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Projekt "Inszenierung von Theater, Sport und Politik in den neuen Medien"

2001-2002

Inszenierung von Theater, Sport und Politik in den neuen Medien


Das Projekt untersuchte aus sozial- und kulturwissenschaftlicher Perspektive die Inszenierung der sozialen Teilbereiche Theater, Sport und Politik in (und mit Hilfe der) neuen Informations- und Kommunikations-Technologien. Nachdem in den vergangen Jahren im Bezug auf die „Inszenierungsgesellschaft“ der verschiedenen Lebensbereiche erhebliche wissenschaftliche Fortschritte erzielt wurden, konzentrierte sich dieses Forschungsvorhaben auf die Folgen der Medienrevolution, die mit interaktiven Medien und individualisierter Medienkommunikation zu vermuten sind.

Projektleitung: Prof. Dr. Claus Leggewie


Projektbeschreibung

Das interdisziplinäre Projekt befasst sich mit spezifischen Präsentationsformen und Inszenierungsweisen in neuen Medien, vor allem im Hinblick auf „Interaktivität“. Neben der permanenten Rückkanalfähigkeit, die eine kontinuierliche Sender - Empfänger - Beziehung und raschen „Rollenwechsel/-tausch“ gestattet, ist das Novum die Bündelung, Synchronisierung
und Beschleunigung aller bekannten Kommunikationsmedien (Sprache, Schrift, Ton/Sound, starres und bewegtes Bild, Telefon, Fax usw.).
Hierin sehen wir eine systematische Analogie zum Theater als herausragender Darstellungsform, in der ebenfalls alle Künste zu verschränken sind. Die in der Theaterwissenschaft entwickelten Kriterien und Konzepte für das Zusammenspiel dieser (nicht nur ästhetischen) Kräfte sollen auf die Netz-Medien angewandt und vor allem an zwei empirischen Gegenstandsbereichen überprüft werden: Politik und Sport. Die Methodologie der diesen Gegenständen zugeordneten Disziplinen Politik- und Sportwissenschaft soll wiederum auf die Theaterwissenschaft zurückwirken.
Die Empirie der Theatralisierung der Mediengesellschaft ist vor allem im Hinblick auf das Fernsehen abgehandelt worden. Es steht mittlerweile eine weitere, digitale „Bühne“ bereit, die eine Radikalisierung der Darstellungsmöglichkeiten erlaubt. E-Mail-Kommunikation, ein Zwitter zwischen geschriebener und gesprochener Kommunikation, Selbst-Inszenierungen auf Homepages, die Kommunikationsformate von Chatrooms und dergleichen erlauben dem elektronischen Handel, der konventionellen und unkonventionellen politischen Beteiligung, der Sport- und Freizeitkultur neuartige Auftrittsmöglichkeiten.
Bedürfen diese theatralisch-künstlerischen Experimente in den Neuen Medien dringend einer wissenschaftlichen Bearbeitung und Durchdringung, so können die Ergebnisse zugleich auf Felder angewandt werden, in denen Theatralität in jüngster Zeit eine zunehmend wichtigere Dimension angenommen hat. Auch hier spielen Neue Medien eine bedeutende, aber bisher nur in Ansätzen erforschte Rolle.
Im Bereich der Politik sind zu nennen die „Auftritte“ von Politikern, Parteien und Parlamenten in digitalen Medien. Als neue Inszenierungsorte und -umgebungen gelten Webseiten, Newsgroups, Chat-Räume, MUDs, Avatare etc., in denen die durch das und im Fernsehen begonnene Ästhetisierung des Politischen eine Fortsetzung findet. Empirisch wird sich das Projekt zum einen auf konventionelle Akteure beziehen und untersuchen, welchen Einfluß das Interaktivitätspotenzial auf die herkömmliche politische Massenkommunikation besitzt, zum anderen aber auch Protestkommunikation bisher eher marginaler und reprimierter Akteure untersuchen, denen die geringen Transaktionskosten von Internet-Kommunikation eine
Beteiligungs- und Mobilisierungschance bietet. Dazwischen stehen die inter- oder transnationalen Nicht-Regierungs-Organisationen, die sich mit Hilfe neuer Medien einen gegenstandsbezogenen Kommunikationsraum erschließen können. Der Projektteil schließt an die in der Theatralitätsforschung übliche Kategorisierung von Fiktionalisierung und Authentifizierung sowie der Inszenierungsmerkmale Korporalität, Sequenzialität und Interaktivität an, spezifiziert diese aber im Hinblick auf die besondere Struktur des Politischen wie der Neuen Medien.
In der Sportwissenschaft ist eine analoge Entwicklung zu konstatieren. Das Fernsehen hat das öffentliche Bild des Sports geformt und intensive Beziehungen zwischen der Medienkultur und dem Sport hergestellt. Die Inszenierungen des Sports in den Neuen Medien sind bisher jedoch allenfalls am Rande behandelt worden. In diesem Projektteil werden zum einen die
Internet-Auftritte etablierter und offizieller Sportorganisationen, zum anderen die digitalen Aktionen von Sportfans sowie oppositioneller Sportszenen (Snwowboarding, Streetball usw.) untersucht, und zwar im Hinblick auf Sportkonzepte und -ästhetik, Körperbilder und dergleichen. Die vergleichende Analyse der Webseiten soll mit Blickrichtung auf Sportereignisse (Olympische Spiele, Fußballweltmeisterschaften usw.), -Praktiken (Fußball, Trendsportarten) und -Produzenten (Ahleten, Vereine, Sportartikelhersteller) erfolgen. Die daraus resultierende Konzeptualisierung eines „Cybersports“ greift dabei bisherige Überlegungen zum „Mediensport“ auf und überträgt sie in ein neues mediales Umfeld.

 


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