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Bilder von Migration – Bericht über die ZMI Tagung vom 02. Dezember 2016

Bilder von Migration

Bericht über die ZMI Tagung vom 02. Dezember 2016

Die gesellschaftspolitischen Debatten um Geflüchtete und aktuelle Fragen der Zuwanderung und Inklusion sind nicht nur von mahnenden und hetzerischen Reden, Streits um die korrekten Zahlen und angemessenen Strategien, sondern auch von Bildern geprägt. Die Bilder von Geflüchteten sind selbst Politikum, relevanter Teil medialer Berichte, Objekte der Aneignung und des politischen Aktionismus.

Die Sektion 1 „Macht – Medium – Gesellschaft“ hat die im vergangenen Sommer in einem Workshop begonnene interdisziplinäre Arbeit mit einer Tagung zum Thema „Bilder von Migration“ fortgesetzt. Die Präsentationen haben auch auf einer methodischen Ebene gezeigt, dass die Souveränität in der Beschreibung und Interpretation von Bildern nicht in allen Disziplinen gleichermaßen routinisiert ist. Dementsprechend wurde auch der Wunsch nach weiterem Austausch zu Methoden der Bildanalyse unter verschiedenen Aspekten (ikonographische Bezüge, Framing, Lesbarkeit/Lesarten von Bildern u.a.) deutlich geäußert.

Ein zentraler Diskussionspunkt der Tagung war es, die Konstruktion und Reproduktion von Bildern von Migration und Migrant*innen – u.a. im Kontext politischer Bildung – zu hinterfragen. Dabei wurde kritisch reflektiert, wie die inzwischen etablierten Klischeebilder von Migrant*innen und Geflüchteten durch andere bzw. neue Bilder in Frage gestellt werden können. Dabei wurde auch die Rolle von Fotograf*innen als so genannte „Bilderkrieger*innen“ und deren moralische Verpflichtung, Flucht, Gewalt und Krieg zu dokumentieren, in Frage gestellt. Ebenso wurde die Zulässigkeit der Verletzung von Persönlichkeitsrechten sowie die Darstellung von Kindern um Verständnis und Empathie für Geflüchtete herzustellen, kontrovers diskutiert.

Unabhängig davon hat die Analyse auch die religiöse Überformung vieler Bilder von Migration aufgezeigt. Insbesondere die Darstellung von Migrant*innen als heilige Familie und die Idealisierung von Familie als kleinste schützenswerte Einheit markieren die christliche Ikonographie nicht selten als die nach wie vor dominante Interpretation von Inhalten und Symbolen. Neben der Bezugnahme auf ein religiöses kollektives Bildgedächtnis stellte auch die Bezugnahme auf einen historischen Bilderkanon (II. Weltkrieg, Vietnamkrieg, Napoleonische Kriege u.a.) ein wichtiges Thema in der Debatte um die Herstellung von affektiver Wirkung und moralischem Appell durch Bilddarstellungen in verschiedenen Formen (Fotos, Karikaturen, Malerei) dar. 

In der Abschlussdebatte wurde das innovative Format der Tagung als „Universität im besten Sinne“ bezeichnet. Fünf interdisziplinäre Tandems eröffneten jeweils verschiedene Fachzugänge zu Bildern von Migration. Jedes Tandem analysierte ein von ihm gewähltes Bild aus der Perspektive der jeweils vertretenen Disziplinen. So wurden aus der Perspektive der Chemie, der Kunstgeschichte und -pädagogik, der Soziologie und Politikwissenschaft ausgewählte Fotografien und eine Karikatur systematisch analysiert. Das Tandem-Format mit klaren Spielregeln hat sich für den interdisziplinären Austausch bewährt. Es hat erneut bewiesen, dass es zu sehr interessanten und wirklich weiterführenden Gedanken und Diskussionen zwischen den disziplinären Perspektiven anregen kann. Das Programm bot genug Raum für Diskussionen im Plenum und informelle Gespräche während der Pausen.

Mit dieser Veranstaltung wurde das Thema Bilder von Migration noch keineswegs erschöpfend diskutiert. Etwa Fragen nach den ökonomischen Interessen und Machtstrukturen, in denen die Bilder entstehen, sowie nach den medialen Kontexten, in den Bilder von Migration veröffentlicht werden, bedürfen noch einer weiterführenden Debatte.

(14.12.2017, Dorothée de Nève)