vet. Krämer
Forschungsthemen:
Die Arbeitsgruppe erarbeitet und analysiert sogenannte Refinement-Prozeduren, die auf die Verbesserung der Haltung und des Umgangs mit Versuchstieren ausgerichtet sind. Ein Schwerpunktthema liegt in der Verbesserung des Verständnisses sogenannter Stereotypien. Weiterhin gilt es, das Schmerzmanagement zu verbessern und valide Kriterien zur Einschätzung von Belastungen zu erarbeiten.
In der 3R-Lehre werden neuartige didaktische Konzepte und digitale Medien entwickelt.
Solange der Einsatz von Versuchstieren noch notwendig erscheint, entspricht das Refinement einem aktiven Beitrag zum Tierschutz. Refinement trägt maßgeblich zum Erhalt des Wohlbefindens der Tiere bei!
3R-Professur für Computer-basiertes Modelling
FB 11
Prof. Dr. Jedlicka
Forschungsthemen:
Die Arbeitsgruppe befasst sich schwerpunktmäßig mit der Computer-basierten Erstellung neuronaler Modelle. Im Fokus der Arbeiten stehen die Abbildung neuronaler Strukturen des Hippocampus, sowie Modelle der synaptischen Plastizität und Varibialitäten von Ionenkanälen. Auch werden Krankheitsmodelle zur Epilepsie und zur Alzheimer-Erkrankung entwickelt.
In der 3R-Lehre werden Konzepte erarbeitet, mit denen sogenannte in silico Verfahren digitalisiert vermittelt werden können.
Ziel der 3R-Forschung ist es, Methoden zu entwickeln, durch die wissenschaftliche Fragestellungen durch die Verwendung „nichtfühlender“ Systeme bestmöglich beantwortet werden können.
Die infrastrukturellen Voraussetzungen an der Justus-Liebig-Universität Gießen bilden einen hervorragenden Rahmen zu Erarbeitung von innovativen didaktischen Konzepten, die zu einer sichtbaren und nachhaltigen Implementierung des 3R-Konzeptes beitragen. In den vergangenen Jahren hat sich die Mensch-Tierbeziehung stark gewandelt und resultierte u.a. in einer veränderten gesellschaftliche Wahrnehmung und Bewertung des Einsatzes von Versuchstieren. Neben rein ethischen Aspekten, die beispielsweise auf die Leidensfähigkeit der Tiere ausgerichtet sind, werden auch tierrechtliche Fragen adressiert. Aus Sicht einiger beteiligter Wissenschaftler, die Tiermodelle einsetzen, werden zunehmend Limitierungen in der Nutzung dieser Modelle gesehen. Das 3R-Prinzip kann einen wesentlichen Beitrag in diesem Diskurs leisten. Es ist wissenschaftlich und politisch zugleich, respektiert das Recht des Tieres auf dessen Unversehrtheit und fördert die Entwicklung innovativer Technologien, die dem Tiermodell überlegen sind. Darüber hinaus reflektiert es die Sachverhalte mittels unterschiedlicher ethischer Positionen und bildet die Basis für einen wertschätzenden Dialog. Hieraus wird schnell ersichtlich, dass das 3R-Prinzip nur erfolgreich sein kann, wenn sich möglichst viele, sehr unterschiedliche Disziplinen zum Thema beraten. Es genügt demnach nicht, dass sich Experten einer Disziplin (beispielsweise Tierärzte zu Fragen der Belastungsminimierung, Bioinformatiker zum Thema von in silico Modellen oder Pharmakologen/ Toxikologen zu alternativen Verfahren) austauschen, denn diese lediglich disziplinären Ansätze sind nicht dazu geeignet, die gewonnenen Erkenntnisse ausreichend über die fachlichen Grenzen hinaus zu distribuieren.
Die 3R-Forschung kann als Forschungsdisziplin verstanden werden, die sich nicht allein mit biomedizinischen Fakten, sondern auch mit gesellschaftlichen und politischen Problemen auseinanderzusetzen hat. Somit kann sich diese Wissenschaftsform nicht allein auf interne Stimuli fokussieren. Ein interdisziplinärer Ansatz geht von einer gemeinsamen Er- und Bearbeitung von Hypothesen und Technologien aus, die in einem Austausch von Konzepten und Daten mündet. Das Hauptziel der interdisziplinären Forschung kann als Mehrung und Integration von Wissen verstanden werden, deren zentrales Erfolgskriterium es sein sollte, die Ergebnisse einer problemorientierten Forschung zu diffundieren.
Die interdisziplinäre Ausrichtung bildete von Anfang an (2017 ) die Basis aller Aktivitäten des Gießener 3R-Zentrums. Durch Nutzung der gegebenen herausragenden universitären Struktur der Justus-Liebig Universität ergibt sich somit eine organisationale Identifikation, die im Sinne von Russell und Burch einen nachhaltig Beitrag zur Implementierung des 3R-Prinzips leisten will.
Das Gießener 3R-Zentrum kann bereits auf intensive Vernetzungen zwischen den Fachbereichen Veterinärmedizin, Medizin, Biologie, Agrarwissenschaften, Soziologie und Rechtswissenschaften verweisen und vernetzt sich darüber kontinuierlich auf nationaler und internationaler Ebene.
Da im skizziertem Kontext sehr unterschiedliche Akteure beteiligt sind, die hinsichtlich ihrer jeweiligen Professionalisierung assoziierte Berufe bzw. alle akademischen Grade abdecken, bedarf es unterschiedlicher didaktischer Konzepte. Die Entwicklung dieser Konzepte bildet einen Schwerpunkt des Forschungsprogramms 3R-Education ab.
3R Education - Programm