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Rückschau: Die Autoritäre Welle im Westen III

Rückschau: Die Autoritäre Welle im Westen III

Was will die AfD? Eine Partei verändert Deutschland – Podiumsdiskussion mit Prof. Claus Leggewie, Dr. Justus Bender und Ali Can

 

Die letzte Veranstaltung der von Ludwig-Börne-Professor Claus Leggewie (ZMI) kuratierten Vortragsreihe „Die autoritäre Welle im Westen“ befasste sich mit dem Erstarken der rechtspopulistischen Partei Alternative für Deutschland (AfD) und deren Hintergründe und Ziele. Dazu nahmen neben Prof. Leggewie auch der Journalist und Buchautor Dr. Bender (Frankfurter Allgemeine Zeitung) und der Gießener Lehramtsstudent Ali Can (hotline-besorgte-buerger.de; interkulturell-leben.de) auf dem Podium Platz. Eröffnet wurde die Veranstaltung durch den Präsidenten der Universität Gießen, Prof. Joybrato Mukherjee. Er ging bei seiner Begrüßungsrede darauf ein, dass sich durch die AfD der politische Diskurs und die politische Diskussion insgesamt in Deutschland verändert hätten. Daraus resultiere die Aufgabe an die Universität, sich als Bildungsinstitution mit dieser Thematik auseinanderzusetzen.

 

Anknüpfend an diese durch den Präsidenten aufgezeigte Herausforderung stellte Prof. Leggewie das neue Buch von Dr. Bender Was will die AfD? vor. Die Publikation sei der Versuch eines ausgewiesenen Experten, sich fair mit dieser Partei auseinanderzusetzen. Dr. Bender legte zunächst deutliche Radikalisierungs- und Professionalisierungsentwicklungen innerhalb der Partei seit deren Gründung dar. So seien die früheren Themenschwerpunkte „Euro“ und „Griechenland“ durch einen Fokus auf „Flüchtlinge, Sicherheit und Muslime“ abgelöst worden. Außerdem habe sich das Personal der Partei durch eine bessere Finanzierung auch professionalisiert. Daran anschließend charakterisierte Dr. Bender die AfD als autoritär-völkische Partei, in deren Selbstverständnis keine republikanische, sondern eine ethnische Definition des Volksbegriffs Anwendung findet. Der Rekurs auf das Abendland sei indes nur als rhetorische Figur zu verstehen, da seitens der AfD vermehrt Angriffe auf Kirchen und kirchliche Institutionen wie das Kirchenasyl zu beobachten sind. Dies gelte ebenfalls für andere staatliche Institutionen, wie den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Als konkrete Handlungen einer potentiellen Regierungsarbeit der Partei machte Dr. Bender u.a. die Schließung von Koranschulen, die Stärkung des traditionellen Rollenverständnisses in Familien, eine defizitäre Steuerpolitik und einen weitgehenden Finanzierungsstopp für Genderstudien und ‚linke Milieus‘ aus. Mit Blick auf die Analyse der Wählerschaft der AfD bemerkte Dr. Bender, dass man das subjektive Gefühl des Abgehängtseiens von den in der Realität schwächer gestellten WählerInnen trennen müsse. Im Besonderen ging er hier auf die strukturschwachen und bei staatlichen Investitionen vernachlässigten ländlichen Gebiete und die Angst vor einem Kontroll- und Ordnungsverlust an sich als mögliche Ursachen ein. Prof. Leggewie schloss sich diesem Argument an und erweiterte es um eine globale Perspektive. So sei das steigende Problem des Stadt-Land-Gefälles mit abgehängten Regionen durch schlechte Infrastruktur und fehlende kulturelle Angebote weltweit zu beobachten. Die Agenda der AfD sei hierbei jedoch keine Hilfe, so Dr. Bender. Sie stelle vielmehr eine Abkehr von der repräsentativen Demokratie dar.

 

Lehramtsstudent Ali Can gründete 2016 den Verein Interkultureller Frieden e.V. und in diesem Rahmen auch die Hotline für besorgte Bürger, die sich als Gesprächsangebot an Menschen richtet, die Fragen rund um „Migration, Flüchtlinge, Migranten, Islam“ haben. In diesem Kontext entstand auch das Video, das Ali Can in der zweiten Hälfte der Veranstaltung zeigt. Der Ausschnitt zeigt ihn bei seinem Besuch einer Pegida-Kundgebung in Dresden, die vom WDR begleitet wurde (das Video finden Sie in voller Länge hier.) Ali Can hat sich zum Ziel gesetzt, zur Verbesserung der Kommunikation und des Miteinanders beizutragen. Er sieht dies als langen Prozess, zu dem er mit seinen Projekten einen Teil betragen will, damit festgefahrene Denkmuster und einseitige Sichtweisen durchbrochen werden können. In seinen Gesprächen im Rahmen der Hotline für besorgte Bürger seien die am meisten angesprochenen Themen Religion, Kultur und Integration gewesen. Auch hierbei sei die Argumentation über Zahlen und Fakten nicht immer zielführend, da Empfindungen wie Kontrollverlust und Ungerechtigkeit überwiegen würden.

 

In der anschließenden Diskussion wurde die Frage aufgeworfen, ob die AfD auch ein Symptom einer in Deutschland offenen Identitätsfrage sei und inwiefern man diese Frage mit Rücksicht auf Unterschiede von Stadt zu Land diskutieren müsse.

Abschließend ging Prof. Leggewie noch auf den Ausgang der Wahlen in Frankreich ein und führte die Wahl Emmanuel Macrons als Chance für Europa und gegen den Populismus an.

 

Prof. Leggewie äußerte sich auch in einem Interview mit dem Deutschlandfunk zur aktuellen Lage der Populisten in Europa. Das Interview finden Sie in voller Länge hier.

Die Berichterstattung der Presse finden Sie hier (Gießener Allgemeine) und hier (Gießener Anzeiger).

 

(06.06.17, Ina Daßbach)