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Warmlaufen der Männer statt Siegerehrung der Frauen - Klare Positionierung der ARD im DFB-Pokalfinale 2020

Warmlaufen der Männer statt Siegerehrung der Frauen - Klare Positionierung der ARD im DFB-Pokalfinale 2020

 

Am Samstag, den 04. Juli 2020, wurde ein neues Kapitel geschrieben: Die Fußballerinnen des VfL Wolfsburg gewannen mit 7:5 im Elfmeterschießen gegen die SGS Essen das Finale im DFB-Pokal der Frauen. Ein neues Kapitel kann nach diesem Tag auch dem Buch „Fußball verbindet – durch Ausgrenzung“ (2013) hinzugefügt werden. Die Autorin Nina Degele spricht darin vom „Draußenhalten“ von  Homosexualität, von Ethnizität und von Geschlecht. Vom Naturalisieren von Stereotypen und struktureller Diskriminierung. Und, ja, auch von den Medien.

Foto: Sophie Engelen

Am 04. Juli 2020 übertrug die ARD das Spiel. Es sollte eines der hochklassigsten und dramatischsten Pokalfinale aller Zeiten werden. Bereits nach 12 Sekunden erzielte Lea Schüller das 1:0 für die Essenerinnen und damit das schnellste Tor in der Geschichte des DFB-Pokals der Frauen. Nach spannenden 90 Minuten stand es 3:3 und erst nach torloser Verlängerung konnte sich der Favorit aus Wolfsburg im Elfmeterschießen durchsetzen. Danach: Freudentaumel, Konfettikanonen und knallende Sektkorken! Nehmen wir an. Nach Aussage der ARD gab es keinen Spielraum mehr. Für sie. Die Siegerehrung auszustrahlen. Stattdessen wurde geswitcht, zur Vorberichterstattung der Männer.

 

Über den Microblogging-Dienst Twitter reagierten die Fans sofort und kritisierten die ARD scharf. Vor dem Hintergrund, dass Frauen im Sport, besonders im Fußball, seit Jahrzehnten strukturell diskriminiert werden und die Medien selbst in jüngerer Vergangenheit keine rühmliche Rolle im Hinblick auf eine Gleichstellung der Geschlechter spielten, ist diese                                                                                                                                                                                      

Entscheidung der ARD mindestens als unüberlegt, wenn nicht als grob fahrlässig zu betrachten. In Erinnerung gerufen sei der Werbespot des ZDF zur Fußball-Europameisterschaft der Frauen 2013, der den Körper einer trainierten jungen Frau im Deutschland-Trikot zeigt, die einen Fußball geschickt in einer Waschmaschine versenkt – ohne ihren Kopf mit ins Bild zu nehmen – um sie abschließend auf der laufenden Waschmaschine posieren zu lassen.[1]

  

Tweet zur ARD Übertragung. Foto: Sophie Engelen

Dabei ist gerade das DFB-Pokalfinale der Frauen eine Erfolgsstory: Seit 2010 wird es – organisatorisch unabhängig vom Finale der Männer – als eigenständige Veranstaltung im Kölner Rheinenergiestadion ausgetragen. Damit ist es seinen Status als ‘schmückendes Beiwerk’ des Finals der Männer im Berliner Olympiastadium endgültig losgeworden: Für die teilnehmenden Vereine winkt eine hohe Prämie des DFB und das Publikum ist mit über 17.000 Zuschauer*innen weitaus größer als zu Liga-Partien der Frauen-Bundesliga. Und auch das diesjährige Pokalfinale, das aufgrund der Corona-Pandemie vor leeren Rängen stattfinden musste, stieß mit fast 2,7 Mio. Zuschauer*innen und einem Marktanteil von 18,2 %[2] deutschlandweit auf großes Interesse.

In nunmehr 120 Jahren DFB-Geschichte stand noch nie eine Frau an der Spitze des Fußballverbandes, der die Interessen von mehr als 7 Mio. Mitgliedern und fast 25.000 Vereinen vertritt.[3] Zu der medialen (Re-)Produktion von geschlechtsspezifischer Ungleichheit tritt also das Problem, dass Frauen in Positionen des Sportmanagements nach wie vor unterrepräsentiert sind. Während die Autorinnen diesen Blog-Beitrag verfassten, wurde mit Heike Ullrich der Posten der stellvertretenden Generalsekretärin des DFB weiblich besetzt.[4] Immerhin etwas.

                                          

  

Literatur

Degele, Nina (2013): Fußball verbindet  durch Ausgrenzung. Wiesbaden, Springer VS.

Gugutzer, Robert (2019): „Geschlechtsspezifische Körperpolitiken im Sport. Überlegungen im Anschluss an Michel Foucaults Machttheorie.“ In: Hunger, Ina; Zweigert, Maika & Kiep, Peter (2019) (Hrsg.), Geschlechter  Wissen Macht  Körper. Sozialwissenschaftliche Perspektiven auf Sport und leibliche Praxen. Berlin, LIT Verlag, 23–35.



[1] Für die Diskussion dieses und weiterer Beispiele siehe auch Gugutzer 2019, 29f.

[2] https://www.faz.net/aktuell/sport/fussball/dfb-pokalfinals-in-ard-tv-aerger-bei-frauen-und-geringe-quote-16846707.html)

[3] https://www.dfb.de/verbandsstruktur/mitglieder/ 

[4] https://www.dfb.de/news/detail/heike-ullrich-ist-neue-stellvertretende-generalsekretaerin-des-dfb-217287/



(08.07.2020, Sophie Engelen, Dinah Leschzyk)