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VWL I: Erste Liga

Unter welchen Umständen hat der Hersteller eines Produkts einen Anreiz, an einer Preisabsprache zwischen den nachgelagerten Händlern dieser Ware mitzuwirken? Schließlich führt die bewirkte Preiserhöhung zu einem Rückgang seiner Absatzmenge bei ggf. unveränderten Abgabepreisen an die Händler. Welche Charakteristika weisen Submissionskartelle auf, und wie unterscheiden sie sich von Preisabsprachen, Kunden- oder Gebietsaufteilungen? Führt die Verwendung automatisierter Preissetzungsalgorithmen zu höheren oder niedrigeren Preisen? Und können sich diese Algorithmen ohne menschliches Zutun „absprechen“? Wie funktionierten eigentlich die Manipulationsversuche des Londoner Interbanken-Angebotszins (Libor)?

Dies sind nur wenige der Fragen, die Willem Boshoff (Professor für Industrieökonomie an der Stellenbosch University) und Johannes Paha (Privatdozent an der Professur VWL I der JLU) am 12. und 13. Januar 2018 mit den Teilnehmern einer Tagung diskutierten, die sie am Stellenbosch Institute for Advanced Study (STIAS) organisiert hatten. Ihrer Einladung waren so prominente Forscher wie Bill Kovacic (George Washington University, ehem. Vorsitzender der US-amerikanischen Federal Trade Commission), John Connor (Purdue University) und Giancarlo Spagnolo (Stockholm School of Economics) gefolgt. Ergänzend zu ökonomischen Fragestellungen wurden auch die juristische Frage, wie der Begriff der Absprache in  verschiedenen Jurisdiktionen zu interpretieren ist, und die kriminologische Frage besprochen, durch welche Faktoren Manager zu kartellrechtlichem Fehlverhalten animiert werden. Hierzu referierte Sally Simpson, die an der University of Maryland dem Center for the Study of Business Ethics, Regulation, & Crime (C-BERC) vorsteht.

Maarten Pieter Schinkel, Giancarlo Spagnolo, Thomas Fagart, Luke Garrod

Das Thema der Tagung “Imperfect Forms of Collusion“ ergab sich aus der subjektiven Beobachtung der beiden Organisatoren, dass neben Preisabsprachen, Kunden- und Gebietsaufteilungen sowie Submissionskartellen verstärkt Verhaltensweisen auftreten bzw. von den Wettbewerbsbehörden sanktioniert werden, deren Auswirkungen auf den Preis nicht unmittelbar klar ist. So mögen Absprachen über Listenpreise zwar darauf gerichtet sein, eine solche Preisanhebung zu bewirken. Solange jedoch die Möglichkeit besteht, dass die an der Absprache beteiligten Unternehmen individuelle Rabatte mit ihren Kunden verhandeln, die von den anderen Kartellteilnehmern nicht beobachtet werden können, ist eine solche Wirkung nicht zwingend. Daher hatten sich Willem Boshoff und Johannes Paha bereits im Frühjahr 2017 mit dieser Frage befasst und ein Arbeitspapier erstellt (MAGKS Discussion Paper 40-2017), das die Umstände aufzeigt, unter denen Absprachen über Listenpreise geeignet sind, auch die rabattierten Transaktionspreise anzuheben.

Der Gießener Volkswirt geht zudem der Frage nach, unter welchen Umständen ein reiner Informationsaustausch zwischen den Herstellern zweier Güter A und B über Rabattforderungen des Einzelhandels geeignet ist, eine Preisanhebung zu bewirken. Diese Frage ist insbesondere interessant, wenn es sich bei den Gütern A und B um unverbundene Güter wie bspw. Duschgel und Windeln handelt. Eine erste Vorarbeit zu diesem Thema wurde als MAGKS Discussion Paper 36-2017  veröffentlicht. Dabei kommt es ihm entgegen, dass er Willem Boshoffs Centre for Competition Law and Economics  als Research Associate verbunden ist und er so in regelmäßigem Austausch mit seinen südafrikanischen Kollegen steht. Diese Forschungskooperation stellt auch einen Teil seines aktuellen Forschungsprojekts zum Thema „Imperfect Forms of Collusion“ dar, das er seit Anfang 2017 und verstärkt seit seiner Habilitation im Juli 2017 verfolgt. Teil dieses Projekts ist auch Daniel Herold, der sich an der JLU ebenfalls mit dem Thema des Informationsaustauschs befasst (siehe sein MAGKS Discussion Paper 50-2017) und seine Ergebnisse in Stellenbosch vorstellte.

Ulrich Schwalbe, Johannes Paha, im Hintergrund: John Connor, Bill Kovacic

Die Teilnehmer der Tagung, die aus England, Schottland, den USA, Russland, Deutschland, den Niederlanden, der Schweiz, Schweden und Südafrika angereist waren, zeigten sich begeistert vom Gedankenaustausch, der während der Tagung stattfand. Die spezifische Zielsetzung erlaubte nicht nur einen fokussierten Gedankenaustausch sondern schuf auch die Gelegenheit, gemeinsame Forschungsprojekte anzubahnen. Die Sommersonne Südafrikas trat angesichts der lebhaften und konstruktiven Diskussionen daher schnell in den Hintergrund.

Der Gießener Johannes Paha zeigte sich begeistert: „Die Tagung war ein voller Erfolg. Ich habe schon jetzt sehr vom Austausch mit den Kollegen profitiert und bin dankbar, dass sie sich auf diese spezifische aber wichtige Themenstellung unseres Symposiums eingelassen haben. Ich bin glücklich, dass sich Willem Boshoff sofort begeistert zeigte, diese Tagung durch das CCLE zu finanzieren, nachdem ich ihm von der meiner ersten Idee hierzu berichtet hatte. Die Organisation und Durchführung dieser Veranstaltung stellen einen wichtigen Meilenstein der Kooperation zwischen der Stellenbosch University und der Justus-Liebig-Universität dar.“

Weitere Impressionen zur Tagung finden Sie hier.