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Vortrag von Prof. Dr. Magnus Huber zum Thema "Der postkoloniale Normendiskurs am Beispiel des Englischen in Ghana"

Der postkoloniale Normendiskurs am Beispiel des Englischen in Ghana

 

In der Klassifikation von Kachru (1985) gehört Ghana zur Gruppe der sog. Outer Circle Countries. Darunter versteht man die ehemaligen Kolonien Großbritanniens und der Vereinigten Staaten, in denen Englisch noch heute die offizielle Sprache ist. Oft spricht ein Großteil der Bevölkerung Englisch jedoch lediglich als Zweitsprache. Im westafrikanischen Ghana (bis zur Unabhängigkeit 1957 die Gold Coast Kolonie) z.B. ist Englisch die Sprache des Parlaments, der höheren Gerichtshöfe, vieler Medien und des Bildungssystems, während in vielen anderen Lebensbereichen afrikanische Sprachen gesprochen werden bzw. diese mit Englisch koexistieren oder konkurrieren.

 

Die anglistische Varietätenforschung beschäftigt sich seit mehreren Jahrzehnten mit den besonderen Merkmalen und der Entwicklung von Outer Circle Varietäten. Ein einflussreiches Modell zur Beschreibung der Evolution dieser New Englishes ist Schneiders (2003) Dynamic Model. Es beschreibt in fünf Entwicklungsphasen, wie Englisch von der Sprache der Kolonisatoren zur Sprache der Kolonisierten wird: Foundation, Exonormative stabilization, Nativization, Endonormative stabilization und Differentiation. Dabei ist der Wechsel von der exonormativen zur endonormativen Orientierung besonders wichtig für die Aneignung des Englischen durch die Kolonisierten: In der Kolonialphase lag der Standard für gutes und richtiges Englisch typischerweise im "Mutterland" der Kolonialmacht. Im Falle der Gold Coast war dies Großbritannien und die proklamierte Norm war eindeutig das britische Standardenglisch. Abweichungen von diesem Standard wurden als Fehler bewertet, selbst wenn sie systematisch waren und sich durch alle Sprechergruppen zogen. In der postkolonialen Phase verschiebt sich diese Norm in das Outer Circle Country selbst, d.h. Sprecher orientieren sich bewusst oder unbewusst an einer Varietät des Englischen innerhalb der Exkolonie. Der politischen Unabhängigkeit folgt in diesem symbolischen Akt der Aneignung die linguistische Unabhängigkeit. Englisch ist nicht mehr die Sprache der Kolonisatoren sondern die der vormals Kolonisierten. Ehemalige "Fehler" werden mehr und mehr als Merkmal des Outer Circle English toleriert und schließlich akzeptiert. Der Wandel von der endonormativen zur exonormativen Orientierung verläuft jedoch selten glatt und ohne Brüche. Oft existieren auch heute noch in derselben Sprachgemeinschaft konservative, exonormativ orientierte Gruppen neben mehr progressiv, endonormativ orientierten Sprechern. Typischerweise wird diese Situation von einem häufig hitzig und emotional geführten Normendiskurs begleitet: "Is it English in Ghana oder Ghanaian English?"

 

In meinem Vortrag werde ich Einblicke in den Normendiskurs in Ghana geben und den Wandel zur Endonormativität anhand von sprachstrukturellen Beispielen illustrieren.

 

Literatur

Kachru, Braj. 1985. "Standards, codification and sociolinguistic realism: the English language in the outer circle". In: Randolph Quirk and H. G. Widdowson (eds.). English in the world:

Teaching and learning the language and literatures. Cambridge: CUP, 11–30.

Schneider, E. W. 2003. The dynamics of New Englishes: From identity construction to dialect birth. Language 79: 233–281.