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6. Kolumne: Wir sind Fernsehen

Selbstdarsteller, Musikfreaks, Hobby-Filmer, Werbetreibende, Politiker und Fernsehnostalgiker – kaum eine Internetseite zieht so viele unterschiedliche Typen an, wie das Videoportal YouTube. Obwohl erst vor fünf Jahren gegründet und vor fast genau vier Jahren, am 9.10.2006, von Google für 1,65 Milliarden Dollar übernommen, gehört YouTube heute zu den Big-Playern im Internet. Warum eigentlich? Was macht dieses Unternehmen so besonders, das nichts selbst produziert und zum Zeitpunkt seiner Übernahme gerade einmal 67 Mitarbeiter hatte?
Ganz einfach: YouTube hat das Internet radikal demokratisiert. Denn in erster Linie sind es die aktiven Nutzer dieses 'Mitmach-Video-Webs', die das schier unerschöpfliche Videoarchiv mit Privatvideos, Fernseh- und Filmmaterialien speisen. Dass YouTube inzwischen ein Konzern ist, der sich regelmäßig über nationale Gesetze hinwegsetzt, steht auf einem anderen – bedenklichen – Blatt. Die Plattform verzeichnet neben zwei Milliarden weltweiten Seitenaufrufen täglich und 14,6 Milliarden angeschauten Videos alleine in den USA im Mai 2010 jede Minute Uploads durch die Nutzer im Gesamtumfang von ca. 24 Stunden. Nicht immer ist das legal. Seit Jahren versuchen Fernsehsender das Hochladen von TV-Mitschnitten zu unterbinden. Mit bescheidenen Erfolg.
Gleichzeitig entdecken Fernsehsender weltweit das interaktive Potenzial der Videoplattform, um passend zu bestimmten Sendungen ein ergänzendes Webangebot zu etablieren und einen direkteren Kontakt mit den Zuschauern herstellen zu können. So können etwa die Zuschauer der ZDF-Talkshow Maybrit Illner im entsprechenden YouTube-Kanal Videos mit Fragen und Kommentaren hochladen, die dann im Idealfall in der Fernsehsendung eingespielt und von den eingeladen Gästen beantwortet werden. Damit wird YouTube zunehmend zum Diskussionsforum von Medienproduzenten und -konsumenten. Kurz: Erst hat YouTube das Internet revolutioniert und jetzt ist das Fernsehen dran. Experten sprechen schon von einem neuen medialen Mitspracherecht. Gut so! (Torben Schmidt)

Diese Kolumne erschien am 08.10.2010 im Gießener Anzeiger.